Leni und Heidi Klum bei einer Veranstaltung im September 2022.

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"Heiß, heißer, Heidi und Leni Klum!" Der Boulevard geht gleich in die Vollen und leitet einen kurzen Bericht über eine aktuelle Unterwäsche-Kampagne für Intimissimi maximal billig ein. "Schmuddelig" nennt die "Daily Mail" die Kampagne, für die Heidi Klum und ihre Tochter Leni Klum "gemeinsam die Hüllen fallen" lassen, wie eine andere Zeitung schreibt.

Heidi und Leni Klum werben zusammen für Intimissimi. Die Kampagne soll die "starke Verbindung zwischen Mutter und Tochter, aber auch bedingungslose Liebe, Freundschaft und Unterstützung" zeige
DER STANDARD

Seit einiger Zeit hängt überall ein Sujet, auf dem Heidi Klum (49) und ihre Tochter Leni Klum (18) abgebildet sind. Heidi Klum in BH und Unterhose, Leni Klum in einem Unterkleid. Leni lehnt sich an die Schulter ihrer Mutter. In einem Spot, ebenfalls in Unterwäsche, tanzen und singen die beiden zur Oper "Il barbiere di Siviglia". Mutter und Tochter in vertrauensvoller Pose, Mutter und Tochter haben es lustig. Und natürlich: Ihre Körper sind das, was man gemeinhin als perfekt versteht. Der Altersabstand von 31 Jahren ist natürlich unsichtbar.

Beautyleistungsschau

Nun, medienkompetente Rezipient:innen regt das freilich nicht mehr auf. Meine Güte, es existiert schließlich Photoshop, und bedenken wir den Umstand, dass sich Heidi Klums Job vorwiegend um ihr und das Aussehen anderer dreht. Alles keine Überraschung also, wenn auch nicht sympathisch. Ebenso wenig, dass manche Medien die Gelegenheit ergreifen, hier direkt Mainstreamporno-Narrative aufzurufen – siehe "schmuddelig". Und noch weniger sympathisch ist es, dass Klum hier ihre Beautyleistungsschau im direkten Vergleich mit ihrer Tochter abzieht.

So richtig unangenehm sind allerdings die moralischen Botschaften. Dahingehend trägt die Pressearbeit für die Kampagne dick auf. Es gehe dabei um "Selbstbewusstsein, Lebensfreude und Liebe. Liebe zu sich selbst". Body Positivity lässt grüßen und uns ratlos mit der Frage zurück: Warum transportiert das Herzeigen eines normschönen Körpers, den noch immer zahllose Menschen als das Nonplusultra ansehen, "Selbstbewusstsein"? Und wie passt da die Liebe zu sich selbst rein? Hat man sie, obwohl man so schön ist? Verwirrend.

Doch nicht nur das Bestreben, vielfältigere Körper zu zeigen, wird schamlos getriggert, obwohl diese Bilder nicht weiter davon weg sein könnten. Auch Assoziationen zu Frauensolidarität werden ungeniert hergestellt, denn es gehe auch um "Liebe und Unterstützung zwischen Frauen" und schließlich um "Liebe zwischen Mutter und Tochter".

Selbstbewusst "perfekt"

Vielleicht hat es auch was Positives, dass selbst Dessous inzwischen eine Imagepolitur brauchen und nicht mehr für sich selbst stehen können. Trotzdem beleidigen die plumpen Versuche, selbst einer solchen Kampagne einen moralischen Unterbau zu verpassen, unser aller Intelligenz. Noch dazu ausgerechnet bei Heidi Klum, die seit Jahrzehnten in ihrer Show "Germany's Next Topmodel" jungen Leuten einredet, Schönheit wäre das Ergebnis von harter Arbeit. Dass sie mit Glück in der Genlotterie und damit, dass Frau gerade ins zeitgenössische Schönheitsideal passt, rein gar nichts zu tun habe.

Da will man sich am liebsten vor Werbeagenturen auf die Knie werfen und darum betteln, doch Oberfläche dort zu lassen, wo sie hingehört: an der Oberfläche. "Wäsche für sexy Body – egal ob 18 oder 49" oder so irgendwie. Dieses Pathos ist jedenfalls kaum auszuhalten. (Beate Hausbichler, 7.12.2022)