Sieben Minuten steht in giftgrüner Leuchtschrift auf der Anzeigentafel an der Haltestelle Stubentor. Sieben Minuten, bis die nächste Bim kommt? So lange Wartezeiten ist man bei den Wiener Öffis – zumindest in der Innenstadt – eigentlich nicht gewohnt. Stadtauswärts dauert es zum Teil aber noch um einiges länger. Aktuell häufen sich die längeren Intervalle. Dass der nächste Zug später eintrifft als erwartet, ist für viele derzeit besonders bei den Straßenbahnen ein Ärgernis.

Momentan muss man auf gewissen Linien länger warten. Von außertourlichen Störungen sind besonders auch Straßenbahnen betroffen.
Foto: Wiener Linien/Helmer

Die Wiener Linien kennen die Situation. Das Problem: Der Generationenwechsel stelle den Öffi-Betreiber vor personelle Herausforderungen, heißt es dort. Zu viele Fahrerinnen und Lenker gehen in Pension, zu wenige neue rücken nach. "Wir geben unser Bestes, um Wien trotzdem weiter mobil zu halten", heißt es auf STANDARD-Anfrage. Vereinzelt könne es "dennoch zu längeren Intervallen" kommen.

Generationenwechsel

Der Pensionierungswelle versuchen die Wiener Linien entgegenzusteuern. So seien die Ausbildungsplätze früh verdoppelt, eine neue Lehrwerkstätte errichtet und das Lehrstellenangebot erweitert worden. Jeden Monat starten Bus- und Straßenbahnschulen mit im Schnitt zwölf Plätzen.

Die Ausbildung zieht sich aber: Bis man eine Bim oder einen Bus durch die Stadt manövrieren darf oder die U-Bahn unter ihr hindurch, dauert es rund drei Monate. Einen Monat erspart man sich in der Bus-Ausbildung, wenn man bereits den D95-Führerschein besitzt. Doch nicht alle schließen die Schule ab. "Die Ausbildung ist zwar bezahlt, aber auch herausfordernd. Viele unterschätzen den Lernaufwand." In der Ausbildung erhält man 1900 Euro, danach startet man mit rund 2300 Euro Bruttolohn.

Von den rund 8700 Mitarbeitenden ist rund die Hälfte im Fahrdienst beschäftigt – der Großteil davon sind Männer. Vergangene Woche hat erstmals eine Straßenbahnschule mit ausschließlich weiblichen Teilnehmenden gestartet. Wie viele Menschen noch fehlen? "Wir haben derzeit Platz für 100 neue Kolleginnen und Kollegen in unseren Straßenbahn- und für rund 90 in unseren Bus-Cockpits", heißt es.

Um die Personallücken kurzfristig zu schließen, seien Mitarbeitende mit gültiger Fahrberechtigung für den Einsatz in Bim und Bus motiviert sowie Pensionistinnen und Pensionisten angesprochen worden, ob sie ihre Fahrberechtigung reaktivieren wollen. Zudem gilt auf elf der 28 Straßenbahnlinien und neun der 131 Buslinien seit November ein angepasster Fahrplan, um Kapazitäten im ganzen Netz freizuspielen.

Intervallanpassung und Störung

Wie lange man auf den entsprechenden Linien länger wartet? "Die Bandbreite der Intervalldehnung bei Straßenbahn und Bus liegt im Bereich von 15 Sekunden bei Vierminutenintervallen, bis zu 40 Sekunden bei Sechsminutenintervallen", heißt es von den Wiener Linien. Allerdings: "Wenn Züge ungeplant ausfallen, kann es zu Intervallen von bis zu 30 Minuten kommen."

Zu den Intervallverlängerungen kommen aber auch unerwartete Störungen, die auf f59.at dokumentiert werden. Die Daten werden automatisiert aus der Opendata-Schnittstelle der Wiener Linien aufgezeichnet.

