Mit den neuen Fahrplänen fürs kommende Jahr zeigt sich wieder, dass Wien seine Stellung als Drehscheibe des europäischen Bahnverkehrs gefestigt hat. Vor allem die Nachtzug-Angebote der ÖBB sorgten ja in den vergangenen Jahren schon für Furore. Pünktlich zum Inkrafttreten des neuen Fahrplans am 11. Dezember startete der erste Nightjet unter Beisein von (politischer) Prominenz von Wien nach Genua. Der Nachtzug verkehrt nun täglich und fährt vom Hauptbahnhof in Wien um 19.18 Uhr ab. Planankunft in Genova Piazza Principe ist um 9.38 Uhr, es geht aber auch noch weiter nach La Spezia. Zurück geht es um 19.50 ab Genua mit Planankunft um 8.52 Uhr in Wien. Und: Der Nightjet, der bisher München und Mailand verbindet, wird auch nach Genua und weiter nach La Spezia verlängert.

Klimaschonend nach Ligurien

Der NJ 233 wird also von Wien über Leoben, Villach, Tarvis, Verona und Mailand nach Genua und weiter nach La Spezia geführt. Der NJ 40295 fährt von München über Salzburg und ab Villach gemeinsam mit dem NJ 233 über Tarvis, Verona und Mailand nach Genua und La Spezia. Das sind gute Neuigkeiten für alle Eisenbahnfans und jene Italien-Reisenden, die gerne möglichst klimaschonend nach Ligurien und Cinque Terre unterwegs sein möchten. Den italienischen Tourismus freut es ebenfalls: Man erwartet sich mehr Touristinnen und Touristen.

Wien baut seine Stellung als Drehscheibe im europäischen Nachtzugnetz weiter aus.
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Neu ist auch, dass Stuttgart ans Nightjet-Netz angebunden wird: Künftig fährt der NJ 237 von Stuttgart über München nach Venedig. Die Euronight-Züge von Budapest, Zagreb und Rijeka fahren ab Fahrplanwechsel auch neu verlängert bis nach Baden-Württemberg. Die beliebte Euronight-Verbindung Wien – Graz – Split wird 2023 ausgeweitet und bringt Urlaubsreisende schon ab Anfang Mai bis in den Oktober an die kroatische Adriaküste – nun sogar dreimal pro Woche, wie die Bundesbahnen verkünden.

Neue Zug-Generation

Im Fahrplanjahr 2022/23 erwarten ÖBB-Kundinnen und ÖBB-Kunden aber nicht nur neue Destinationen und Verbindungen, sondern auch neue Züge. Aktuell seien Railjets und Nightjets der neuen Generation in Produktion. Ende Sommer 2023 sollen schon die ersten neuen Nightjets Richtung Italien in den Einsatz gehen, und im Dezember 2023 sollen die ersten Railjets der neuen Generation für noch moderneres Reisen sorgen, verspricht man.

Interessant ist auch die Mitteilung, dass mit 1. Jänner 2023 eine wesentliche Neuerung für Tickets im internationalen Fernverkehr kommt: Die Mehrwertsteuer für internationale Tickets fällt für den österreichischen Streckenteil weg. Die Tickets sollen in der Folge für alle günstiger werden.

Genua
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Apropos Preis: Angenommen, wir möchten mit der gesamten Familie (zwei Erwachsene, zwei schulpflichtige Kinder, acht bzw. zehn Jahre alt) die Weihnachtsfeiertage – ganz spontan – in Genua verbringen. Wäre mal was Neues. Wir möchten am 22. Dezember starten, natürlich mit dem neuen Nightjet. Los geht's also um 19.18 Uhr am Wiener Hauptbahnhof, am nächsten Morgen um 9.38 Uhr sollten wird dann – hoffentlich – gut ausgeruht in Genua Piazza Principe ankommen. Also die Daten auf der ÖBB-Website eingegeben ... 152 Euro werden aufgerufen. Das klingt super. Es ist ein "Sparschiene"-Preis, der allerdings keine Plätze in einem Schlafabteil beinhaltet, sondern Sitzplätze im Abteilwagen 2. Klasse. Klingt dann doch nicht so super – 14 Stunden und 20 Minuten sitzend zu verbringen. Storno ist auch nicht möglich. Das ist wohl eher was für Hartgesottene. Immerhin: Die Sitzplatz-Reservierung ist dabei.

Hypothetisch reisen

Schon besser liest sich das Angebot für den Liegewagen. Für 274 Euro mit kleinem Frühstück, aber in einem Sechserabteil mit anderen Reisenden. Nein. 61 Euro mehr, und man bekommt ein Abteil mit vier Liegen. Macht insgesamt 335 Euro.

Dann gibt's noch die Möglichkeit, im Schlafwagen zu reisen, was wohl die bequemste Option wäre. Allerdings gibt es hier nur ein Abteil mit drei Betten. Der Papa müsste dann auswandern. Kostenpunkt: 366 Euro. Dafür gibt's auch ein Frühstück à la carte und eine Waschgelegenheit.

Entscheidet man sich von vornherein für das "Komfortticket" (statt der "Sparschiene"), kostet obige Variante 408,20 Euro. Und hier taucht noch die Option zwei Abteile mit zwei Betten auf. Das kostet in Summe dann 492,20 Euro für eine Strecke. Addiert man die Rückfahrt am 25. Dezember, 19.50 Uhr ab Genova Piazza Principe, kommt man also auf 984,40 Euro.

