"Kohlenstoff ist der Feind, nicht irgendein spezifisches Antriebskonzept." Matt Harrison, Chef von Toyota Motor Europe (TME), beschwört in seinem Vortrag gleich das Mantra, das sich durch das gesamte Kenshiki-Forum 2022 zieht. Auf dem Weg zur CO2-Neutralität lasse man sich alle technischen Optionen offen, frei nach dem Vorbild von Natur und Evolution, und die tendierten auch nicht zu singulärer Lösung, sondern einem Ansatz der Vielfalt, Diversität. Klares Bekenntnis zur batterieelektrischen Mobilität, schon. Aber nicht ausschließlich.

Zwei Konzeptautos: links der Lexus Electrified Sport und rechts der Toyota bZ Compact SUV Concept, mit einem markantem Hecklicht-Kreuz.
Foto: Andreas Stockinger

Kenshiki-Forum: Zum vierten Mal veranstaltet der weltgrößte Autohersteller, der bei Neuzulassungen heuer erstmals in Europa Rang zwei einfahren konnte – hinter VW, aber noch vor BMW und Peugeot (ex aequo Rang drei) -, diese Strategie- und Leistungs(vor)schau. 2021 auf dem Expo-Gelände, in Sichtweite zum Atomium, heuer am Flughafen in einem ehemaligen Hangar. Unter den Wolken ...

Der im Vorjahr umrissene Marschplan wird hie und da weiter präzisiert, und die für Europa erarbeiteten Zielparameter wirken, so Harrison, mittlerweile sogar zurück auf die Zentrale in Japan. Der Grund: Wegen der behördlichen Vorgaben sei Europa, konkret: EU-Europa, "die sich am rapidesten verändernde Region der Welt, in einer Zeit signifikanter Herausforderungen wie Corona, Halbleiterkrise, Ukraine-Krieg, Inflation und so fort".

Der LES soll nur wenige Unterschiede zu seinem letztendlichen Serienwagen haben und strebt eine Beschleunigung von 0 auf 100 in circa 2 Sekunden an.
Foto: Andreas Stockinger

Toyotas globale Selbstverpflichtung lautet CO2-Neutralität ab Mitte des Säkulums – in Europa werde man das Ziel 2040 erreichen, eine Dekade eher. 2030 sollen hier bereits sämtliche Fabriken umgestellt sein nach österreichischem Vorbild, sprich: immerwährende (Klima-)Neutralität; 2035 werden in der Alten Welt nur mehr ZEVs verkauft, Null-Emissions-Fahrzeuge (was, siehe oben, nicht nur batterieelektrisch bedeutet); 2040 ist der Prozess abgeschlossen, inklusive Logistik, Lieferketten, Dienstleistungen. Kenshiki-Paukenschlag en passant: Toyota zieht die erste Batteriefertigung in Europa hoch, zunächst für ein 2023 kommendes Plug-in-Hybrid-Modell.

Die Zeit der altmodischen und mittlerweile komplett obsoleten kreisrunden Lenkräder ist bald vorbei, wie hier im bZ zu sehen ist. Die Zukunft ist oblong.
Foto: Andreas Stockinger

Bei der Zukunft der Mobilität – der Hybrid-Pionier wurde in den vergangenen Jahren häufig gescholten, die batterieelektrische verschlafen zu haben – sieht Toyota also den "Multitechnologiezugang" als Schlüssel zum Erfolg. Die Strategie nennt sich "Power of AND", und diese Kraft des UND ruht auf vier Säulen: BEVs (batterieelektrische Fahrzeuge) UND Wasserstoff-Brennstoffzelle UND Plug-in-Hybride UND Hybride. Damit lasse man niemanden zurück auf der Suche nach maßgeschneiderten Lösungen zur CO2-Emissions-Reduktion, und ja, Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Technologie werden in den kommenden Jahren weiterhin eine Schlüsselrolle spielen.

Toyota ist nicht der einzige Hersteller, der auf das Fächerprinzip setzt, BMW zum Beispiel ist ähnlicher Meinung sowie der Hyundai-Kia-Konzern, aber die Japaner exerzieren das am konsequentesten durch.

Etwas bodenständiger schaut die linke Seite der Bühne aus, mit der CH-R Sequel, namens "CH-R Prologue" und dem einzigen Produktionswagen heute, die fünfte Generation des Toyota Prius.
Foto: Andreas Stockinger

So viel und so rasch wie möglich

Toyota-Chefwissenschafter Gill Pratt erläutert, warum. "BEVs spielen eine wichtige Rolle, ganz klar. Aber auch andere elektrifizierte Antriebstechnologien sind nötig, um die Emissionen so stark wie möglich und zugleich so schnell wie möglich zu reduzieren." Für die Batteriefertigung benötigte Rohstoffe stünden nicht unbeschränkt zur Verfügung, von Lithium bis Kupfer gebe es jetzt schon teils dramatische Engpässe und Kostensteigerungen, aber – dies bekräftigt Harrison bei mehreren Gelegenheiten – Toyota sei nicht willens, sich von leistbarer Mobilität zu verabschieden, das sei man seiner Klientel schuldig. Pratt, Stichwort Kosten und Lithium: "Die Preise befinden sich auf einem Allzeit-Hoch, fast 50.000 Euro pro Tonne. Das ist um den Faktor zehn teurer als noch vor zwei Jahren."

Der Wissenschafter spricht weiters über Wasserstoff, auch hier besetzt Toyota eine Pionierrolle, der Mirai II ist das derzeitige Vorzeigeobjekt. "Wasserstoff hat Vorteile, wo Lithium-Batterien schwächeln, und umgekehrt." Man sehe signifikantes Potenzial speziell bei größeren, bei Nutzfahrzeugen, wo die geringere Masse des Wasserstoffs und das raschere Betanken (vergleichbar mit Diesel) essenziell seien.

