Rumäniens Innenminister Lucian Bode schrieb auf Facebook, dass sein Amtskollege Karner noch "bei unserem Treffen im Februar 2022 fest den Beitritt Rumäniens zum Schengener Raum unterstützte".

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Der österreichische Innenminister Gerhard Karner hat sich beim EU-Gipfel der Innen- und Justizminister am Donnerstag als Einziger gegen den Beitritt Rumäniens zur Schengen-Zone ausgesprochen. Die Niederlande haben mit Österreich gemeinsam gegen die Aufnahme Bulgariens votiert. Die Abstimmungen zu Rumänien und Bulgarien waren aber gekoppelt. Über Kroatien wurde getrennt abgestimmt – das Land wird ab 1. Jänner Teil jenes Raums sein, in dem in Europa Personenfreizügigkeit gilt. Nicht nur EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zeigte sich über das österreichische Veto "enttäuscht", in Rumänien ist der Frust groß.

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DER STANDARD

Rumäniens Außenminister Bogdan Aurescu hat die österreichische Botschafterin in Bukarest, Adelheid Folie, am Donnerstagabend einbestellt, um ihr eine Protestnote der rumänischen Regierung wegen der "ungerechtfertigten und unfreundlichen Haltung Österreichs" in puncto Rumäniens Schengen-Beitritt zu überreichen. Das teilte das rumänische Außenministerium mit. Die Einladung "Folies" wurde vom österreichischen Außenministerium bestätigt. Überreicht wurde ihr demnach allerdings nichts. Das Gespräch fand auch nicht mit Außenminister Aurescu, sondern mit der rumänischen Staatssekretärin für Europaangelegenheiten statt.

Österreichs Geste habe "zwangsläufig Konsequenzen"

Von rumänischer Seite hieß es, dass das Veto Österreichs "zwangsläufig Konsequenzen" für die bilateralen Beziehungen haben werde. Man habe gegenüber der österreichischen Diplomatin zudem auch Protest eingelegt wegen der jüngsten Behauptungen des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer, demzufolge die rumänischen Behörden angesichts des angestrebten Beitritts des Landes zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum Druck auf österreichische, in Rumänien aktive Unternehmen ausgeübt hätten. Derlei Behauptungen seien "schlichtweg untragbar", da sie keineswegs der Realität entsprechen, so das Außenamt in Bukarest. Die Botschafterin soll laut österreichischem Außenministerium das Gespräch genutzt haben, um die Position Österreichs erneut darzulegen und zu unterstreichen, dass diese Haltung keineswegs gegen Rumänien (und Bulgarien) gerichtet sei.

Die rumänische Regierung verwies zuvor darauf, dass man "unverdient und ungerechtfertigt bestraft" werde. Denn Migrationsbewegungen führten nicht durch Rumänien. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte das Veto zuvor mit den gestiegenen Asylanträgen in Österreich in Zusammenhang gebracht. In Bukarest betonte man auch, dass Rumänien alle technischen Voraussetzungen erfülle, dass die Ergebnisse von zwei Evaluierungsmissionen positiv waren und von Vertretern Österreichs diskutiert wurden.

Der rumänische Innenminister Lucian Bode schrieb auf Facebook, dass sein österreichischer Kollege Karner noch "bei unserem Treffen im Februar 2022 fest den Beitritt Rumäniens zum Schengener Raum unterstützte" und Österreich die Möglichkeit der Erweiterung des Schengener Raums anlässlich der Ministerkonferenz des Salzburger Forums in Bukarest am 16. November 2022 geteilt habe.

Forderungen nach Entschädigungen

Rumänien sei nicht für Österreichs Probleme mit irregulärer Migration verantwortlich. Der Präsident der rumänischen Vereinigung für saubere Energie und die Bekämpfung des Klimawandels, Răzvan Nicolescu, forderte von Österreich sogar Entschädigungszahlungen in der Höhe der Verluste der rumänischen Wirtschaft von 200 Millionen Euro pro Monat. Online kursierten Boykottaufrufe gegen österreichische Firmen.

Der rumänische EU-Abgeordnete Eugen Tomac erklärte, Nehammer habe "jedes rationale Argument" zurückgewiesen. Es sei eine der angespanntesten politischen Sitzungen gewesen, die er je erlebt habe, so Tomac laut Agerpres. "Er hat alles, was die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, verworfen, jeden Bericht und jede Statistik geleugnet. Er hat einfach eine absurde Entscheidung getroffen", schrieb Tomac auf Facebook.

Kritik auch aus Bulgarien

Als politisch motiviert bezeichnete Bulgariens Innenminister Iwan Demerdschiew indes das Veto Österreichs und der Niederlanden gegen den Schengen-Beitritt. In einer ersten Reaktion nach der Entscheidung in Brüssel fügte er hinzu, die Argumente der Niederlande seien destruktiv. "Derzeit wollen wir keine Gegenmaßnahmen ergreifen", sagte Demerdschiew in Brüssel, nachdem die bulgarische Regierung zuvor damit gedroht hatte.

"Österreich hat signalisiert, dass es kompromissbereit ist", sagte Innenminister Demerdschiew gegenüber dem Bulgarischen Nationalradio. Es gibt Möglichkeiten, die Bulgarien in den Raum gestellt habe, einschließlich gemischter Grenzpatrouillen mit österreichischen Grenzbeamten, so der Innenminister. "Im Gegensatz zu Österreich ist es mit den Niederlanden schwieriger", sagte er.

Suche nach "Kompromisslösung"

Innenminister Demerdschiew ist überzeugt, dass Bulgarien nächstes Jahr beitreten könne. 25 EU-Mitgliedsländer seien für die Vollanwendung des Schengener Abkommens in Bulgarien und Rumänien, was mehr Sicherheit bringen werde. "Wir konzentrieren uns nun auf die Vorbereitung einer Kompromisslösung", so der Innenminister. In einem Gespräch mit seinem Amtskollegen aus Schweden, das ab dem 1. Jänner den EU-Ratsvorsitz übernimmt, habe Demerdschiew Zugeständnisse bekommen, dass Bulgarien für Schengen weiter unterstützt werde.

Außenminister Nikolaj Milkow äußerte sich ebenfalls zuversichtlich, dass Bulgarien bereits im März 2023 dem Schengener Raum beitreten könne. "Wir haben bisher nie eine so breite Unterstützung bekommen", sagte er, und fügte hinzu, Bulgarien habe zweifelsohne das Recht, Mitglied des grenzkontrollfreien Raums zu werden, da es alle Kriterien dafür längst erfüllt habe. (APA, red, Adelheid Wölfl, 8.12.2022)