Schauen Sie sich diese Baugrube an!" Reinhardt Wohlfahrtstätter ist entsetzt. Der SPÖ-Stadtrat steht vor einer Baustelle am Kitzbüheler Aschbachbichl – viel zu monströs für seinen Geschmack: "Man könnte meinen, hier entsteht ein Wolkenkratzer im Frankfurter Bankenviertel."

Die Aussicht von der Anhöhe hat allerdings nichts mit dem Blick auf eine deutsche Großstadt gemein. Unterhalb liegt der berühmte Nobelskiort, rundherum die verschneite Bergkulisse des Tiroler Unterlands. Wer immer hier einmal einziehen wird, darf sich glücklich schätzen – und tief in die Tasche greifen. Durchschnittlich rund 10.000 Euro kostet der Quadratmeter in Kitzbühel, in Bestlagen sogar bis zu 25.000 Euro. Die Stadt gehört österreichweit zu den Spitzenreitern. Dass es Einheimische sein werden, die diese Immobilie einmal beziehen, bezweifelt Wohlfahrtstätter. Und er hat guten Grund zu der Annahme.

Teure Wohnträume

"80 Prozent der Kunden sind Deutsche", bestätigt Manfred Hagsteiner. Ihm gehört ein alteingesessenes Immobilienbüro im Ort. Seine Eltern haben es in den 1970er-Jahren gegründet. Zuvor waren sie Friseure – doch irgendwann wurden im Salon mehr Häuser vermittelt als Haare geschnitten. Die Klientel war schon damals eine wohlhabende – und das blieb bis heute so: "Die meisten Häuser bei uns im Programm kosten zwischen drei und vier Millionen. Das teuerste 35." Fantastische Sonderwünsche äußerten die Kunden mitunter, ergänzt Sohn Ferdinand: "Einmal ließ jemand eine Ruine in Italien abtragen, um mit den Steinen seine Garage zu pflastern."

So wie die Hagsteiners profitieren viele Einheimische vom Zuzug gutbetuchter Menschen, berichtet Bürgermeister Klaus Winkler: "Von der Putzfrau bis zu den Beschäftigten im Tourismus, aber auch im Handel, im Gewerbe, im Handwerk". Seit 18 Jahren sitzt der ÖVP-Politiker im Rathaus – und betont gerne, dass die Gemeinde eine ganz normale Bezirkshauptstadt sei: "Auch bei uns gibt es Menschen mit finanziellen Sorgen."

Für diese Immobilie suchen die Hagsteiners einen passenden Käufer. Der Preis liegt bei viereinhalb bis fünfeinhalb Millionen Euro.
Foto: Eigentümer

Doch diese Menschen leiden unter den Auswüchsen des Immobilienmarkts ganz besonders. Die Stadt investiere deshalb seit Jahren in gemeinnützige Wohnbauprojekte, sagt Winkler. 400 Wohnungen, Häuser und Grundstücke, die der Wohnbauförderung entsprechen, seien so in den vergangenen Jahren an Einheimische gegangen.

Preisschock per Post

"Wir waren sehr glücklich darüber, das Haus im Einfangweg zugesprochen zu bekommen", erzählt Dominik Bertsch. Der 37-Jährige hat vor zehn Jahren gemeinsam mit seiner Frau eines der dort errichteten Reihenhäuser über ein Mietkauf-Modell ergattert. Die Stadt Kitzbühel hatte dem Wohnbauträger Wohnungseigentum Tirol (WE) günstig Grundstücke für gemeinnützigen Wohnbau überlassen. Umso größer war der Schock, als kürzlich bekannt wurde, was die Häuser nun tatsächlich kosten sollen. "Mündlich wurden uns damals Preise um die 270.000 Euro genannt", erzählt Bertsch: In einem vor wenigen Wochen eingetrudelten Schreiben sei nun aber die Rede von 540.000 Euro gewesen.

Die WE argumentiert auf Anfrage des STANDARD, dass der Preis laut Gesetz 55 Prozent des Verkehrswerts ausmachen dürfe. Ziel sei auch, Spekulation zu verhindern. Der ermittelte Wert des 90 Quadratmeter großen Reihenhauses des Paares Bertsch läge demnach bei über 980.000 Euro.

Der Fall zeigt, wie sogar gemeinnütziger Wohnbau dem überhitzten Markt nur bedingt etwas entgegensetzen kann. Viele fordern deshalb ein härteres Vorgehen gegen illegale Freizeitwohnsitze. Die erlaubte Anzahl solcher Widmungen ist in Kitzbühel längst erreicht. Deshalb melden Immobilienbesitzer nun Hauptwohnsitze an, nutzen das Objekt aber nur sporadisch. Rechtens ist das nicht.

