Anna Mabo vor dem Wiener Rabenhof. Ihr Stück "Am Sand" ist dort wieder ab 21. Jänner zu sehen.

Foto: Valerie Besl

Das Einhorn ist aus Holz und in Pferdegröße gehalten. Sein Name ist Horst. Im Studentenbuden- und Sperrmüll-Design der Bühne im Rabenhof ist es zentraler Bestandteil von Anna Mabos Stück Am Sand. Eigentlich steht es sonst daheim in der 30 Quadratmeter kleinen Wohnung der Künstlerin. Horst hätte ursprünglich ein Schreibtisch werden sollen. Annas Freund, der bildende Künstler Thomas Schrenk, hat sich beim Bauen allerdings kurzfristig anderweitig entschieden.

Zum Interviewtermin wird die Künstlerin, die oben auf dem Horst gerade für ein Fernsehteam fröhlich Höhenangst bekommt, dann auch gleich einmal herunterklettern. Sie wird sich darüber beklagen, dass es angesichts des aktuellen Weihnachtsalbums von DJ Ötzi fast unmöglich sei, jetzt noch selbst Lieder für die stillste Zeit des Jahres aufzunehmen; außer halt die ganz harten, die einen eher nach unten ziehen. Wie sie das genau meint, kann man beurteilen, wenn man Anna Mabo nach ihrem liebsten Weihnachtslied fragt. Es handelt sich dabei um Es ist ein Ros entsprungen aus dem 16. Jahrhundert. Das Lied sei so toll, weil es auch von Rammstein stammen könnte.

Cobain statt Cello

Blockflöte oder Gesang musste früher von Anna Mabo als Kind unter dem Christbaum nicht beigesteuert werden. Die heutige Theaterregisseurin und Songwriterin wurde trotz Strafkursen am Klavier und am Cello als letztlich nicht ganz so talentiert wie erhofft eingestuft. Viele künstlerische Karrieren werden ja auch möglich, wenn der unterstellte Wunderkindstatus schnell einmal wegfällt.

Mabo schreibt sich gutbürgerlich Marboe. Sie kann auf einen Vater verweisen, der früher Wiener Kulturstadtrat war. Die Mutter ist Jus-Professorin. Anna Mabo studierte nach Cello FM4 und Kurt Cobain. Sie sattelte der schnelleren Ergebnisse wegen auf Klampfe und Peter Burschs berühmtes Gitarrenbuch um. Mit Get Back oder TheHouse of the Rising Sun in Burschs simplen Versionen kann man die Leute weitaus schneller beeindrucken als mit dem Kratzen von Etüden.

Dazu wurde die theateraffine 26-Jährige, die früher schon einmal drei- oder viermal pro Woche in einem Theatersaal zu finden war, am Max-Reinhardt-Seminar aufgenommen. Nach ersten Erfahrungen an der freudlosen katholischen Schule, in der das Schultheater mit Nestroy- oder Shakespeare-Stücken so etwas wie ein emotionales Entlastungsgerinne darstellte, studierte Anna Mabo also Schauspielregie.

anna mabo

Anna Mabo angesichts auch einer möglichen Krise wegen heutigen Publikumsschwunds bei der jungen Generation: "Das Reinhardt-Seminar gilt ja nicht gerade als Ort des Fortschritts, man lernt aber die Grundlagen. Außerdem muss es möglich sein, neben dem Burgtheater und seinen traditionelleren Inszenierungen auch so etwas zu machen wie Kay Voges es gerade am Volkstheater probiert."

Anna Mabo selbst hat sich gerade nach Arbeiten in Linz, St. Pölten oder in Wien im Schauspielhaus und im Volkstheater selbst inszeniert. Ihr Stück Am Sand im Rabenhof schickt die Autorin auf der Suche nach sich selbst in die Zellteilung. In derzeit absolut im Style-Trend liegenden rosaroten Udo-Huber-Overalls laufen auf der Bühne neben drei Schauspielerinnen auch noch drei Musiker als Anna Mabo herum. Alles ist ganz einfach. Alles ist sehr kompliziert. Das Tempo bleibt angezogen. Anna Mabo singt mit aufgerauter, zart kippender und – böses Wort – frecher Stimme: "Ich bin noch nicht, was ich bin. Aber ich glaube, ich bin am Werden."

HEY-U Mediagroup

Neben dem Theater hat Mabo früh begonnen, erst Gedichte und bald auch Lieder zu schreiben. Nach ihrem Debüt Die Oma hat die Susi so geliebt von 2019 erfolgte 2021 mit Notre Dame und Songs wie dem autobiografisch gehaltenen Diebstahldrama Fahrradschloss oder dem egalphilosophischen Heute ist das Gestern von Morgen (Was immer das heißt) der Durchbruch.

Die vertonten Gedichte des Erstlings wichen musikalisch hochwertigen und irgendwo zwischen Chanson, Pop und der Rumpeligkeit von Bänkelgesängen angesiedelten immer auch humorigen Liedern. Ihr musikalischer Mentor Ernst Molden produzierte diese weg von der Kleinkunst hin zum kräftigen Stromruder und Altvorderen wie etwa Element of Crime. Gute Sache.

Allein mit der Gitarre

Wenn man sich den Terminplan von Anna Mabo anschaut, muss man sagen, dass die junge Frau von der Buchungslage her einem Nino aus Wien in nichts nachsteht. So wie auch Nino kann Anna Mabo sowohl solo als auch in Duo- oder Bandbesetzung auftreten. Das macht es heutzutage aus der Not heraus kalkulierenden Konzertveranstaltern leichter: "Ich fahr auch allein mit der Gitarre zu Terminen, zu denen nur vier Leute kommen. Mir macht das Zugfahren nichts aus."

Nächstes Jahr wird Anna Mabo gemeinsam mit Elektronikmusiker Dorian Concept das Wiener Popfest rund um den Karlsplatz kuratieren. Dazu muss man sagen, dass man dazu noch nichts sagen kann, weil es noch zu früh dafür sei. Es gebe da draußen aber wirklich wahnsinnig viele gute österreichische Bands. Aufgrund eines zunehmend weniger neugierigen Publikums und der enorm gestiegenen Produktionskosten hätten viele davon aber kaum noch die Chance, gute Auftritte zu bekommen.

Ob es 2023 beim Popfest auch endlich einmal Metalbands geben wird? Anna Mabo: "Das Problem ist, die melden sich nie!" Probleme aber lacht die meist prächtig gelaunte Anna Mabo ohnehin weg. (Christian Schachinger, 13.12.2022)