Der Lynx von Rheinmetall ist Teil des "Optionally Manned Fighting Vehicle"-Programms.

Foto: Rheinmetall

"Lauernde" Munition, Cyber-Warfare und Drohnenkrieg: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine entwickelte sich schnell zu einer kriegerischen Hightech-Auseinandersetzung. Manche Beobachter sprechen sogar vom Krieg der Drohnen, also unbemanntem Kriegsgerät, das aus der Ferne gesteuert Bomben über Stellungen abwirft, Feinde ausspäht oder deren Kommunikation stört.

Während der Drohnenkrieg sogar teilweise mit kommerziell erhältlichen Zivilmodellen geführt wird, steht bereits die nächste Evolution vor der Tür: unbemannte oder sogar autonom agierende Bodenfahrzeuge. Doch derartige "Killerroboter" stehen in der Kritik: Viele Nationen, darunter Österreich, und Menschenrechtsorganisationen sind der Meinung, dass Maschinen nicht über Leben und Tod entscheiden dürfen. Noch wird der Krieg am Boden nicht von Maschinen geführt. Die Konzepte gibt es schon, die Hersteller kämpfen jedoch mit Rückschlägen und Fehlern ihrer Systeme. Ein Wettlauf zwischen Regulierungsbemühungen und Marktreife der "Killerroboter" kündigt sich an.

Unbemannte Fahrzeuge sind keine neue Idee

Neu ist die Idee eines ferngesteuerten Panzers freilich nicht. Bereits im Ersten Weltkrieg gab es erste Entwürfe für sogenannte Landtorpedos. Dabei handelte es sich meist um einen Sprengsatz auf einem Chassis mit Gleisketten – weshalb die frühen Modelle schon an Panzer erinnern. Vor allem an der Westfront wurden die Geräte von französischer Seite eingesetzt, um die deutschen Stellungen zu durchbrechen. Besonders erfolgreich waren die "Aubriot-Gabet Torpille Electrique" genannten Fahrzeuge aber nicht. Sie konnten nur vorwärts und rückwärts fahren und blieben dadurch zu oft im Niemandsland zwischen den Fronten hängen.

Im Zweiten Weltkrieg verwendete die deutsche Wehrmacht sogenannte Ladungsträger, ebenfalls kaum mehr als eine fernsteuerbare Bombe. Auch diese waren nicht sonderlich erfolgreich. Da die später "Goliath" genannten Fahrzeuge schwierig zu bedienen waren und noch dazu zu Fehlfunktionen neigten, kam es immer wieder zu tödlichen Unfällen.

Die Kalaschnikow-Drohne

Doch auch fast 80 Jahre später ist der Einsatz von ferngesteuerten Panzern eine technische Herausforderung. So setzte Russland im Syrienkrieg im Jahr 2019 erstmals den vom Kalaschnikow-Konzern entwickelten Uran-9 ein. Auf dem Papier soll der Minipanzer ein mobiles Gefechtsaufklärungssystem sein. Das unbemannte Landfahrzeug verfügt über eine 30-mm-Maschinenkanone, ein 7,62-mm-Maschinengewehr sowie diverse Lenkwaffen zur Flieger- oder Panzerabwehr. Darüber hinaus ist das System gegen leichten Feindbeschuss sowie Splitter geschützt und mit zehn bis zwölf Tonnen Gefechtsgewicht relativ leicht.

Ein Uran-9 bei der Militärparade in Moskau im Jahr 2021. Im Einsatz erwies sich der Roboterpanzer als Fehlschlag.
Foto: MAXIM SHEMETOV, Reuters

Komplettiert wird das Fahrzeug durch eine Kommandostation auf einem Lastwagen, von wo aus das Vehikel ferngesteuert wird. Laut Herstellerangaben soll die Drohne vor allem im urbanen Gebiet operieren, dem schwierigsten Gelände für bemannte Panzerfahrzeuge. Doch die technischen Daten sind nur auf dem Papier beeindruckend. Denn im Einsatz erwies sich die Uran-9 als völliger Fehlschlag.

