Elon Musk hatte eigentlich keine besonders tolle Figur. Eher einen richtigen "dad bod" – ein nettes Wamperl, wie man auf gut Wienerisch sagen würde. Wenige Wochen nachdem Urlaubsbilder von ihm mit nacktem Oberkörper erschienen waren, tauchten aber neue auf: Musk war deutlich erschlankt, auf Twitter heimste er dafür viel Lob ein. Auf die Frage eines weiblichen Fans, wie er das geschafft habe, antwortete er der Dame direkt: "Fasten. Und Wegovy."

Er meint damit ein Medikament, das den Wirkstoff Semaglutid enthält. Das ist ein GLP-1-Rezeptor-Agonist, so der Fachausdruck, der die Wirkung der Inkretine nachahmt, Hormone, die vom Körper in Reaktion auf Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden. Vereinfacht gesagt: Semaglutid sorgt dafür, dass das Essen länger im Magen bleibt, dass die Insulinausschüttung adäquat passiert und dass man ein längeres Sättigungsgefühl hat. Entwickelt wurde es für Menschen mit Diabetes oder Adipositas. Doch in den USA macht es sich aktuell vor allem als Lifestyle-Medikament zum Figurmanagement einen Namen.

So soll etwa auch Kim Kardashian darauf schwören, denn mit dem Wirkstoff, der einmal wöchentlich gespritzt wird, soll man im Lauf von sechs bis zwölf Monaten rund 15 Prozent des Körpergewichts verlieren. Tatsächlich wirkt es auch richtig gut, in den USA ist der Absatz reißend. Auch ein plastischer Chirurg aus Wien wirbt bereits mit dem Angebot – mit dem Zusatz, dass man für eine nachhaltige Wirkung ohne Jo-Jo-Effekt auch die Ernährung umstellen müsse. Doch wie sicher ist dieses Mittel?

Keine Heißhungerattacken mehr

Prinzipiell handelt es sich um ein sehr gutes Medikament, sagt Johanna Brix, Internistin und Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG). Neben einem länger anhaltenden Sättigungsgefühl wirkt es sich vor allem auf das "Craving", den Heißhunger, positiv aus: "Patientinnen und Patienten berichten, dass sie dieses Heißhungergefühl nicht mehr haben." Studien zeigen außerdem, dass es bei Diabetes-Betroffenen, die es verabreicht bekommen, die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems verbessert und sich indirekt auch auf eine mögliche Fettleber positiv auswirkt. Für Adipositas-Betroffene sind diese Studien gerade am Laufen.

In Österreich kann der Wirkstoff unter einem anderen Handelsnamen als in den USA für Diabetes-Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen auf Kasse verschrieben werden. Leider passiert das erst sehr spät, wenn die Diabetes-Erkrankung schon fortgeschritten ist, bedauert Brix, denn "Studiendaten zeigen sehr klar, dass ein früher Einsatz gut wäre, man könnte sich damit sehr viel ersparen". Deshalb begrüßt sie es, dass es Hinweise gibt, dass es zukünftig auch für Menschen mit Adipositas oder Prädiabetes erstattet werden kann.

Für Menschen mit Adipositas – für sie ist eine höhere Dosis des Wirkstoffs empfohlen, die in Österreich nicht am Markt ist – wird das Medikament nicht erstattet. Auch hier hofft Brix, dass sich das ändert, wenn demnächst die entsprechenden Studien, dass es sehr gut wirkt, zur Verfügung stehen. Derzeit können Betroffene das Medikament nur selbst finanzieren.

Übelkeit und Durchfall

Wie jedes Mittel hat natürlich auch der Wirkstoff Semaglutid Nebenwirkungen. In erster Linie sind das Völlegefühl, Übelkeit, in seltenen Fällen bis zum Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall. "Das betrifft etwa 20 bis 30 Prozent jener, die es bekommen. In den meisten Fällen legt sich das aber nach acht bis zwölf Wochen", weiß Brix. Das sei auch logisch, schließlich handle es sich dabei quasi um ein körpereigenes Hormon, an das man sich gewöhne. Gefährlich in dem Sinn sei es auf jeden Fall nicht, deshalb werde es wohl auch als Lifestyle-Medikament propagiert. Aber Brix gibt zu bedenken: "Je schlanker man ist, desto mehr Nebenwirkungen hat man im Normalfall."