Damit zurück zu den TME-Marktzahlen. Sie sind beeindruckend. Toyota wächst bei schrumpfenden Märkten in Europa (inklusive Russland) beständig, nur die Premiummarke Lexus kann davon nicht profitieren. Nach 1,067 Millionen Neuzulassungen 2021 rechnet man heuer mit 1,1 Millionen, das entspricht 7,1 Prozent Marktanteil, wie gesagt, Rang zwei, und auch 2023 gilt für Harrison: "Wir wachsen weiter, bei Volumen und Marktanteil."

Denn: Da kommt was auf uns zu. Allein sechs Batterieelektroautos bis 2026 avisiert Harrison für Europa. Die Fahrzeuge tragen das sperrige Kürzel bZ, das steht für beyond Zero. Klimaneutralität in der Typenkennung, vielleicht gewöhnen wir uns daran. Beim Erstling bZ4X tun wir uns noch schwer.

Aus dem bZ Compact SUV Concept wird 2025 ein Elektro-SUV.
Foto: Andreas Stockinger

Jedenfalls, während Harrison und Kollegenschaft die Strategie ausführlich erörtern, wird auf der Bühne von einem Auto nach dem anderen das Tuch runtergezogen. Zusammengefasst zeigt sich eine neue, von Modell zu Modell modifizierbare Designsprache, die die Progressivität, manche meinen auch: Aggressivität, mancher aktueller Modelle um einen Tick zurücknimmt, dabei aber die Markenidentität stärkt. "Hammerhead" nennt sich z. B. die Frontgestaltung, die C-LED-Leuchtengrafik wirkt dabei besonders markant.

Den Auftakt macht das bZ Compact SUV Concept. Wasndas?, werden Sie vielleicht fragen. Ganz einfach. Nach dem bZ4X wird dies der zweite Toyota auf der batterieelektrischen Plattform e-TNGA. Das Serienmodell fährt 2025 bei uns vor, am Aussehen wird sich nicht mehr viel ändern. Mit 4,53 Meter Länge und 2,75 Radstand zielt er exakt auf ein enorm stückzahlträchtiges Segment, bei der Materialauswahl – Einsatz vieler Rezyklate und pflanzlicher Rohstoffe – schließt sich der Hersteller auch hier dem Branchentrend an.

Auch der Electrified Sport geht in Serie – als erster E-Sportwagen von Lexus.
Foto: Andreas Stockinger

Weiter geht’s mit einem echten Kracher. Toyota will auch die E-Mobiliät mit Emotionen aufgeladen wissen, der Lexus Electrified Sport wird keine Probleme mit dem Anspruch haben. Muskeln, Dynamik, Eleganz: "Ein Kunstwerk." Studie, schon klar, aber Takashi Watanabe, Chefingenieur elektrifizierte Fahrzeuge, macht uns schon mal den Mund wässrig: "Das ist nicht nur ein Design-Konzept!" Über die Leistungsdaten hält man sich völlig bedeckt, nur dies wird verraten: An Bord sind der aus dem 2023 startenden E-SUV RZ bekannte Allradantrieb "Direct 4" und die "Steer by Wire"-Lenkung inklusive Yoke-Lenkrad. Lenken mit Schmetterlingseffekt, sozusagen.

Näher am konkreten Einsatz dran sind dann die letzten beiden Neuheiten vom Kenshiki-Forum: Toyota Prius und C-HR Prologue.

Wenn der Prius Mitte nächsten Jahres in fünfter Generation in den Einsatz geht, dann ausschließlich als Plug-in-Hybrid. Fesch ist er geworden, mit Fließheck wie Citroën in den besten Zeiten. Der 13,6-kWh-Akku bringt einen elektrisch bis zu 69 km weit, die Systemleistung liegt bei 164 kW (223 PS). Der Fronttriebler sprintet in 6,7 Sekunden von null auf 100 km/h, und beim Verbrauch lauten die Marker: 2,0 l / 100 km, CO2: 19 g/km.

Der neue Prius, diesmal ein Plug-in Hybrid, kommt Mitte nächsten Jahres zu uns.
Foto: Andreas Stockinger

Der Sonne entgegen

Erster Eindruck nach der Sitzprobe: Man sitzt tiefer als bisher, das Solardach nimmt etwas Kopffreiheit weg, das fällt vorne kaum ins Gewicht, hinten schon. Und der Kofferraum ist nicht gerade üppig ausgefallen.

Aus dem C-HR Prologue wird Anfang 2024 die zweite Generation dieses SUV-Coupés, etwas zurückhaltender beim Design vielleicht und mit Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Antrieb.

Der C-HR Prologue wird Anfang 2024 zum nächsten C-HR.
Foto: Andreas Stockinger

Zuletzt noch mal kurz zurück zum Wasserstoff. Toyota spielt auch den Einsatz im Verbrennungsmotor durch, im Rallye-Prototyp GR Yaris H2. Innerhalb nur eines Jahres sei es gelungen, die Leistung um 24 Prozent zu steigern und das Drehmoment um 33 Prozent. Motorsport sei eben das ideale Testfeld, kommentiert der aus Österreich stammende TME-Topmann (Forschung und Entwicklung) Gerald Killmann. Und mit Wasserstoff-Brennstoffzelle geht es auch in die nächste Runde. Gerade vorgestellt: ein Hilux-Prototyp. (Andreas Stockinger, 16.12.2022)