Funkverbindung riss 19-mal ab

Nicht nur riss die Verbindung zur Kommandostation ständig ab, auch die Bandbreite der Datenübertragung erwies sich als viel zu gering. Das führte dazu, dass der Uran-9 nur etwa 200 bis 300 Meter weit effektiv gesteuert werden konnte – und das nur, wenn der Bediener Sichtkontakt halten konnte. Bei einem Vehikel brach die Funkverbindung laut einer Untersuchung des russischen Verteidigungsministeriums 19-mal ab, die längste Unterbrechung dauerte über eineinhalb Stunden.

Die Bewaffnung erwies sich als nahezu unbrauchbar, da es zu einer deutlichen Verzögerung der Eingabe aus der Kommandostation und der tatsächlichen Schussabgabe kam. Darüber hinaus verfügt der Uran-9 über keine Waffenstabilisierung, was dazu führt, dass das Fahrzeug stillstehen muss, um gezielt schießen zu können. Zu guter Letzt gab es auch noch Probleme mit dem Laufwerk, das sich als unzuverlässig erwies, womit ständige Reparaturen erforderlich wurden.

Das OFMV von BAE Systems.
Foto: BAE Systems

Die Untersuchung kam zu einem vernichtenden Urteil: Unbemannte Kampffahrzeuge seien in den nächsten zehn bis 15 Jahren wohl nicht in der Lage, Aufgaben während Kampfhandlungen zu erfüllen. Zwar sagt der stellvertretende Generalstabschef, Generalleutnant Igor Makuschew, dass die Entwickler alle während des Einsatzes in Syrien festgestellten Mängel beseitigt haben und der Roboter für den Truppeneinsatz bereit sei, dennoch wurde das Gerät noch nicht im Ukraine-Krieg eingesetzt.

Ähnlich wie der ganz große Bruder, der T-14 Armata, er ist der modernste Hauptkampfpanzer der russischen Armee. Dieser soll ebenfalls über autonome Kampffähigkeiten verfügen, wurde aber in der Ukraine noch nicht eingesetzt, wohl auch, weil der angebliche "Superpanzer" mit Stückkosten von vier Millionen US-Dollar zu teuer für die russischen Streitkräfte sein dürfte. Stattdessen soll der Verkauf des halbautonomen Panzers Devisen in den von Sanktionen getroffenen russischen Haushalt spüren – nur leider fanden sich noch keine Abnehmer für den T-14.

Ukrainische Systeme seit Jahren im Stadium des Prototyps

Auch auf ukrainischer Seite sind kaum unbemannte Bodendrohnen zu sehen. Dabei hat das staatliche Unternehmen Spet Techno Export das Phantom Tactical Unmanned Ground Vehicle entwickelt. Die kleine sechsrädrige Drohne ist mit einem 12,7-mm-Maschinengewehr ausgestattet und wiegt nur 350 Kilo. Das drei Meter lange Fahrzeug soll neben Gefechtsrollen im urbanen Gelände auch Munition transportieren oder bis zu zwei Verletzte evakuieren können.

Gesteuert wird das Gefährt über ein fünf Kilometer langes Glasfaserkabel oder per Funk, was laut Unternehmensangaben eine Reichweite von zehn Kilometern ermöglichen soll. Der Hybridmotor liefert eine Reichweite von 20 Kilometern und eine Höchstgeschwindigkeit von 38 km/h. Doch seit 2017 ist das Phantom seinem Namen gerecht geworden. Es kam nie über den Prototypstatus hinaus, genauso wie eine zweite ukrainische Eigenentwicklung, das RSVK-M2.

USA machen ihre Panzer fernsteuerbar

In den USA ist man noch dabei, einen Nachfolger für den in die Jahre gekommen M-2 Bradley zu finden. Der 1981 eingeführte Schützenpanzer soll durch ein "optional bemanntes" Kampffahrzeug ersetzt werden. Nach einigen Rückschlägen, soll das "Optionally Manned Fighting Vehicle" (OMFV) bis Mitte 2023 erste Resultate liefern.

