STANDARD: Stefan Langer, die Wiener Laufwelt kennt Sie als Mastermind des Weekly Long Runs, Organisator der Belvedere Hills und umtriebigen Park-Run-Samstagsläufer. Jetzt sind Sie auch "Lauf-Botschafter". Warum und was steckt da dahinter?

Langer: Ich darf für den Bratislava-Marathon am 2. April 2023 Botschafter für Österreich sein. Dahinter steht eine längere Geschichte. Ich laufe gerne Marathons im Ausland. Für den Marathon im Frühjahr 2017 hatte ich mir Bratislava ausgesucht. Für mich die optimale Kombination aus nah und doch Ausland. Nach einem kalten Trainingswinter war das Rennen dann am ersten sehr warmen Tag des Jahres, ich glaube es hatte rund 25 Grad. Ich bin zwar auf den letzten Kilometern eingegangen, aber ich habe mitbekommen, mit wie viel Herzblut und wie nett das Rennen organisiert ist. Ich habe die Social-Media-Kanäle des Bratislava-Marathons abonniert und hatte auf einmal auch Informationen über andere, kleinere Rennen, die das Team des Bratislava-Marathons so das Jahr über organisiert.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Gab es da ein besonderes Highlight?

Langer: Ja, mir ist die Winterserie, die zimná séria, aufgefallen. Von November oder Dezember bis März ein Rennen pro Monat, fünf oder zehn Kilometer, jedes Mal in einem anderen Teil von Bratislava. Das hat mich interessiert, weil ich praktisch nur das Stadtzentrum kannte. Allein hinzufahren, hätte ich langweilig gefunden, also habe ich versucht, in Wiener Laufgruppen, vor allem beim Weekly Long Run, andere dafür zu interessieren.

Ab Anfang 2019 waren wir regelmäßig mit vier bis sechs Leuten vor Ort: In der Früh von Wien los, Rennen, Siegerehrung, Mittagessen, zurück. Am frühen Samstagnachmittag wieder in Wien, schon ein Rennen im Ausland erledigt und das Wochenende großteils noch vor uns. Die Winterserie 2019/20 konnte noch stattfinden, dann kam Corona.

Foto: Hirsch

STANDARD: Bewerbe, vor allem die im Winter, waren von den Lockdowns bei uns besonders betroffen, das wird in der Slowakei nicht anders gewesen sein …

Langer: Genau. 2020/21 und bis auf März auch 2021/22 gab es die Winterserie nur "virtuell", man lief individuell und hat den Lauf hochgeladen. Für mich war die Winterserie 2020/21 dennoch eine gute Motivation zu trainieren, einmal im Monat "musste" ich für einen Fünf-Kilometer-Bewerb pünktlich fit sein, also auch dazwischen regelmäßig etwas machen. Die Veranstalter haben extrem coole Medaillen für jeden der fünf Läufe gemacht, die haben dann Halloween-, Nikolo-, Dreikönigs-, Valentinstags- und Weltfrauentaglauf geheißen. In diesem Winter habe ich die Altersklasse M50 in der Gesamtwertung gewonnen – ein schöner Erfolg. Ich, wir alle haben uns enorm gefreut, wenn eine Medaille im Postkasten gelandet ist, wenn man schon nicht mit anderen laufen durfte. Das wirkt jetzt schon wie eine Erzählung aus einem anderen Zeitalter.

Foto: Hirsch

STANDARD: Und jetzt ist alles wieder wie früher?

Langer: Aus meiner Sicht sogar noch besser. Man merkt, wie sehr die Leute wieder an echten Wettkämpfen teilnehmen wollen. Als klar war, dass die Winterserie 2022/23 live und in Farbe gelaufen werden wird, habe ich früh begonnen, in meinen Laufgruppen darauf aufmerksam zu machen. Und letzten Samstag, als das erste Rennen dieses Winters stattgefunden hat, waren dann 30 von uns dabei.

STANDARD: Eine Gruppenreise in Laufschuhen …

Langer: Es war ein richtiger Schulausflug, die meisten sind gemeinsam mit dem Bus angereist. Und für manche war es das allererste Rennen im Ausland. In der Früh ging es nach Bratislava. Start und Ziel waren bei einem Einkaufszentrum an der Donau. Nach dem Rennen war dann auch noch die Siegerehrung: eine von uns, Sabine Mesenich, hatte die Klasse W60 gewonnen … Und dann sind wir zu den Weihnachtsmärkten im Zentrum weitergezogen, gemeinsam essen gegangen, und dann fuhren wir wieder nach Hause: wie ein Schulausflug eben.

