Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid und sein Verteidiger Roland Kier (rechts) haben nun offiziell den Antrag auf Kronzeugenstatus eingebracht.

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Nun gibt es ein weiteres Geständnis rund um die Causa prima, die die Republik in Atem hält. Ein Grazer Beratungsunternehmen, das eine Rahmenvereinbarung mit dem Finanzministerium abgeschlossen hatte, hat in diesem Zusammenhang "Verantwortung für Fehlverhalten" übernommen. Ein Mitarbeiter der Gesellschaft hat im Sommer 2017 zwei Workshops abgehalten, die vom Ministerium bezahlt wurden, aber tatsächlich der Vorbereitung des türkisen Wahlkampfs gedient haben sollen: Das hatte Thomas Schmid in einer seiner Einvernahmen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestanden und dazu auch eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht.

Kurzes Erklärvideo: Thomas Schmid will Kronzeuge werden. Ob das überhaupt geht und was das konkret bedeuten würde
DER STANDARD

Die WKStA ermittelt und hat wie berichtet bereits eine Hausdurchsuchung bei der ICG durchgeführt. Nun haben sowohl die nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beschuldigte ICG als auch der beschuldigte Geschäftsführer einen Fehler eingestanden und die vom Finanzministerium bezahlten 19.378,87 Euro zurückgezahlt.

ICG-Chef Kurt Mayer sagt zum STANDARD: "Wir arbeiten seit über 40 Jahren in der öffentlichen Verwaltung für eine Vielzahl öffentlicher Auftraggeber. Transparenz, Integrität, die strenge Einhaltung aller Regeln und die professionelle Distanz zu den politischen Parteien sind dabei unverzichtbar."

"Konsequenzen" gezogen

Man habe "nach eingehender interner Untersuchung und in der vollen Kooperation mit der WKStA feststellen" müssen, dass Verhaltensregeln im konkreten Fall nicht eingehalten worden seien. Daraus habe man "die notwendigen Konsequenzen" gezogen.

Für Schmid sind das gute Nachrichten. Um den Kronzeugenstatus zu erlangen, muss er den Ermittlern ja auch neue Sachverhalte liefern, und einer davon hätte sich damit bestätigt. Das stärkt auch Schmids Glaubwürdigkeit, die von der ÖVP und vor allem Ex-Kanzler Sebastian Kurz sehr stark in Zweifel gezogen wird.

Schmid hat inzwischen auch offiziell den Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus bei der WKStA gestellt. Darin schreibt er, er habe "sehenden Auges seiner beruflichen und wirtschaftlichen Selbstvernichtung zugestimmt", als er gegenüber der WKStA umfassend die Wahrheit aufgedeckt habe. Zudem verweist er auf die neuen Tatsachen, die er offengelegt habe: die Bestechungsvorwürfe gegen Unternehmer René Benko rund um Einflussnahme auf dessen Steuerverfahren; die – oben beschriebene – widerrechtliche Verwendung von Geldern des Finanzministeriums für den ÖVP-Wahlkampf, mehrere Fälle von Geheimnisverrat. Außerdem ist in dem Antrag von "weiteren bislang noch von der Akteneinsicht ausgenommenen Straftaten" die Rede – vor allem das dürfte nun wieder für blühende Spekulationen sorgen. Schon bislang war wegen geschwärzter Passagen in Schmids Anzeige klar, dass die WKStA zumindest in einem von ihm offenbarten Sachverhalt ermittelt, ohne dazu Akteneinsicht zu gewähren.

Weitere Kronzeugen?

Außerdem wird in dem Schriftsatz angedeutet, dass es noch weitere potenzielle Kronzeugen geben könnte. So hätten mehrere Anwälte Schmids Verteidiger Roland Kier im persönlichen Gespräch mitgeteilt, "dass sich bei ihnen aufgrund der momentanen Berichterstattung mehrere potenzielle Kronzeugen gemeldet hätten, die ihr eigenes weiteres Vorgehen von der Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden in der Causa Schmid abhängig machen". Für Kier wäre Schmid die "Flagge" des Instruments Kronzeugenregelung, "die aber nur dann wehen kann, wenn er als einziger bisheriger Kronzeuge im Bereich der Spitzenpolitik" diesen Status auch zuerkannt bekäme. "Der Rechtsstaat kann aber in derart hochbrisanten Angelegenheiten nicht am Kronzeugen vorbei, will er das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaats in Fällen politischer Korruption auch faktisch gewährleisten", schreibt Kier mit einem Hauch von Poesie.

Juristisch argumentiert er, dass Schmid "freiwillig" an die Strafbehörden herangetreten sei; neue Tatsachen offenbart habe, die bereits zu Ermittlungsschritten wie Hausdurchsuchungen geführt haben, sowie umfassend auf Fragen der Staatsanwälte geantwortet habe. Der Ball liegt nun bei der WKStA, ihre Entscheidung muss dann in weiterer Folge von Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) abgesegnet werden. Dass Schmid im U-Ausschuss geschwiegen hat, dürfe da keine Rolle spielen, argumentiert Kier: Der U-Ausschuss sei für das Strafverfahren nicht relevant. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 7.12.2022)