Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger, stellte sich Montagabend der Diskussion über die Medienpoiitik der Regierung (Foto von einer Pressekonferenz zur Studienförderung).

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Wien – "Ich freue mich auf die nächste Diskussion, wenn wir den Entwurf des ORF-Gesetzes haben." Humor und Lust an der Auseinandersetzung kann man Eva Blimlinger nicht absprechen. Die Mediensprecherin der Grünen und Verhandlerin des türkis-grünen Medienpakets verabschiedete sich am Montag nach gut eineinhalb Stunden von den Diskutantinnen und Diskutanten im Presseclub Concordia mit der Vorfreude auf die nächste emotionale Debatte. Zuvor war Blimlinger alleine auf weiter Flur, als sie den Gesetzesentwurf zur Neustrukturierung der "Wiener Zeitung" und die Vorhaben der Regierung in puncto Medienförderungen verteidigte.

Medienwissenschafter Matthias Karmasin monierte etwa, dass die Mitgliedschaft im Presserat kein Kriterium bei der mit 20 Millionen Euro dotierten Journalismusförderung sei. Laut Blimlinger handelt es sich hier um eine "Lex Kronen Zeitung", da das Boulevardmedium nicht Mitglied des Presserats ist. Die ÖVP wollte keine Verknüpfung mit dem Selbstkontrollorgan der Medienbranche. Die "Kronen Zeitung" sollte womöglich nicht verärgert werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist für Karmasin, dass die Journalismusförderung den Markteintritt neuer Player nicht fördere, sondern ganz im Gegenteil nur die Macht der etablierten Medien zementiere. Mit Innovation habe das nichts zu tun.

Blimlinger will Mindestzeichenanzahl streichen

Das bestätigt sogar Blimlinger: "Es ist keine Innovationsförderung, die müsste andere Kriterien haben, anders aufgesetzt sein." Weitere Kritikpunkte der letzten Wochen sind etwa die Orientierung an der Anzahl der nach Journalistenkollektivvertrag oder zu vergleichbaren Konditionen angestellten Journalistinnen und Journalisten oder eine Mindestanzahl an Zeichen, die Medien pro Jahr publizieren müssten, um in den Genuss einer Förderung zu kommen. Laut dem Gesetzesentwurf sind das 30 Millionen Zeichen. Wenn es nach Blimlinger geht, gäbe es hier noch Änderungsbedarf, wie sie auch schon im STANDARD-Interview erklärte. "Uns wäre es am liebsten, wenn sie gänzlich wegfällt. Investigativer Journalismus hat nichts mit Zeichenzahl zu tun", sagte Blimlinger.

Kein Problem sieht Blimlinger darin, dass Onlinemedien zumindest 300.000 Unique User pro Monat haben müssen, um gefördert zu werden. Das hätte sie in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertreter von Onlinemedien so vernommen, sagte Blimlinger, ohne auf die Namen eingehen zu wollen.

Straßenzeitungen kritisieren hohe Hürden

Bewegung beim Koalitionspartner ÖVP erhofft sich Blimlinger in Sachen Förderung des Wissenschaftsjournalismus. Er sollte als Kriterium in die neue Medienförderung einfließen, was aber die ÖVP nicht wollte. Ein Kriterium, an dem nicht wenige Medien scheitern, ist die Zahl von drei journalistischen Vollzeitäquivalenten. Straßenzeitungen wie der "Augustin" kritisierten am Montag im Verbund mit sechs weiteren Straßenzeitungen, dass damit kleinere Medien de facto durch die Finger schauen. Sie fordern ein Konzept der "Förderung First". Denn: Damit kleine Redaktionen genügend hauptberuflich tätige Redakteurinnen und Redakteure haben können, müssten sie zuerst gefördert werden. Straßenzeitungen bräuchten eine Art Sockelförderung. Ein Modell, das nicht vorgesehen ist.

