Noch darf Rumänien nicht in den Schengen-Raum.

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In Rumänien gibt es zahlreiche Reaktionen auf das österreichische Veto gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum. In sozialen Netzwerken kommt es zu Boykottaufrufen gegen österreichische Unternehmen. Auch Fußballfans forderten dazu auf, die Bankkonten bei den österreichischen Banken zu schließen oder nicht mehr bei den OMV-Tankstellen zu tanken. Andere argumentieren in sozialen Netzwerken, man solle nun nicht mehr nach Österreich auf Skiurlaub fahren.

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DER STANDARD

Der rumänische Präsident Klaus Iohannis sagte, die Haltung Wiens sei "bedauerlich und ungerechtfertigt" und gefährde die europäische Einheit. Die Präsidentin des Senats, Alina Gorghiu, sagte: "Ich sehe klar, dass wir es mit einer feindlichen Haltung Österreichs gegenüber Rumänien zu tun haben. Die Abstimmung im Rat der Innen- und Justizminister basiert auf einer eklatanten Doppelmoral." Keines der Argumente, die Österreich vorgebracht habe, habe eine ernsthafte Grundlage. "Österreich hat nicht verstanden, was europäische Solidarität ist."

Rumänischer Botschafter zurückgerufen

Am Donnerstag rief das rumänische Außenamt seinen Botschafter in Österreich, Emil Hurezeanu, für Konsultationen in das Heimatland zurück. Der Beschluss stelle eine "politische Geste" dar, um Rumäniens Position gegenüber der Haltung Österreichs zu verdeutlichen, die man dezidiert missbillige, hieß es in einer Aussendung des Außenministeriums in Bukarest. Das Außenministerium schwieg sich darüber aus, für wie lange Zeit Rumäniens Botschafter in Österreich seinem Posten fernbleiben wird.

Die österreichische Botschafterin Adelheid Folie wurde noch am Donnerstag in Bukarest ins Außenministerium geladen. Die ungerechtfertigte und feindselige Haltung Österreichs werde unvermeidliche Folgen für die bilateralen Beziehungen haben, hieß es. Der Botschafterin wurde mitgeteilt, dass das negative Votum Wiens angesichts der langjährigen diplomatischen Beziehungen mit einer über 100-jährigen Tradition sowie der substanziellen bilateralen Zusammenarbeit, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, überraschend sei.

Zweitgrößter Investor

Österreich ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Rumäniens und der zweitgrößte ausländische Investor auf dem rumänischen Markt. Die rumänisch-österreichische Zusammenarbeit auf regionaler und europäischer Ebene sowie die enge Abstimmung in Dossiers von gemeinsamem Interesse auf internationaler Ebene hätten bei der österreichischen Abstimmungsentscheidung ein erhebliches Gewicht haben müssen.

Zwar hatten auch die Niederlande gegen die Schengen-Erweiterung um die beiden Staaten gestimmt, doch hatten sie zuvor klargemacht, dass sie nur die Schengen-Reife von Bulgarien infrage stellen, nicht aber jene von Rumänien. Dies wurde auch im Sitzungsprotokoll des Rats der Innen- und Justizminister festgehalten. Deswegen gilt der Protest in Rumänien auch nur der österreichischen Haltung.

Unterstützung unterschrieben

Das rumänische Außenministerium verwies darauf, dass die rumänische Seite die Einwände der Niederlande und Schwedens ausräumen konnte. Es heißt aus Bukarest, dass Österreich sich innerhalb der Europäischen Union selbst isoliert habe. Zuletzt hat Rumänien auch eine Evaluierungsmission eingeladen – die Experten hatten noch einmal den Datenaustausch, die Zusammenarbeit in Strafsachen und den Grenzschutz unter die Lupe genommen.

Die Position Österreichs sei umso unzulässiger, als sie das erste Mal erst am 18. November geäußert wurde, während Österreich nur zwei Tage davor, am 16. November, formell und offiziell seine volle Unterstützung für den Beitritt Rumäniens beim Treffen des Salzburger Forums in Bukarest in einer gemeinsamen Erklärung der Innenminister geäußert hatte.

Falsche Migrationsargumente

Der Umstand, dass sich der österreichische Innenminister Gerhard Karner und der österreichische Kanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) auf den Anstieg der Migrationszahlen beziehen, um das Veto zu rechtfertigen, sei "inakzeptabel, falsch und unfair", wenn man bedenke, dass alle Daten, die offiziell von der EU-Grenzschutzagentur Frontex bereitgestellt wurden, deutlich machten, dass Rumänien nicht auf der Migrationsroute des Westbalkans liege, keinem Migrationsdruck ausgesetzt und keine Quelle sekundärer Migrationsbewegungen sei.

Das Außenministerium argumentierte auch, dass Rumänien "aktiv zur Bewältigung des Risikos illegaler Migration beitrage" und in beispielhafter Weise den Flüchtlingsstrom infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine bewältigt habe. In Bukarest bedauert man auch die negativen Auswirkungen auf den europäischen Zusammenhalt. Gerade im aktuellen komplizierten geostrategischen Kontext, geprägt von Russlands Krieg gegen die Ukraine und Russlands anhaltenden Versuchen, die europäische Einheit zu brechen, stelle Österreichs Verhalten ein unerwünschtes politisches Signal hinsichtlich der Handlungsfähigkeit der EU in Richtung einer Stärkung des europäischen Aufbaus dar.

Moskau-Nähe?

In Rumänien wird sogar gemutmaßt, Österreich würde unter dem Einfluss Russlands stehen. Das Veto wird damit in Zusammenhang gebracht, Rumänien ist einer der loyalsten Nato-Partner im Osten.

Der Chef der rumänischen Sozialdemokraten, Marcel Ciolacu, sagte etwa, Österreichs Votum gegen den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum zeige, dass sich Österreich von Europa abgekoppelt habe. "Österreichs unfairer Widerstand ist ein kostenloses Weihnachtsgeschenk für Wladimir Putin", fügte er hinzu. Die europäische Einheit und Stabilität hätten "einen harten Schlag von einem Staat erhalten, der sich in schwierigen Zeiten dafür entschieden hat, seine europäischen Genossen im Stich zu lassen und stattdessen den Interessen Russlands zu dienen", so Ciolacu. "Die europäischen Staaten werden nicht vergessen, dass die heutige Entscheidung der rechtsgerichteten österreichischen Regierung schwerwiegende Auswirkungen auf die europäische Zukunft hat." Rumänien wolle nur fair behandelt werden, mit gebührendem Respekt wie gegenüber jedem anderen europäischen Staat.

Spekulationen auf Gasförderung?

Der ehemalige Botschafter Rumäniens in Portugal und Marokko, Vasile Popovici, sagte, dass Österreichs Position gegenüber Rumänien ausschließlich auf wirtschaftlichen Gründen basiere. "Ich glaube, dass die Österreicher in diesem Moment Vorteile bei der Gasförderung im Festlandsockel des Schwarzen Meeres wollen", so Popovicis Erklärung. Es sei ein guter Moment für Rumänien, Stärke zu zeigen. Österreichs Verhalten sei laut dem ehemaligen rumänischen Diplomaten "völlig antieuropäisch".

Wien spiele in all seiner Politik ein Doppelspiel zwischen der Europäischen Union und Russland, so wie Ungarn, meinte der ehemalige Botschafter. Diese Länder seien von Moskau infiltriert. (Adelheid Wölfl, red, 9.12.2022)