Keine Lust aufs Schnüffeln

Die Gemeinden sind daher vom Gesetz dazu angehalten, als Hauptwohnsitze getarnte Feriendomizile zu ermitteln. Die Bevölkerung soll melden, wenn beim Nachbarn das Licht nur am Wochenende brennt. Kontrolleure klingeln, prüfen sogar, ob die Blumen im Garten regelmäßig gegossen werden. Wenn ein illegaler Freizeitwohnsitz festgestellt wird, informiert die Gemeinde die Bezirkshauptmannschaft, die dann rechtliche Schritte einleitet.

Theoretisch reichen diese bis zur Zwangsversteigerung – in der Realität werden aber nur in Ausnahmefällen Nutzungsverbote ausgesprochen. "Und dann melden die Besitzer eben für Verwandte einen Hauptwohnsitz an", beklagt der Bürgermeister.

Winkler sieht den Ball beim Land und auf EU-Ebene. Es müsse transparent gemacht werden, wer wo seinen Lebensmittelpunkt hat: "Das kann nicht auf Gemeindeebene geregelt werden." Denn vom Bespitzeln als Mittel gegen illegale Freizeitwohnsitze halte in Kitzbühel kaum jemand etwas.

Häuser werden immer größer

Dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ausreichen – darin gibt Reinhardt Wohlfahrtstätter dem Bürgermeister recht. Doch er sieht sehr wohl Handlungsspielraum auf Gemeindeebene. Auf einem Spaziergang durch Kitzbühel zeigt er, wie der Ort nach und nach verdichtet wird. Wo früher Einfamilienhäuser standen, überragen jetzt Appartementhäuser die umstehenden Gebäude. "In vielen dieser Häuser habe ich noch nie Licht brennen sehen", sagt Wohlfahrtstätter.

Wohnraum in der Kitzbüheler Innenstadt ist für die meisten Einheimischen kaum noch leistbar.
Foto: Florian Obermoser

Er ist überzeugt, dass der Großteil dieser Neubauten illegale Freizeitwohnsitze sind. Die Verdichtung sei zwar angesichts der Bodenversiegelung begrüßenswert – allerdings befeuere sie auch die Spekulation. Bestandshäuser werden um Millionenbeträge verkauft: "Der horrende Kaufpreis rechtfertigt sich dahingehend, dass die daraufhin entstehenden Gebäude mindestens dreimal so groß sind wie die alten", erläutert Wohlfahrtstätter.

In seinen Augen könnte ein von der Stadt fixierter Bebauungsplan Abhilfe schaffen. Dieser solle vom Gemeinderat nur abgeändert werden können, wenn heimischer Wohnbedarf oder andere städtische Interessen befriedigt werden. Bestandsobjekte wären dann für die Spekulanten nicht mehr so lukrativ.

Doch Bürgermeister Winkler geht davon aus, dass auch deutlich niedrigere Kaufpreise für Einheimische noch unbezahlbar wären. Deshalb lässt er die Stadt nach Möglichkeit Flächen ankaufen, um diese zu günstigen Preisen den Kitzbühlern anzubieten. Das laufe vorwiegend über Umwidmungen.

Eigentum bleibt ein Traum

Dass diese Grundstücke dann verkauft werden, stößt jedoch wieder auf Kritik. Andreas Fuchs-Martschitz von der Liste der "Unabhängigen Kitzbüheler:innen" spricht sich dafür aus, dass die Stadt nur noch Baurechte vergibt. Er befürwortet die gemeinnützigen Bauprojekte zwar, fordert aber, dass Einfangweg-Bewohner wie Dominik Bertsch ihre Häuser doch noch günstig erwerben können.

Auf Fuchs-Martschitz’ Anregung hin hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, vorerst keine weiteren Bauprojekte mit der WE zu verfolgen. Ein Entgegenkommen gibt es bereits. Die ab 1. Jänner anfallenden Mieten werden auf den Kaufpreis angerechnet.

Für Dominik Bertsch ein schwacher Trost: "Unsere Perspektive war, dass wir uns durch dieses Haus eine Möglichkeit schaffen, selbst ein Eigentum zu besitzen." Sollte sich am Kaufpreis nichts ändern, wird das für das junge Paar wohl ein Traum bleiben. (Antonia Rauth aus Kitzbühel, 10.12.2022)