"Ich bin seit 22 Jahren im Kunsthistorischen Museum tätig. Ich führe durch das Museum, halte Vorträge und arbeite immer wieder an Ausstellungen mit. Das Kunsthistorische Museum ist mein erster Arbeitgeber, vielleicht auch mein letzter. Es gehört sicher zu den besten Arbeitsplätzen, die man sich als Kunsthistoriker vorstellen kann. Da hatte ich Glück.

Meine Eltern haben in ganz anderen Bereichen gearbeitet. Das Interesse am Historischen habe ich trotzdem von meinem Vater. Ich stamme ursprünglich aus Nordwestdeutschland. Dort gibt es so ziemlich gar nichts. Außer Moor. Irgendwann war ich mit meinen Eltern in Italien auf Urlaub – und es hat "wusch" gemacht. Man erlebt diese Gemälde der alten Meister in einer unglaublichen Intensität. Das hat mich irrsinnig angesprochen und getroffen. Mit 14 wusste ich, dass die Kunst einen großen Teil in meinem Leben einnehmen wird.

Meine Lieblingskünstler haben sich mit den Jahrzehnten gewandelt. Früher konnte ich mit der Kunst von Peter Paul Rubens nicht viel anfangen. Mittlerweile ist er mein Lieblingsmaler. Man baut zu manchen Bildern eine viel tiefere Beziehung auf, wenn man sich andauernd mit ihnen beschäftigt. Irgendwann bin ich in Rubens' Bildwelt hineingekippt.

Daniel Uchtmann an seiner Arbeitsstätte, dem Kunsthistorischen Museum Wien.
Foto: Judith Steinkellner

Auch meine Arbeitsweise hat sich verändert. Als ich anfing, Führungen zu geben, habe ich mich auf das Vermitteln von Fakten konzentriert. Die kann man auswendig lernen. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man darüber hinausgeht. Man spricht über Emotionen, die die Kunst auslöst, oder über künstlerische Strategien.

Das ist auch das Schönste am Beruf. Der durchschnittliche Museumsbesucher verweilt maximal 15 Sekunden vor einem Bild. Bei Führungen stehe ich unter Umständen 15 bis 30 Minuten vor einem Werk. Das führt natürlich zu einer völlig anderen Intensität beim Betrachten. Menschen sagen immer wieder, wie intensiv das Erleben der Kunst in so einem Falle sein kann.

Klimaaktivismus

Wie ich zu den Attacken der Klimaaktivisten in Museen stehe? Ich heiße sie definitiv nicht gut. Trotzdem bewundere ich ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft. Ich bin diesbezüglich überhaupt nicht aktiv, obwohl mir das Thema Klimaschutz am Herzen liegt. Aber ich glaube, ihr Weg ist der falsche. Die Aktivistinnen und Aktivisten machen durch die Attacken zwar auf sich aufmerksam. Das ist unbestritten. Aber sie projizieren enorm viel Aggression auf sich. Ich weiß nicht, wie dienlich das der Sache ist. Vielleicht sollte man Protest eher mit positiven Empfindungen verknüpfen.

Die Arbeit im Museum hat sich in 22 Jahren kaum verändert. Wien ist eine Touristenstadt. Das Publikum im Museum war immer schon sehr international. Nur der Anteil an ostasiatischen Besucherinnen und Besuchern ist gestiegen – und damit auch der Erklärungsbedarf. Bestimmte Themen und Aspekte der Kunstwerke sind für Europäerinnen und Europäer geradezu selbstverständlich. Für Menschen, die nicht aus dem christlich geprägten Europa kommen, ist das anders. Man darf nichts als selbstverständlich vorausschicken.

Natürlich spüren wir auch die Digitalisierung. Wir öffnen uns immer mehr für den digitalen Raum, vermitteln Wissen auch online. Das soll den Besuch vor Ort natürlich nicht ersetzen, aber auf ihn vorbereiten.

Früher war nicht alles besser, aber die Arbeit im Museum war ruhiger. Heute gibt es mehr Menschen, die an Führungen teilnehmen. Das ist grundsätzlich etwas Positives. Aber es bedeutet auch mehr Organisationsaufwand. Die vergangenen Jahre waren mit Corona natürlich eine Sondersituation. Da gab es einen riesigen Einbruch, wie in fast allen Branchen. Aber es geht spürbar und deutlich bergauf. Ich bin zuversichtlich." (Judith Steinkellner, 11.12.2022)