In Kailis Brüsseler Wohnung sollen "Taschen voller Geld" gefunden worden sein.

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Einst, so will es jedenfalls Homers "Odyssee", machten sich Griechenlands antike Heerführer eine List zunutze, um sich an den vollen Töpfen Trojas zu bedienen: Sie versteckten ihre Soldaten im Bauch eines aus Holz gezimmerten Pferdes und brachten dieses den Trojanern als vermeintlich harmloses Geschenk dar. Als die Finte aufflog, war es zu spät: Troja wurde geplündert und zerstört.

Mehr als zweieinhalb Jahrtausende später muss sich Eva Kaili, die griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, des Vorwurfs erwehren, sie habe Katar gleichsam als "trojanisches Pferd" gedient und sei dafür vom Golfemirat mit viel Geld belohnt worden. Der Ruf des Parlaments ist angekratzt.

Am Freitag nahmen belgische Polizisten die 44-Jährige gemeinsam mit ihrem italienischen Ehemann, der ebenfalls im EU-Parlament arbeitet, und zwei weiteren Verdächtigen fest. In Kailis Brüsseler Wohnung seien "Taschen voller Geld" gefunden worden, das mutmaßlich aus Katar stammt, heißt es aus Behördenkreisen. Kaili, die 2014 für die griechischen Sozialisten ins EU-Parlament gewählt wurde und diesem seit Jänner als Vizepräsidentin vorsteht, soll gegen Bares gute Stimmung für das WM-Gastgeberland gemacht haben, so der Vorwurf.

Vermögen eingefroren

Am Sonntag wurde über Kaili Untersuchungshaft verhängt, tags darauf ließen die Athener Behörden ihr Vermögen einfrieren. Die Pasok-Partei, der sich Kaili schon seit ihren Teenagertagen in Thessaloniki verschrieben hatte, entzog ihr das Parteibuch.

In der Heimat kennt man Kaili, die mit ihrem ebenfalls festgenommenen Ehemann eine zweijährige Tochter hat, aber nicht erst seit gestern. In den Nullerjahren präsentierte die studierte Architektin die Nachrichten eines quotenstarken Privatsenders; 2007 zog sie, damals 29 Jahre alt, als jüngste Pasok-Abgeordnete ins Athener Parlament ein. Fünf Jahre später musste sie einem mächtigen Mann weichen: Pasok-Chef Evangelos Venizelos beanspruchte Kailis Heimatwahlkreis für sich. Was blieb, war Brüssel. Monetär sollte sich das Mandat im EU-Parlament, wo sie sich rasch einen Ruf als Digitalisierungsexpertin erarbeitete, für Kaili jedenfalls auszahlen: Laut Athener Parlament haben sich ihre Spareinlagen zwischen 2013 und 2020 mehr als versechsfacht.

Für Arme hat die Sozialistin mit dem Faible für Golfemirate hingegen weniger Mitgefühl: Sozialleistungen, ließ sie die Griechinnen und Griechen 2019 wissen, seien doch "nur etwas für Faulenzer". (Florian Niederndorfer, 12.12.2022)