Bis Freitag wurden 17.054 davon im Jahr 2022 gezählt. 7954 wurden als Verspätungen klassifiziert. Seit Beginn der Aufzeichnungen durch die Wiener Linien am 14. September 2013 gab es 86.470 Störungen – darunter 19.202 Verspätungen.

Welches öffentliche Verkehrsmittel am stärksten von Störungen betroffen ist, liegt auf der Hand: die Straßenbahn. Denn Bims haben nicht nur mit dem normalen Verkehr zu kämpfen, sondern können – im Gegensatz zum Bus – etwa auch Falschparkenden oder Unfällen nicht ausweichen.

Die Wiener Linien versuchen, der verkehsbedingten Verzögerung durch die "Bevorrangung von Bus und Straßenbahn im Straßenverkehr" entgegenzuwirken. "Das hilft uns dabei, die Fahrpläne in vielen Bereichen auch bei hohem Verkehrsaufkommen einzuhalten", heißt es vom Öffibetrieb. Zu den Maßnahmen gehören etwa getrennte Fahrstreifen für Bim und Bus oder die Positionierung von Haltestellen vor Kreuzungen, damit die Wartezeit bei Rot für das Ein- und Aussteigen der Fahrgäste genutzt werden kann. Dort, wo es baulich möglich ist, bestehen zudem für Straßenbahnen "Kap-Haltestellen" und für Busse Fahrbahnhaltestellen, um das Ein- und Ausfahren in eine Haltestellenbucht zu vermeiden. Auch Vorrangschaltungen an Ampeln, die die eigene Grünzeit verlängern oder die Grünzeit des Querverkehrs verkürzen, werden eingesetzt.

Insgesamt die meisten Meldungen gibt es zu Stoßzeiten – also wenn die Menschen mit Öffis oder dem Auto in die Arbeit fahren: In der Früh zwischen sieben und acht Uhr sowie am Nachmittag gegen 16 Uhr.

Gemeldet wird vor allem an Werktagen: Von Montag bis Freitag steigern sich die Störungsmeldungen konstant, bevor es am Wochenende zu einem Abflauen kommt. Der Sonntag ist der Wochentag, an dem es zu den wenigsten Störungen kommt. "Ein schadhafter Zug oder ein Rettungseinsatz machen sich in der Verkehrsspitze, wenn die Öffis im dichtesten Intervall fahren, besonders bemerkbar", heißt es von den Wiener Linien.

Bis sich das Intervall nach einer Störung wieder normalisiert, dauert das. Das Jahr 2022 ist diesbezüglich ein Rekordjahr, wie die Aufzeichnungen des Öffi-Betreibers zeigen: Rund 250 Minuten – also mehr als vier Stunden – dauerte im Schnitt eine Störung. Für eine überaus lange Störung von rund zehn Stunden bei den Öffis sorgte 2020 übrigens der Opernball.

Allerdings, heißt es von den Wiener Linien in einer Reaktion, seien die Zahlen von f59.at "nicht immer repräsentativ". Die Datenquelle sei für eine zeitnahe Information der Kundinnen und Nutzer vorgesehen "und nicht für eine statistische Auswertung". Auch die bei den Wiener Linien interne Kategorisierung sei "genauer, weshalb es schwierig ist, diese direkt auf die f49.at Kategorisierung umzulegen".

Ein Beispiel: "Eine Störungsdauer von vier Stunden würde den Fahrbetrieb fast unmöglich machen." Sprich: Bei einer angegebenen Störungsdauer von vier Stunden geht es darum, dass der exakte Zug, auf dem die Störung vorgekommen ist, wieder an der laut Fahrplan vorgesehenen Stelle ist. "Tatsächlich ist die Störung aber früher behoben, nämlich sobald die Strecke freigegeben ist."

Besonders anfällig sind die Öffis auch für Witterungen. Etwa wenn es wie am Montag schneit. Problem sind Witterungen aber nicht nur im Dezember und Jänner. Auf Platz drei der Störungen aus diesem Grund ist kein kalter, sondern ein heißer Monat: der Juli. (Oona Kroisleitner, Robin Kohrs, 13.12.2022)