Foto: WeeklyLongRun

STANDARD: Was machte für die Gruppe denn den Reiz Bratislavas aus?

Langer: Bratislava ist die größte Stadt im Eine-Stunde-Umkreis von Wien. Trotzdem ist die Stadt für manche immer noch ein bisschen exotisch: anderes Land, andere Sprache. Aber man ist rasch dort, und die Rennen sind top organisiert. Das ist eine spannende, nicht alltägliche Kombination.

STANDARD: Ist Bratislava also eine bessere Laufstadt als Wien?

Langer: Natürlich wächst das Gras auf der anderen Seite nicht immer grüner als daheim. Auch in Wien gibt es viele tolle Rennen. Aber ich kenne Jozef Pukalovič, der nicht nur den Bratislava-Marathon im April, sondern unter anderem auch die Winterserie organisiert, jetzt schon seit einigen Jahren. Jozef und sein Team organisieren diese Events einfach top. Den Unterschied machen meist die Details. Zum Beispiel die Medaillen: Die der heurigen Winterserie zeigen jeweils eine besondere Sehenswürdigkeit – künstlerisch schön und anspruchsvoll gestaltet. Und: Sie passen ineinander.

Foto: Langer

STANDARD: Wie kann ich mir das vorstellen?

Langer: Die vier Medaillen des letzten Winters ergaben zusammengesteckt ein Modell der Burg von Bratislava. Vor drei Jahren gab es Kühlschrankmagneten in der Form des Bezirks, in dem das Rennen stattgefunden hatte: Wer alle fünf hatte, hatte damit eine komplette Karte von Bratislava am Kühlschrank. Natürlich sind Medaillen nicht das primäre Motiv, an einem Rennen teilzunehmen. Aber so etwas zeigt, dass die Organisatoren sich richtig viel überlegen, um die Bewerbe für alle zu einem guten Erlebnis zu machen.

Diesen Samstag liefen wir die "Nikolo-Ausgabe". Jozef war die ganze Zeit im Nikolo-Kostüm, bei den Kinderrennen bekam jedes Kind also etwas vom Nikolo. Es wurde schon bei der Anmeldung aufgerufen, möglichst im Nikolo-Kostüm oder irgendwie "weihnachtlich" zu laufen. Dem sind viele nachgekommen – und die besten Kostüme wurden prämiert.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Eine laufende Kostümparty also?

Langer: Nein! Auch sportlich war das Niveau des Rennens richtig gut! Dabei ist das Preisniveau, also die Startgelder, deutlich niedriger als bei vielen Rennen in Wien. Es gibt auch wirklich nette Merchandising-Artikel wie Mützen, Buffs und so weiter, aber zu vernünftigen Preisen.

Der größte Unterschied zu manchen Wiener Rennen ist für mich aber, wie man mit Anliegen der Läuferinnen und Läufer umgeht: Ummeldungen oder andere Wünsche werden in der Regel einfach und unkompliziert erfüllt – und zwar ohne dass zusätzliche Zahlungen anfallen oder ständig betont wird, dass alles "schwierig" sei – so was gibt den Leuten ja das Gefühl, eigentlich nur lästig zu sein.

STANDARD: Na ja, bei Kleinbewerben kann man sich so was wohl eher leisten.

Langer: Inwiefern "klein"? Am Samstag waren ungefähr 1.000 Läuferinnen und Läufer am Start – das ist mehr als bei manchen Bewerben im Prater in Wien. Parallel dazu haben etliche Hundert auch am virtuellen Rennen teilgenommen: Der Bewerb war schon Tage vor dem Start sogar ausverkauft.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Okay, Sie sind ein Fan. Nur wegen des Ambientes oder auch wegen des Laufs an sich?

Langer: Auch wegen des Laufs selbst: Die Strecken für zehn Kilometer und für fünf Kilometer führten großteils die Donau entlang und gingen über zwei Brücken. Das hat allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Gruppenreise sehr gut gefallen. Und soweit ich es mitbekommen habe, wollen nicht nur fast alle, die dabei waren, auch beim zweiten Rennen der Serie wieder mitlaufen. Da werden ziemlich sicher noch mehr Wienerinnen und Wiener anreisen.

STANDARD: Wann wird das sein?

Langer: Am 14. Jänner, und zwar in Petržalka. Gelaufen wird an Seitenarmen der Donau und rund um einen See.

