Feldkirch ist die zweitgrößte Stadt Vorarlbergs. Die Frage, ob Flächen, die bis dato die Agrargemeinschaft Altenstadt für sich beanspruchte, eigentlich der Stadt zustehen, sorgt derzeit für politischen Zündstoff.

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Das Thema ist komplex, kann aber auf eine einfache Frage zusammengefasst werden: Wandern Millionen an Steuergeld für Grundstücke, die eigentlich der Allgemeinheit gehören, an die Agrargemeinschaft Altenstadt in Feldkirch? Seit Wochen ist zu dieser Frage ein politischer Streit im Ländle entfacht: Ein zentrales Gutachten wurde unter Verschluss gehalten, Medien auch in anderen Fragen keine Auskunft erteilt, das Land zur Klärung eingeschaltet – am Ende könnte aber nur der Verfassungsgerichtshof eine endgültige Antwort bringen. Mit der Sitzung der Stadtvertretung am Dienstag und einem Antrag der Oppositionsparteien bekommt die Geschichte ein neues Kapitel.

Lange Geschichte

Den Anfang nimmt diese eigentlich schon im 19. Jahrhundert: Damals überließ die Stadt viele Flächen dem Illbaufonds, finanziert werden sollten damit Arbeiten für den Hochwasserschutz entlang der Ill. 1960 übertrug die Stadt dann einen Teil dieser Flächen – es geht um 1.300 Hektar – an die Agrargemeinschaft Altenstadt, mit geänderten Nutzungsrechten. Seither kauft, verkauft und tauscht die Stadt regelmäßig Grundstücke mit der Agrargemeinschaft, unter anderem für einen Fußballplatz.

2019 haben ÖVP, FPÖ und Neos zugestimmt, der Agrargemeinschaft 5,2 Millionen Euro für Trinkwasserförderung zu bezahlen. Zum Bau einer Notwasserversorgung soll das Grundwasser in diesem Gebiet erschlossen werden. Kritik gab es bereits nach dieser Entscheidung.

Mögliche Rückzahlungen von bis zu 100 Millionen Euro

Die Stadt gab in der Folge ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dieses erhielten die Oppositionsparteien trotz mehrmaliger Nachfragen erst im März 2022 – und zwar unter höchster Vertraulichkeit. Medien wurden vertröstet, die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" veröffentlichte das Gutachten dann allerdings im Oktober.

In diesem Gutachten geht der emeritierte Universitätsprofessor Siegbert Morscher davon aus, dass die Aufteilung der Agrarflächen zwischen der Stadt und der Agrargemeinschaft nicht rechtskräftig zustande gekommen ist. Und dabei könnte es laut Morscher um 50 bis 100 Millionen Euro an Nutzungsentgelten gehen, die bisher bezahlt wurden.

Stadtregierung zurückhaltend

Die Opposition sieht in dem Gutachten Anhaltspunkte dafür, dass der Agrarbesitz eigentlich Allgemeingut wäre. Eine Position, die ja eigentlich im Sinne der Stadt und ihrer Finanzen sein müsste. Die Stadtregierung verhält sich allerdings – vorsichtig ausgedrückt – zurückhaltend. Unternommen wurde in der Causa bis dato nur sehr wenig. Die Landesabteilung für Landwirtschaft und ländlichen Raum wurde um eine Stellungnahme gebeten. Diese ist nun da, bringt aber auch keine Entscheidung. Eine endgültige Klärung könne nur bescheidmäßig im Rahmen eines Feststellungsverfahrens bei der Agrarbehörde erfolgen.

Der Bürgermeister mittendrin

Bei einer Versammlung der Agrargemeinschaft soll Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP) laut "Neuer", die aus einem Protokoll der Sitzung zitiert, das Gutachten als eine "private Stellungnahme" bezeichnet haben. Matt argumentierte, das Gutachten nicht veröffentlichen zu wollen, um keine "Neiddebatten" zu schüren. Er habe das Dokument der Agrargemeinschaft Altenstadt übergeben und dieser angekündigt, dass es keine "Gelüste" der Stadt an der Substanz der Agrargemeinschaft gebe, solange sich die politischen Verhältnisse nicht ändern würden, wird der Stadtchef in der "Neuen" zitiert.

Matt und Vizebürgermeister Daniel Allgäuer (FPÖ) sind beide Mitglieder der Agrargemeinschaft, wie auch weitere Stadtvertreter. Während sich Allgäuer bei einer Abstimmung, ob sich die Stadt in der Causa einen Anwalt zulegen soll, für befangen erklärte, sah Matt hier kein Problem und stimmte mit. Die Bezirkshauptmannschaft hatte zuvor in einer Stellungnahme klargemacht, dass eine Mitgliedschaft in dieser Frage keine Befangenheit darstelle. Die Abstimmung ging gegen den Antrag der Opposition für einen Anwalt aus.

Fehlende Transparenz

Die "Neue" erkundigte sich nach dem Inhalt dieser Stellungnahme bei der Bezirkshauptmannschaft sowie bei der Stadt, seit wann das Gutachten Morschers eigentlich bereits vorliege. In beiden Fällen gab es seit mehr als acht Wochen keine Auskunft an die Journalisten, weswegen die Zeitung nun Anträge auf Ausstellung von Bescheiden eingebracht hat. Wenn auch diese nicht beachtet werden, werde man Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht erheben.

Agrar mit eigenem Gutachten

Die Agrargemeinschaft wehrt sich naturgemäß – und hat ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Karl Weber, der am gleichen Institut wie Morscher lehrte, kommt darin naturgemäß zu einer ganz anderen Einschätzung, auch ein anderer Jurist sieht Morscher im Unrecht. Die Agrargemeinschaft weist auch darauf hin, dass eine Arbeitsgemeinschaft des Landes bereits 2009 den Sachverhalt geprüft habe. In einem Schreiben an die Mitglieder hält der Obmann der Agrar fest, dass es Personen und Parteien gebe, die "keinen Respekt vor fremdem Eigentum haben". Gutachter Morscher wird in dem Schreiben heftig angegriffen.

Opposition will Klarheit

Apropos Opposition: Diese hat nun um die Einleitung eines sogenannten Feststellungsverfahrens ersucht – die Agrarbehörde Bregenz soll dabei den Sachverhalt prüfen und einen Bescheid ausstellen. "Unsere Geduld ist am Ende", sagt Stadtrat Clemens Rauch von den Grünen dem STANDARD. "Es ist Zeit, dass wir in der Agrarfrage für Klarheit sorgen und mit einem Feststellungsverfahren die Besitzverhältnisse klären. Nur so können wir sicherstellen, dass der Feldkircher Bevölkerung keine Rechte entgehen." (Lara Hagen, 13.12.2022)