Im Gastblog schreibt Rechtsanwaltsanwärterin Jasmin Slavik über die umstrittene Positionierung von E-Sport im österreichischen Recht.

Am 5. November des letzten Jahres fand mit dem Finale der League of Legends World Championship eines der bisher größten E-Sport-Turniere statt. Mehr als fünf Millionen Zuschauer verfolgten das Spektakel entweder vor Ort oder per Livestream. Den Gewinnern winkte ein Preisgeld in Millionenhöhe. E-Sport-Turniere wie dieses sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Das Phänomen "E-Sport" ist nicht mehr wegzudenken – ein Grund, einen genaueren Blick auch auf die damit verbundenen rechtlichen Facetten zu richten.

Neue Generation von Sport

E-Sport wird von Jahr zu Jahr beliebter, wie Disziplinen wie "League of Legends" oder "Fifa" zeigen. Ihre Meisterschaften füllen ganze Hallen mit Fans, werden von Millionen online im Livestream verfolgt, und die Akteure und Akteurinnen innerhalb der Szene werden wie Superstars gefeiert.

Die voranschreitende Digitalisierung und die Corona-Pandemie haben den Hype um E-Sport nur noch weiter befeuert. Während die meisten "klassischen" Sportarten im Lockdown nicht ausgeübt werden konnten, war E-Sport kaum Beschränkungen unterworfen und erlebte einen regelrechten Boom. Vor allem bei der jüngeren Generation befindet sich E-Sport auf dem Vormarsch – auch in Österreich: So gewann im Jahr 2019 der damals 17-jährige Österreicher David "Aqua" Wang die "Fortnite"-Weltmeisterschaft und wurde damit zum Millionär. Unternehmen wie Red Bull unterhalten schon eigene E-Sport-Abteilungen. E-Sport ist daher mittlerweile auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.

Gibt es überhaupt eine klare Grenze, die zwischen E-Sport und anderen Sportarten gezogen werden kann?
Foto: APA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Nichtsdestotrotz fehlt E-Sport bisher weitestgehend noch immer die (rechtliche) Anerkennung als "Sport". In Anbetracht der ungebremsten Beliebtheit und der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung fordert die E-Sport-Community daher seit geraumer Zeit eine Anerkennung des E-Sport als Sport im rechtlichen Sinn.

Doch warum pocht die Szene eigentlich so vehement auf diese Gleichstellung mit den klassischen Sportarten? Das hat viele Gründe: Zuallererst mangelt es immer noch an der sozialen Akzeptanz von E-Sport. Nicht selten werden E-Sportler und E-Sportlerinnen als "Freaks" abgestempelt. Darüber hinaus ergeben sich für Sportler und Sportlerinnen einige rechtliche Erleichterungen, wie – dies wird noch zu zeigen sein – zum Beispiel im Steuerrecht oder sogar im Einreise- und Aufenthaltsrecht. E-Sportler und E-Sportlerinnen sind sich daher einig: E-Sport ist Sport im rechtlichen Sinn.

Ist E-Sport Sport?

Geht man also der Frage nach, ob E-Sport tatsächlich Sport ist, stößt man relativ schnell auf die erste Hürde. Denn schon eine Suche nach einer Legaldefinition des Sports verläuft im Sand. Eine solche "offizielle" Begriffsdefinition ist der österreichischen Rechtsordnung fremd.

Tatsächlich existiert keine rechtlich verbindliche Definition von Sport, sondern verschiedene Ansätze dazu. Allgemein anerkannte Merkmale von Sport sollen demnach die körperliche Ertüchtigung und ein Leistungsvergleich mit einem festgeschriebenen Regelwerk sein. Zudem wird regelmäßig eine funktionierende Verbands- beziehungsweise Vereinsstruktur vorausgesetzt.

Das Umlegen dieser Kriterien auf den E-Sport entfacht geradezu Glaubenskriege. Besonders ermüdend für viele E-Sportler und E-Sportlerinnen sind Argumente, die sich auf die mangelnde körperliche Ertüchtigung im E-Sport-Bereich stützen. Die E-Sportler und E-Sportlerinnen holen dann mit Herzfrequenz- und Stressmessungen, die an Spielenden ausgeführt worden sind, zum Gegenangriff aus. Während eines Turniers können die Pulswerte eine Höhe von bis zu 180 Schlägen pro Minute erreichen, welche man auch bei "traditionellen" Sportarten messen kann. Das Belastungs- und Stresslevel ist daher durchaus auch bei E-Sportler und E-Sportlerinnen gegeben. Ferner müssen professionelle E-Sportler und E-Sportlerinnen über eine ausgezeichnete Hand- Augen-Koordination verfügen und eine herausragende Feinmotorik besitzen. Letztlich ist für E-Sportler und E-Sportlerinnen auch eine gute Reaktionszeit essenziell.

Überdies ist im E-Sport-Bereich – gleichsam wie auch im "echten" Sport – zwischen verschiedenen Spielen und Disziplinen zu unterschieden; mittlerweile gibt es auch in vielen Bereichen Vereinsstrukturen. Zu nennen ist nur der E-Sport-Verband Österreich, der bereits 2007 ins Leben gerufen wurde.

