Ehe die ersten Menschen australischen Boden betraten und ihre Hunde mitbrachten, war der Beutelwolf der unangefochtene König von Down Under. Seinen anderen Namen, Tasmanischer Tiger, hat er weniger seiner Statur zu verdanken (denn die ist eher hundeähnlich) als seinen schwarz-braunen Streifen, die sich quer über Rücken, Hüfte und Schwanzwurzel ziehen. Die bis 30 Kilogramm schweren und ohne Schwanz 130 Zentimeter langen Vierbeiner standen nach dem Aussterben der australischen Megafauna an der Spitze der Nahrungskette.
Doch der Konkurrenz durch den Dingo hatten sie dennoch nichts entgegenzusetzen: Wahrscheinlich verschwand der Beutelwolf auf dem Festland Australiens schon vor über 3.000 Jahren, vielleicht auch, weil sich die klimatischen Verhältnisse veränderten. Tasmanien hatten die Wildhunde jedoch nie erreicht, weshalb sich dort eine gesunde Population bis ins 19. Jahrhundert erhalten konnte. Was die Hunde nicht schafften, erledigten schließlich die Schafe bzw. ihre Besitzer: Die Angst der Schafzüchter vor Verlusten mündete in eine fortdauernde Jagd, bis 1930 das angeblich letzte Exemplar in freier Natur geschossen wurde. Zoologen mutmaßen, dass sich der Beutelwolf in einigen wenigen Exemplaren noch ein paar Jahrzehnte gehalten haben könnte.
Illegaler Fang
Da die Nachzucht in Gefangenschaft nicht funktionierte, schmolz die Zahl der in Zoos gehaltenen Tiere allmählich dahin. Im Mai 1936 bot der Fallensteller Elias Churchill dem mittlerweile geschlossenen Beaumaris-Zoo von Hobart ein illegal gefangenes Exemplar an. Der Zoo nahm das ältere Weibchen in seine Obhut, doch es starb wenige Monate später, am 7. September 1936. Keine weiteren Wildfänge sollten folgen, und so stellte sich heraus, dass die Beuteltierdame die letzte Vertreterin ihrer Art gewesen sein könnte, zumindest die letzte in Gefangenschaft.

Was mit ihren Überresten geschah, blieb lange Zeit ein Rätsel. Es existiert kein Hinweis darauf, dass das Tasmanian Museum and Art Gallery (TMAG) in Hobart seinerzeit den Körper der Beutelwölfin übernommen, geschweige denn konserviert hätte. "Viele Museumskuratoren und Forscher suchten jahrelang vergeblich nach den Überresten", sagte Robert Paddle von der Australischen Katholischen Universität. "Da kein Beutelwolfmaterial aus dem Jahr 1936 in der zoologischen Sammlung verzeichnet war, nahm man an, dass sein Körper weggeworfen worden war."
Von Hand zu Hand
Doch Paddle und seine Kollegin Kathryn Medlock, eine ehrenamtliche Kuratorin der TMAG, ließen sich nicht beirren – und hatten schließlich Erfolg, wo andere bisher gescheitert waren: Die beiden Forschenden entdeckten das konservierte Fell und das Skelett des Tieres in einem Museumsschrank. Auf den Weg dorthin war der Schatz buchstäblich durch viele Hände gegangen.
Neu entfacht wurde die langjährige Fahndung nach dem letzten Beutelwolf durch einen Bericht, über den Paddle und Kathryn Medlock im Tasmanian Museum gestolpert sind. Das fast 90 Jahre alte Dokument stammt vom Präparator des Museums und umfasst die Jahre 1936 und 1937. Diese Protokoll entpuppten sich als Schlüsselhinweis – und der erklärte, warum man all die Jahre nie etwas gefunden hatte: In einer Passage wird erwähnt, dass der letzte, 1936 verstorbene Beutelwolf, dem Museum geschenkt worden ist.

Für die Kinder
Doch die Präparierung war nicht für die zoologische Sammlung des Museums bestimmt. Fell und Knochen sollten in der Bildungsabteilung des Museums ihren Platz finden. Man hatte also bisher an der falschen Stelle gesucht. In einem alten Schrank im Bildungsdepartment fand man tatsächlich dann auch den etwas verschlissenen Balg und die Knochen der Beutelwölfin.
"Das Fell war vom Präparator des Museums, William Cunningham, sorgfältig als flache Haut gegerbt worden", sagte Medlock. "Das bedeutet, dass es leicht transportiert und als Demonstrationsexemplar für Schulklassen verwendet werden konnte." Offenbar war es das Schicksal des letzten bekannten lebenden Beutelwolfs, von Schule zu Schule zu reisen und den Schülern seine untergegangene Art näherzubringen.
Ausgestellt
Teile der Haut des Exemplars zeigen immer noch plattgedrückte, abgeriebene Stellen, wo die Kinder darüber streichen durften. Vermutlich ging das Fell rund 30 Jahre lang durch viele Hände, in den 1980er-Jahren dürften die Überreste eingelagert und augenblicklich vergessen worden sein. Nun aber hat der letzte bekannte Beutelwolf im Tasmanian Museum einen Ehrenplatz bekommen. Eine Studie zu dem Fund soll demnächst im Fachjournal "Australian Zoologist" erscheinen. (tberg, 10.12.2022)