Bild nicht mehr verfügbar.

Formale Experimente begleiteten den in Wien geborenen Fotografen Ernst Haas ein Leben lang: hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1957.

Foto: Ernst Haas/Getty Images

Farbbilder waren verpönt. Sie galten Anfang der 1950er-Jahre als rein kommerzielles Ausdrucksmittel. Noch 1969 bezeichnete der berühmte amerikanische Fotograf Walker Evans die gesamte Farbfotografie als "vulgär".

Als der aus Wien nach New York übersiedelte Fotograf Ernst Haas die erste farbige Bildstrecke abdruckte, die jemals im gewichtigen Life-Magazin erschien, war das eine Sensation. Über 24 Seiten und zwei Ausgaben erstreckte sich der Fotoessay über New York, und schon damals konnte man sehen, welche Kraft in den Bildern dieses hierzulande etwas in Vergessenheit geratenen Fotografen steckten.

Bild nicht mehr verfügbar.

"Three friends look down from a balcony in New Orleans", eine Haas-Aufnahme von 1960.
Foto: Ernst Haas/Hulton Archive/Getty Images

2005 und 2011 richtete diesem das Salzburger Museum der Moderne zwar Ausstellungen aus, in Wien waren die Bilder von Ernst Haas aber schon seit den 1980ern nicht mehr zu sehen. Jetzt widmet Westlicht diesem Pionier der Farbfotografie eine Werkschau. Diese beginnt allerdings in Schwarz-Weiß am Wiener Südbahnhof.

Auf einen Schlag bekannt

Hier landeten die ersten Heimkehrer aus der russischen Kriegsgefangenschaft, weswegen an einem Oktobertag des Jahres 1947 gleich tausende Angehörige hierherkamen, um nach ihren Männern, Söhnen, Verlobten oder Brüder zu suchen. Der 1921 in Wien geborene Ernst Haas war mit seiner Kamera unter ihnen und schoss eine im Magazin Heute erschienene Strecke, die Haas mit einem Schlag bekannt machte und den legendären Kriegsfotografen und Mitbegründer der Fotoagentur Magnum, Robert Capa, dazu bewog, den jungen Österreicher nach New York einzuladen.

Bild nicht mehr verfügbar.

"Swimming just below the surface, a man wearing fins", aufgenommen circa 1975.
Foto: Ernst Haas/Getty Images

Das Angebot einer Fixanstellung beim Life-Magazin lehnte der selbstbewusste 28-Jährige zwar ab, mit seiner zwischen Reportage und Abstraktion pendelnden Bildsprache stieg er aber bald zu einem der wichtigsten Fotografen der Branche auf. Bereits 1962 richtete ihm das Museum of Modern Art in New York eine Einzelausstellung aus – und das ganze 14 Jahre, bevor am selben Haus William Egglestones Ausstellung den Beginn der modernen Farbfotografie markierte.

Malerischer Zugang

Anders als sein amerikanischer Kollege, der mit seinen sozialkritischen, den amerikanischen Alltag einfangenden Bildern, Fotogeschichte schrieb, hatte Haas einen malerischen, immer abstrakter werdenden Zugang. Anfangs waren die Wischeffekte und Farbkompositionen noch den langen Belichtungszeiten und die satten Farben dem legendären Kodachrome-Film geschuldet, bald aber erkannte Haas das künstlerische Potenzial seiner Arbeiten. Ähnlich wie im Abstrakten Expressionismus in der Malerei waren Haas Emotionen und organische Formen wichtig, oder anders gesagt: Das Foto sollte von seinem Gegenstand befreit werden.

In seiner illustrierten Schöpfungsgeschichte The Creation (1971) überschritt Haas dabei auch schon mal die Grenze zum Kitsch. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen erreichte das Buch ein Millionenpublikum. Dieses hatte Haas auch mit seinen Bildern eines Zigarette rauchenden Cowboys im Visier, die Geschichte schrieben: der sogenannte Marlboro Man. (Stephan Hilpold, 10.12.2022)