Die Unternehmen Oshkosh Defense, BAE Systems, General Dynamics Land System und American Rheinmetall Vehicles wurden damit beauftragt, den Schützenpanzer der Zukunft zu entwickeln. Die Ausschreibungsbedingungen sehen unter anderem vor, dass die zweiköpfige Crew den Schützenpanzer aus der Ferne steuern kann.

Rheinmetall - Der integrierte Technologiekonzern

Die primäre Aufgabe eines Schützenpanzers ist es, Soldaten und Soldatinnen in den Einsatz zu bringen und ihnen anschließend Feuerunterstützung und mobile Deckung zu geben. Das macht die Rolle der Besatzung für sie aber gefährlich, da sie gerade in schwierigen Situationen wie im urbanen Gelände in unübersichtlichen engen Häuserschluchten operieren muss.

Hier kommt eine der Grundideen des OMFV ins Spiel: Die Besatzung soll den Schützenpanzer gemeinsam mit den Soldatinnen und Soldaten verlassen können. Der unbemannte Panzer wird per Fernbedienung vorausgeschickt, die Infanterie folgt in einigem Abstand, während die Crew in einer sicheren Position bleibt.

Der M-2 Bradley ist seit 1981 für die USA im Einsatz und soll abgelöst werden.
Foto: DAVID MDZINARISHVILI, Reuters

Laut den Anforderungen der US Army sollen die neuen Fahrzeuge über eine 50-mm-Maschinenkanone verfügen, was einer Verdopplung des Kalibers gegenüber dem Bradley entspricht. Möglich wird das, weil der Turm des künftigen Schützenpanzers unbemannt sein muss. Üblicherweise sitzen zumindest Kommandant und Richtschütze im Turm, da diese aber zukünftig von der Wanne des Fahrzeuges aus oder überhaupt von außerhalb des Panzers die Waffensysteme fernsteuern, steht mehr Platz für eine größere Kanone zur Verfügung. Außerdem muss der Panzer über einen Hybridmotor verfügen und sechs Soldatinnen und Soldaten transportieren können.

70 Länder fordern Grenzen für autonome Waffensysteme

Doch bis es so weit ist, werden wohl noch Jahre vergehen. Zeit für die Vereinten Nationen, neue Regeln für den Einsatz autonomer Waffensysteme zu vereinbaren. 70 Länder, darunter Österreich, haben in einer gemeinsamen Erklärung neue Regeln und Grenzen für autonome Waffensysteme gefordert. Im Oktober verpflichteten sich Boston Dynamics und weitere fünf Robotikunternehmen, ihre fortschrittlichen mobilen Roboter nicht mit Waffen auszustatten. Doch die Verhandlungen stocken, so sollen laut der NGO Human Rights Watch eine Handvoll großer Militärmächte Vorschläge für Verhandlungen blockiert haben, insbesondere Indien und Russland.

"Je länger das Thema Killerroboter im aktuellen Forum stecken bleibt, desto mehr Zeit haben Entwickler autonomer Waffensysteme, um neue Technologien zu verfeinern und kommerzielle Rentabilität zu erreichen", sagt Bonnie Docherty, leitende Forscherin bei Human Rights Watch: "Ein neues Abkommen würde dazu beitragen, das Wettrüsten einzudämmen und die Verbreitung zu verhindern, indem es die Aufhebung der menschlichen Kontrolle stigmatisiert."

Viel Zeit für Beschränkungen derartiger Waffensysteme bleibt wohl nicht mehr. Auch wenn ein ferngesteuerter Panzer noch kein wirklich "autonomes" Waffensystem darstellt, sind die meisten der nun in entwickelten Prototypen in der Lage, durch Upgrades ohne menschliche Kontrolle zu agieren – und über den Einsatz tödlicher Gewalt zu entscheiden. (Peter Zellinger, 6.12.2022)