Was kostet der Spaß mit dem Flugzeug? Etwa mit der AUA? Hin am 22., zurück am 26.12.: Es ist kompliziert. Denn es gibt keine Direktflüge. Unsere hypothetische Familie müsste beim Hinflug über München reisen und, wie sich herausstellt, beim Rückflug auch. Insgesamt wäre man dann rund sieben Stunden unterwegs (inklusive Wartezeit beim Umstieg) und würde in der Kategorie Economy Classic 1.636, 18 Euro zahlen. Im direkten Vergleich hat hier der Nightjet eindeutig die Nase vorn – zumindest was die AUA betrifft.

Fairerweise sei hier erwähnt, dass die Billigairline Ryanair einen Direktflug ab Wien anbietet. Am 22. Dezember zum Beispiel gibt es einen Flug nach Genua – um 6 Uhr Früh geht's los, um 7.30 Uhr landet man in Italien. Einen Rückflug gibt's allerdings erst am 29. Dezember. Wenn die Familie mit leichtem Gepäck reist, kommt sie mit 533,64 Euro weg. Wenn sie sich für den "Family Plus"-Tarif entscheidet – weil man für eine siebentägige Reise womöglich doch etwas mehr Gepäck braucht – sind laut Buchungswebsite der Airline 750,64 Euro fällig.

Paris
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Vielleicht ist es zu Weihnachten zu Hause doch am schönsten, und wir sollten unser Geld sparen und vielleicht Paris im Frühling ins Auge fassen, denkt sich da unsere Protofamilie. Dort fährt doch schon seit längerem ein Nachtzug hin. Ein verlängertes Wochenende wäre schön. Vielleicht gleich um den 1. Mai herum, der 2023 praktischerweise auf einen Montag fällt.

Wir versuchen es. Die Züge fahren montags, donnerstags und samstags, steht auf der ÖBB Nightjet-Website. Also am 27. April hin und am 1. Mai zurück wäre ideal. Nur: Es gibt für den 27. April keine Tickets mehr. Okay, kann man nichts machen. Fassen wir ein anderes verlängertes Wochenende ins Auge. Pfingsten, Ende Mai, zum Beispiel: Hinfahrt am 25.5., Rückfahrt am 29.5.2023. Wieder dasselbe Spiel: kein Ticket verfügbar.

Zufall? Pech?

Vielleicht liegt's an den Wochenenden. Wir sind flexibel und planen unseren Trip nach Paris eben unter der Woche, versuchen aber Fronleichnam (Donnerstag, 8. Juni 2023) mitzunehmen. Also Montag, 5. Juni, hin, Donnerstag, 8. Juni, zurück. Aber: wieder dasselbe Spiel – es gibt keine Tickets.

Sehr merkwürdig. Ist das ein Zufall, haben wir einfach nur Pech? Wir fragen bei der ÖBB nach. Die Antwort enthält auch einen guten Tipp, was den Buchungszeitpunkt einer Bahnreise betrifft und welche Umstände man gegebenenfalls mit einkalkulieren muss. Denn Bahntickets seien in Österreich im Allgemeinen 180 Tage im Voraus buchbar, teilt Unternehmenssprecher Bernhard Rieder mit. Und: "Gerade im Nachtverkehr kann es wegen geplanter Baustellen zu Abweichungen kommen." Bei internationalen Verbindungen sei man auf die Daten von Partnerbahnen angewiesen. Diese würden aber "unterschiedlich zur Verfügung gestellt". Was aber hat das mit jetzt konkret mit Paris zu tun? Dazu meint der ÖBB-Sprecher knapp: "Die Daten für Paris liegen aktuell bis Ende März 2023 vor und sind buchbar. Weitere Verbindungen werden aktualisiert."

Zwei Stunden oder knapp 14 Stunden

Also machen wir die Probe aufs Exempel und versuchen mit unserer Musterfamilie im März unser Glück. Schließlich reisen wir nur hypothetisch. Angepeilter Reisezeitraum: 27. bis 30.3.2023. Jetzt klappt's! Die Sparschiene lassen wir links liegen. Im Liegewagen (Vierer-Abteil) des Nightjet NJ 468 kommt man so auf 377,40 für die Hinfahrt, mit Rückfahrt demnach auf 754,80 Euro. Im Schlafwagen stellt sich wieder das "Drei-Betten-Problem". Weicht man auf zwei Zwei-Betten-Abteile aus, schlägt sich das mit insgesamt 1.070 Euro zu Buche. Los geht's um 19.46 Uhr am Wiener Hauptbahnhof, geplante Ankunft in Paris um 9.53 Uhr, Fahrtzeit: 13 Stunden und 57 Minuten.

Mit der AUA, soviel lässt sich festhalten, kommt man quasi täglich nonstop von Wien nach Paris und das zu mehreren Tageszeitpunkten. Die Flugzeit beträgt zwei Stunden. Fliegt man am 27. April am Nachmittag ab und nimmt am 1. Mai den letzten Flug zurück nach Wien, also so, wie wir es unsere Familie ursprünglich ins Auge fassen ließen, schlägt sich das aber mit 1.147,12 Euro (Economy Classic) auf die Geldbörse. Der "Ausweichtermin" im März (27. bis 30.3.2023) würde das Budget mit 1.339,12 Euro belasten.

Im Fall Paris kann man also festhalten: Mit dem Flugzeug kommt man quasi immer und schnell in die französische Hauptstadt. Das hat seinen Preis. Mit dem Nightjet kann man nur bis Ende März vorplanen, muss eben, wenn man eine Reise im April, Mai oder Juni plant, immer mal wieder nachschauen, ob es schon Tickets gibt. Man kommt aber im Liegewagen für 754,8 Euro relativ bequem und günstig nach Paris, nur dauert es eben bedeutend länger. Es ist davon auszugehen, dass sich an diesem Preis nicht viel ändern wird. (max, 14.12.2022)