Kein gutes Haar ließen die Journalisten und Journalistinnen sowie Medienwissenschafter in der Diskussion mit Blimlinger an den Plänen der Regierung für die "Wiener Zeitung": Concordia-Vorstandsmitglied Helmut Spudich sieht darin eine "Mogelpackung". Das Gesetz schaffe die "Wiener Zeitung" quasi ab. Dem Gesetzesentwurf zufolge soll die "Wiener Zeitung" von einer Tageszeitung in ein Onlinemedium umgewandelt werden, das nach Maßgabe der finanziellen Mittel auch in Printform erscheine soll – etwa als Monatstitel.

Auf Kritik stößt auch eine geplante Journalistenausbildung unter dem Namen "Media Hub Austria", die dem Bundeskanzleramt unterstellt ist. "Das würde die Journalistenausbildung verstaatlichen", kritisiert Spudich. Die "Wiener Zeitung" ist die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, sie befindet sich im Eigentum der Republik.

Koller: Noch mehr Nähe zwischen Politik und Medien

Das sieht auch Andreas Koller, Präsident des Presseclubs Concordia und Innenpolitikjournalist der "Salzburger Nachrichten", so. "Diese Verstaatlichung der Journalistenausbildung können Sie nicht schönreden", sagte Koller zu Blimlinger. "Was tun Sie, wenn der nächste Kanzler Kickl heißt? Nichts kann falscher sein, als hier sechs Millionen Euro auszuschütten." Es wäre ein fatales Signal, dass Politik und Medien noch näher zusammenrücken.

Blimlinger kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Es sei schon bisher so gewesen, dass der Bundeskanzler Zugriff auf die "Wiener Zeitung" gehabt habe. "Warum jetzt der Teufel an die Wand gemalt wird, ist mir nicht klar. Der Großteil der Ausbildungen ist staatlich", sagt Blimlinger und verweist etwa auf Universitäten, die vom Staat finanziert werden. "Ein Bundeskanzler wird sich davor hüten, einen Zugriff zu machen." Und überhaupt: Würde Herbert Kickl (FPÖ) Kanzler werden, könnte er mithilfe des Koalitionspartners die "Wiener Zeitung" einfach schließen, so Blimlinger. Bei der Aus- und Weiterbildungsschiene möchte sie eine Qualitätssicherung installieren, das nehme sie aus den kritischen Reaktionen mit.

Keine Diskussion mit der Redaktion

Thomas Seifert, stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung", wirft Blimlinger Diskussionsverweigerung vor: "Sie waren nie in der Redaktion und haben nie mit uns gesprochen." Sondern ausschließlich mit dem Geschäftsführer. "Die Zeitung hat aus meiner Sicht den Rang des Burgtheaters und hat sich diesen Respekt verdient", so Seifert. Für Walter Hämmerle, den Chefredakteur der "Wiener Zeitung", wurde mit dem Gesetzesentwurf gegen das Redaktionsstatut des Mediums verstoßen, denn: Man hätte mit der Redaktion verhandeln müssen. Das sei nicht geschehen.

An einen Verkauf der "Wiener Zeitung" glaubt Blimlinger nicht, auch nicht an eine Ausschreibung. Sie hätte bis jetzt von keinem Konzept oder ernsthaften Interessenten gehört. Eine gedruckte Zeitung sei keine Zukunftsinvestition, so Blimlinger. Sie verweist auf jährlich 7,5 Millionen Euro, die künftig für die Redaktion der "Wiener Zeitung" zur Verfügung stehen sollen. Projektteams hätten sich formiert, um ein tragfähiges Finanzierungsmodell zu entwickeln. Blimlinger will das Konzept für die "Wiener Zeitung" trotz aller Bedenken durchziehen, das klingt zumindest so. Dass die Pläne auf Gerald Fleischmann, unter Ex-Kanzler Sebstian Kurz Kanzlerbeauftragter für Medienpolitik und jetzt Kommunikationsleiter der ÖVP, zurückgehen, bestreitet Blimlinger. Das sei nicht der Fall.

Einladung an die Medienministerin

Während sich Blimlinger der Öffentlichkeit stellt, scheint Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) medial auf Tauchstation. Der Presseclub Concordia möchte das ändern und hat auch sie zu einer Debatte über Medienpolitik eingeladen. Eine Antwort steht noch aus. (Oliver Mark, 6.12.2022)