KARL FLUCH
Bestes Album: HORACE ANDY – Midnight Rocker
Den brummigen Groove besorgt Soul-Brother Adrian Sherwood, erhebt dann der melancholische Falsett-Kaiser Horace Andy die Stimme, reißt die Nacht auf: Ein Silberstreif erscheint, der neue Tag streckt sich. Midnight Rocker ist ein Gipfeltreffen des Massive-Attack-Sängers mit dem Produzenten Sherwood. Die Früchte dieser Begegnung mögen dem Tageslicht gegenüber empfindlich sein, das Gemüt erhellen sie einem jedes Mal.
Bester Song: C. ADIGÉRY / B. PUPUL – Blenda
Das belgische Duo Charlotte Adigéry und Bolis Pupul veröffentlichte mit ihrem Debüt Topical Dancer ein Album, das ebenso locker in die Kategorie links oder rechts passte. Satt und fett produzierter Elektropop mit feministischen Texten, angesiedelt zwischen Sinnlichkeit und Denkerstirn. Tanzmusik für Clubber mit Brille und Buchregal. Die Message vibriert, der Bass insistiert – so lässt man sich gerne missionieren.
Newcomer: GABRIELS – Angels & Queens Part I
Mit Jacob Lusk haben Gabriels einen Showman, der eine Oscar-Nominierung riskiert, wenn er bloß einen Kaffee bestellt. Er ist Stimmgold und Wonneproppen dieses zwischen Club, R’n’B und Black-Lives-Matter-Gospel angesiedelten Trios, das mit Angels & Queens den ersten Teil seines Debüts vorlegte. Teil zwei folgt im März. Die Engelein, dick und dünne, sie jubilieren schon, wir elenden Erdlinge, wir preisen den Herrn – den Herrn Lusk.
Österreich: SAEDI – Token
Novemberstimmung im Kopf, den März im Herz, in diesen Gefühlslagen manövriert sich die Wienerin Tania Saedi durch das Album Token. Momentaufnahmen aus der Mitte des Lebens, für die sie getragene Balladen als Form wählt. Die Schwermut trifft auf Trip-Hop, die Hoffnung auf Vorbilder wie Nina Simone, die im Geiste präsent ist. Tonfall und Nonchalance des Vortrags erhöhen mit jeder Umdrehung den Klassikerverdacht.