Herzogin und Herzog von Sussex in der Netflix-Doku "Harry & Meghan".

Foto: Netflix

Die zentrale Frage steht gleich am Beginn des Trailers: "Warum dieser Dokumentarfilm?" Als Antwort folgen Bilder, zunächst des vollendeten Glücks: Harry und Meghan unterm Regenschirm, Meghan und Harry mit Gitarre, Meghan und Harry auf Reisen, Meghan ohne Harry, dafür mit Hunden, Babybauch, dann beide beim ausgelassenen Tanz, in inniger Umarmung, mit tiefen Blicken.

Netflix enthüllt einen lang erwarteten Trailer für eine sechsteilige Doku-Serie, in der Prinz Harry und seine Frau Meghan Einblicke in ihr Leben in der königlichen Familie geben
DER STANDARD

Bis ungefähr zur Mitte des Trailers könnte man meinen, es geht um ein weiteres Kapitel eines offenbar von sich selbst besessenen, berühmten britischen Ehepaars. Doch dann: Glas zerbricht, die Stimmung kippt, Meghan weint. "Niemand sieht, was hinter verschlossenen Türen vorgeht", sagt Harry. Mehr als sieben Millionen Mal wurde dieses Kurzvideo auf Youtube abgerufen.

Hinter verschlossenen Türen

Um das Lüften dieses letzten Geheimnisses oder zumindest um das Versprechen dessen soll es in der unter maximalem Getöse erwarteten Netflix-Doku Harry & Meghan gehen. Die erste Episode ist ab 8. Dezember abrufbar, die Fortsetzung Volume II folgt am 15. Dezember. Mit den Filmen wollen die beiden Hauptdarsteller ihre Position darlegen und – wieder einmal – die ganze Wahrheit erzählen. Aber warum eigentlich?

Vielleicht geht es einfach darum, dass es Netflix wieder einmal ordentlich tuschen lässt. Das kündigt ein zweiter Trailer an: Harry und Meghan wurde übel mitgespielt, suggeriert das mit dramatischer Musik unterlegte 80-sekündige Video – von der eigenen Verwandtschaft und von Medien, von denen sich beide verfolgt fühlen.

Glamourös glücklich

Die wahren Motive kennen nur die beiden selbst. Zumal es nicht ganz schlüssig ist, Privatsphäre ausgerechnet in einer Dokumentation einzufordern, die weltweit von Millionen Menschen gesehen werden wird. Zurückhaltung ist ohnehin nicht die Stärke der öffentlichkeitswirksamen Eheleute. In sozialen Medien bastelt das Herzogpaar fleißig an seiner eigenen Außendarstellung. Auf jedem Foto wirken die beiden unfassbar glamourös und glücklich, egal ob bei öffentlichen Auftritten oder im höchstpersönlichen Lebensbereich. Ein Leben voller Romantik, Liebe, Luxus – wie in einem Märchen für das sich selbst dauervermarktende Paar.

Die Frage am Rande: Wer macht diese Bilder, und haben sie den Fotografen immer in Rufnähe bei sich? Öffentlichkeit haben beide schon jetzt mehr als genug, das kann es also nicht sein. Die Verdienstmöglichkeiten halten sich wohl auch eher in Grenzen, es geht um Anklage, Entblößung: Die Filme sollen aufdecken, wie mies sich die Familie ihnen gegenüber verhalten hat. Genaueres wird man am 8. Dezember sagen können.

Harry und noch mehr Meghan sind Hasskampagnen in Medien und im Web ausgesetzt. Es gab Morddrohungen, Rassismus, Diffamierung und Lügengeschichten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Sussexes darauf bedacht sind, Message-Control zu erlangen und das Hässliche mit ihrer eigenen Auslegung von etwas Schönem zu überschreiben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, ist allerdings nicht allzu groß; zu glauben, dass mit den Filmen Anfeindungen auf immer erstickt würden, reichlich naiv. Das war nach dem vielbeachteten Auftritt Meghans bei Oprah Winfrey nicht so und zeichnet sich auch jetzt ab. Da wird etwa in sozialen Medien ein Bild mit einer Horde an Fotografen als Fake entlarvt. Und ein weiteres Foto sorgt für Diskussion: Es vermittelt den Eindruck, als sei es von einem Paparazzo gemacht worden, dürfte aber von einem akkreditierten Fotografen stammen. In der ersten Reihe zu stehen bedeutet, Shitstorms ausgesetzt zu sein.

Der zweite Trailer spielt auch auf das tragische Schicksal von Harrys Mutter Prinzessin Diana an, die 1997 verfolgt von Paparazzi bei einem Autounfall in Paris ums Leben kam. Er habe Angst gehabt, dass sich die Geschichte wiederhole, sagt Harry, der mittlerweile mit seiner Familie in Kalifornien lebt. Aufnahmen von Meghan und Diana, beide von Paparazzi-Horden verfolgt, werden einander gegenüber gestellt. "Es ist ein schmutziges Spiel", sagt Harry. Man kann dem nur zustimmen.

Obszöne Inszenierung

Harry und Meghan präsentieren der Welt eine obszön inszenierte Version ihrer selbst. Aber tun sie damit nicht genau das, was das Publikum will? Insofern wäre die Antwort nach dem Zweck ihres Tuns: um uns unterhalten. Das Risiko ist freilich ein hohes.

Mit der Netflix-Doku produzieren Harry und Meghan Inhalte, und der Druck auf sie, immer mehr von sich preiszugeben, um die Aufmerksamkeit eines rastlos scrollenden Publikums zu erhalten, wird immer größer.

Und die britische Königsfamilie? Wird tun, was sie immer getan hat: abwarten und Tee trinken – und warten, bis sich der Sturm wieder legt. Bis der nächste kommt. (Doris Priesching, 7.12.2022)