Und genau das, diese wechselnden Locations, macht den Reiz dieser Rennen aus: Ich habe so viele schöne, aber vor allem kaum bekannte Teile von Bratislava kennengelernt. Das ist mir persönlich wichtig: Eine europäische Hauptstadt mit mehr als 450.000 Einwohnern, nur eine Stunde von Wien entfernt – die sollte man, finde ich, nicht nur oberflächlich, aus der Touristenperspektive, kennen. Es gibt hier viel mehr als nur das historische Zentrum.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Jetzt sind Sie also "Botschafter" für den Bratislava-Marathon. Aber was heißt das konkret?

Langer: Der Kontakt mit den Organisatoren besteht ja schon seit Jahren. Meine Lauffreunde und ich haben uns immer wohl- und willkommen gefühlt. Die Rennen waren und sind eine Horizonterweiterung – und natürlich freuen sich die Organisatoren, wenn ihre Rennen auch jenseits der Grenzen wahrgenommen werden. Jozef Pukalovič war mit seiner Frau Petra heuer auch schon zweimal in Wien beim Weekly Long Run – zuletzt vor zwei Wochen. Petra ist übrigens auch einer der führenden Köpfe von sheruns.sk, die in Bratislava und sonst in der Slowakei große Lauftreffs und Trainings mit Frauen und Mädchen organisieren. Jozef hat über unsere Whatsapp-Gruppe auch die Organisation der Reise nach Bratislava "begleitet": Er spricht gut Deutsch, und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern fiel sehr rasch auf, dass es ihm wirklich um die Leute und ihre Anliegen geht.

Jozef hat mich dann gefragt, ob ich nicht "Botschafter" sein will, und natürlich habe ich zugesagt. Dass das ehrenamtlich ist, erwähne ich nur der guten Form halber: Mir geht es darum, möglichst viele Läuferinnen und Läufer aus Österreich nach Bratislava zu "locken". Und damit das gelingen kann, müssen viele Leute ja zuerst einmal erfahren, dass es diese Rennen überhaupt gibt – obwohl sie gleich nebenan stattfinden.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Gut, dann kommt hier der Programmteil: Wann und was, das Wo ist ja mittlerweile klar.

Langer: Der Bratislava-Marathon findet 2023 am 2. April statt. Das ist drei Wochen vor dem Vienna City Marathon. Das ist auch für VCM-Starterinnen und -Starter gut: Man könnte in Bratislava den Halbmarathon und dann in Wien den "ganzen" laufen.

Marathon, Halbmarathon, Marathonstaffel oder Halbmarathonstaffel je zu viert sind am Sonntag, am Samstag davor gibt es ein Zehn-Kilometer-Rennen. Und wer mehr wissen will: Der "Botschafter" ist bereit …

STANDARD: Sie haben eingangs etwas von weiteren Rennen in Bratislava gesagt, was gibt es dort denn noch?

Langer: Recht unterschiedliche Rennen in einigen anderen Teilen der Slowakei, zum Beispiel in der Hohen Tatra. Und in Bratislava selbst im September einen Night Run, das ist ein Zehn-Kilometer-Rennen am Samstagabend mit toller Atmosphäre und vielen Zuschauern im Zentrum. Da geht es sogar durch Bratislavas Straßenbahntunnel – durch den darf man sonst nie durch. Ich war da heuer dabei. Und ebenso im September gibt es den Frauenlauf – der soll sehr, sehr fein sein. Wurde mir jedenfalls erzählt.

Foto: Bratislava Marathon/ Robert Pazitny

STANDARD: Sie sagten eingangs, dass Sie Marathons auf der ganzen Welt laufen. Valencia, die Big Six, was reizt Sie daran? 42k, einen Halbmarathon oder einen 10er könnten Sie ja auch daheim laufen.

Langer: Um nicht missverstanden zu werden: Ich laufe sehr gerne in Wien. Erst im November habe ich einen Halbmarathon im Prater auf der klassischen Sieben-Kilometer-Runde bestritten.

Aber der Reiz an Rennen im Ausland sind die neuen Eindrücke, Leute, die von ganz woanders angereist sind und die man kennenlernt. Sie sind aus allen Ecken der Welt, haben sich aber genauso intensiv vorbereitet, und dann stehen wir alle an derselben Startlinie, haben alle denselben Traum. Auch das Publikum ist in anderen Ländern oft deutlich enthusiastischer als bei uns. Und manchmal profitiert man anderswo auch von den besseren klimatischen Bedingungen.

Außerdem gibt es auf der ganzen Welt berühmte Marathonstrecken, die man einmal selbst gelaufen sein will. Ich kombiniere Läufe auch gerne mit Städtereisen: Reisen erweitert den Horizont, man sieht, erlebt und lernt – und Laufen ist einer von vielen Aspekten so einer Reise. (Tom Rottenberg, 14.12.2022)


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