Die Großrazzia fand am frühen Mittwochmorgen zeitgleich in mehreren deutschen Bundesländern statt.

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Am Mittwochmorgen hat die deutsche Polizei in elf Bundesländern gleichzeitig Razzien gegen Reichsbürger und Verschwörungsideologen veranstaltet, heißt es in Berichten einer Recherchegruppe, die aus der "Süddeutschen Zeitung" und den Investigativressorts von WDR und NDR besteht. Dabei sollen mehr als 130 Wohnungen und Räumlichkeiten untersucht worden sein, darunter auch eine Kaserne. Weitere Durchsuchungen gab es demnach auch in Italien – und Österreich.

Bei der Großrazzia sollen 25 Männer und Frauen festgenommen worden sein, "die einer rechtsterroristischen Organisation angehört oder sie unterstützt haben sollen." Eine der Personen soll in Österreich verhaftet worden sein.

"Umsturz mit Waffengewalt"

Wie das Investigativressort des WDR auf Twitter mitteilte, soll es sich bei ihnen um ein Netzwerk von mutmaßlichen Reichsbürgern und Verschwörungsideologen handeln. "Die Gruppierung soll geplant haben, die staatliche Ordnung gewaltsam zu beseitigen und mit Waffengewalt einen Umsturz herbeizuführen. Sie soll auch Zugang zu Waffen haben." Der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) bestätigte die Berichte.

In den frühen Morgenstunden seien die Festnahmen auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs erfolgt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Bei den mutmaßlichen Vereinigungsmitgliedern handele es sich um deutsche Staatsangehörige.

Die neue Staatsform, die die Gruppe nach dem Umsturz einführen wollte, sei schon in Grundzügen ausgearbeitet gewesen, teilte die Karlsruher Behörde mit. "Den Angehörigen der Vereinigung ist bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann." Dazu zähle auch die Begehung von Tötungsdelikten.

Adel und AfD

Der Geheimdienst der Bundeswehr teilte mit, die Maßnahmen der Bundesanwaltschaft seien dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) bekannt. Der MAD sei in die Ermittlungen eingebunden. "Die Ermittlungen richten sich unter anderem gegen einen aktiven Soldaten sowie mehrere Reservisten", erklärte ein Sprecher des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst. Der "aktive Soldat" sei Angehöriger des Kommandos Spezialkräfte (KSK), es handle sich aber nicht um einen Kommandosoldaten.

Zentrale Mitglieder der Gruppe sollen laut dem WDR unter anderem ein 71-jähriger Unternehmer aus einem deutschen Adelsgeschlecht, eine frühere AfD-Abgeordnete sowie mehrere pensionierte Mitglieder der Bundeswehr sein.

Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern oder Strafzettel zu bezahlen, und stehen daher im Konflikt mit Behörden. Mitunter stellen sie sich eigene, nicht anerkannte Ausweisdokumente aus. Der deutsche Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

"Abgrund terroristischer Bedrohung"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte den Reichsbürgern in einer ersten Reaktion den Kampf an. "Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken", erklärte Faeser in Berlin. Die mutmaßliche terroristische Vereinigung sei "nach dem Stand der Ermittlungen von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben", betonte die SPD-Politikerin. "Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen."

Die Sicherheitsbehörden gingen mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz gegen solche Bestrebungen vor, erklärte Faeser und fügte hinzu: "Diese harte Gangart werden wir fortsetzen." Allerdings würden erst die weiteren Ermittlungen zeigen, wie weit die Umsturzpläne schon gediehen gewesen seien. Die Ministerin lobte die mehr als 3.000 Polizistinnen und Polizisten, die bei den Razzien im Einsatz waren. "Unser Rechtsstaat ist stark", erklärte Faeser. "Wir wissen uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren." (rio, Reuters, 7.12.2022)