Und die Internistin erklärt: "Man kann damit bis zu 15 Prozent des eigenen Körpergewichts verlieren, dann pendelt sich die Wirkung ein. Die Krux ist nur, dass Adipositas eine chronische Krankheit ist. Setzt man das Medikament ab, kommt es in vielen Fällen wieder zu einer Gewichtszunahme." Zwar sei es, theoretisch, wohl kein Problem, das Medikament ein Leben lang zu nehmen – auch wenn Langzeitstudien dazu noch fehlen –, aber: "Abgesehen davon, dass man es, derzeit zumindest, selbst bezahlen muss, ist das auch psychologisch kein gutes Signal. Dieses Gefühl, ewig etwas spritzen zu müssen, stresst viele Menschen."

Und es geht ins Geld. Ein Monatsvorrat kostet in Österreich 165 Euro, das muss man sich erst einmal leisten können. Denn zumindest ein Jahr lang, sagt Brix, mache es Sinn, es einzusetzen, wenn man sich dazu entschließt.

Lifestyle-Spritze

Es sei nachvollziehbar, dass auch normalgewichtige Menschen mit etwas, das so gut funktioniert, am Gewicht schrauben wollen, sagt Brix und betont gleichzeitig: "Aber es muss garantiert sein, dass jene Menschen, die das Medikament wirklich benötigen, also Menschen mit Diabetes, mit einem BMI über 30 oder Menschen mit einem BMI über 27 und einer Begleiterkrankung, damit versorgt sind. Und zumindest die Erstverschreibung sollte immer von einer mit Adipositas erfahrenen Internistin oder einem Endokrinologen gemacht werden. Weil man sollte schon eventuelle, für die Adipositas ursächliche Erkrankungen abklären lassen. Und das Mittel wird ja auch zur Behandlung von Diabetes eingesetzt."

Dass jene, die das Medikament aus gesundheitlichen Gründen brauchen, versorgt sind, ist Brix besonders wichtig. Denn ohnehin stehe man immer wieder knapp vor einem Versorgungsengpass hierzulande. Das gleiche Medikament, das in Österreich 165 Euro pro Monat kostet, wird in den USA um rund 1.000 Dollar verkauft. Dort sind Medikamente nämlich nicht preislich reguliert, der Absatz ist aber enorm, weil es eben auch als Lifestyle-Präparat angepriesen wird.

Diesen Einsatz als Lifestyle-Medikament hinterfragen aber auch einige Expertinnen und Experten. Ali Saalabian, selbst plastischer Chirurg und Spezialist für Fettabsaugungen und Körperformung im Zentrum für ästhetische Medizin Kuzbari, betont, dass dieses Medikament unbedingt in fachkundige Hände gehört: "Auch wenn es grundsätzlich jeder Arzt verschreiben kann, das sollte eine spezialisierte Internistin oder ein Endokrinologe tun. Alles andere finde ich unseriös. Als Chirurg operiere ich, ich kann den Körper formen, indem ich Fett absauge, aber verschreibe nicht internistische Medikamente. Ich gebe ja auch keine Ernährungstipps, obwohl ich mich mit Ernährung auskenne."

Nur von Spezialisten verschreiben

Ist Saalabian mit der Nachfrage nach dem Medikament konfrontiert, schickt er den Patienten oder die Patientin zu entsprechenden Experten: "Dort wird dann entschieden, ob das Medikament überhaupt Sinn macht, es hat ja auch Nebenwirkungen. Und es ist auch nicht für alle, die abnehmen wollen, geeignet. Ich habe auch Patientinnen und Patienten, die ohnehin nicht übermäßig essen, da macht das Medikament keinen Sinn. Man muss dann eher klären, ob es vielleicht andere hormonelle Gründe gibt." Für die richtige Indikation sei das Medikament sehr gut, aber es sei sicher nicht die Lösung für alle mehrgewichtigen Menschen.

Für den Plastiker ist das Mittel wohl schon das 30. Hollywood-Wundermittel, das ihm in seiner Arztkarriere untergekommen ist. "Dieses hier hat von allen bisher sicher die meisten Zukunftschancen, aber ich würde es nicht als Lifestyle-Medikament empfehlen." Und Saalabian betont: "Celebritys haben einen medizinischen Stab von oft 20 Expertinnen und Experten um sich, sie sind sehr gut und dauerhaft betreut, da ist einiges möglich." Aber er weist auch darauf hin, dass man realistische Vorstellungen von so einer Behandlung haben müsse: "Wenn jemand massiv übergewichtig ist, wird diese Person nur dadurch nicht wie Kate Moss oder Daniel Craig aussehen. Egal ob man mit einem Medikament arbeitet oder Fett absaugt, um den Körper zu formen." (Pia Kruckenhauser, 7.1.2023)