Ebenso wie beim Sport im traditionellen Sinn arbeitet man auch im E-Sport-Bereich häufig in einem Team; Teamfähigkeit wird daher großgeschrieben. Auch schaut der Alltag von E-Sportlern und E-Sportlerinnen nicht sehr viel anders aus als jener bei einem "normalen" Sport: Es muss jeden Tag stundenlang trainiert werden; es stehen Wettkämpfe an, und die Werbetrommel muss ordentlich gerührt werden. Dies geschieht meist auf Streaming-Plattformen wie Twitch. Genauso wie bei Fußball oder Schach (auch Letzteres ist offiziell als Sport anerkannt) kommt es hier auf Taktiken an und darauf, auf die Spielzüge des gegnerischen Teams passend zu reagieren.

Kritik an Ego-Shootern

Im Mittelpunkt der Kritik der Gegnerschaft von E-Sport stehen vor allem Ego-Shooter. So wird argumentiert, dass ein gewaltverherrlichendes Spiel nicht Sport sein könne. Sport habe höhere ethische Werte, wie zum Beispiel Fairplay und Chancengleichheit, zu vertreten. Dieses Argument mag vielleicht noch bei Ego-Shootern Gewicht haben, bei anderen E-Sports ist dieses Argument wohl zu hinterfragen. Und auch im klassischen Boxen spielt Gewalt eine gewichtige Rolle – kaum jemand bestreitet aber, dass gerade beim Boxen Fairness und Respekt vor dem Gegner oder der Gegnerin eine ebenso große Bedeutung haben.

Die Liste der verschiedenen Argumente könnte noch endlos weitergeführt werden. Ob E-Sport Sport ist, wird daher weiterhin eine heiß umkämpfte Debatte bleiben. Fest steht, dass es zwischen E-Sport und dem traditionellen Sport neben bedeutenden Unterschieden auch unzählige Gemeinsamkeiten gibt. Unabhängig davon, ob man E-Sport nun auf eine Stufe mit klassischen Sportarten stellt oder E-Sport doch nur zum "bloßen" Computerspielen degradiert, wird man jedenfalls einräumen müssen, dass E-Sport ein wichtiger Freizeit- und Wirtschaftsfaktor geworden ist.

Und eines ist gewiss: E-Sport ist gekommen, um zu bleiben. Die wachsende Bedeutung verlangt auch eine intensive Beschäftigung aus rechtlicher Sicht. Die rechtlichen Themen sind breit gefächert: Das Potpourri an rechtlichen Themen reicht vom Arbeitsrecht und Jugendschutz über das Steuerrecht, Veranstaltungsrecht, Recht für Sponsoren bis hin zum Doping- und Strafrecht. Ausgewählte Fragen werden im Folgenden kurz aufgegriffen.

Steuererleichterungen für Sportler und Sportlerinnen

Gerade im Steuerrecht finden sich Sportlerprivilegien, die aufgrund der Verdienstmöglichkeiten im E-Sport auch für die virtuellen Sportler und Sportlerinnen interessant sind. Hervorzuheben ist sicherlich die Pauschalierung für Sportlerinnen und Sportler in der Einkommensteuer. Dort können selbstständige Sportler und Sportlerinnen – wenn also kein echtes Dienstverhältnis bei einem Verein besteht, wie das beispielsweise beim Fußball der Fall ist – unter bestimmten Voraussetzungen auf die Pauschalierung für Sportlerinnen und Sportler zurückgreifen, was dazu führt, dass deren gesamte Jahreseinkünfte nur mit 33 Prozent in Österreich versteuert werden müssen. Ob das angesichts der Tatsache, dass außerhalb des Sportbereichs Einkommen über 90.000 Euro bis zu einer Million Euro einem Steuersatz von 50 Prozent und Einkommen über einer Million Euro einem Spitzensteuersatz von 55 Prozent unterliegen, fair ist, sei an dieser Stelle in den Raum gestellt.

Steuerzuckerln gibt es auch bei der Umsatzsteuer: Umsätze von gemeinnützige Vereinigungen, welche zum Beispiel den Körpersport fördern, sind unecht von der Umsatzsteuer befreit. Darüber hinaus sind diese Vereinigungen von der Entrichtung der Körperschaftsteuer befreit. Kein Wunder also, dass E-Sport-Vereine auch ganz gerne von diesem Steuerzuckerl naschen möchten.

Doping im E-Sport

Die Stress- und Belastungslevel, die E-Sportler und E-Sportlerinnen vor allem bei längeren Turnieren auszuhalten haben, wurden schon diskutiert. Leistungssteigernde Substanzen, die Wettbewerbe verzerren können, werden wohl auch in der E-Sport-Szene irgendwann auf der Tagesordnung stehen – wenn das nicht ohnehin schon der Fall ist. In den USA soll in der Szene Adderall verbreitet sein, um die Performance der virtuellen Sportstars zu verbessern. Adderall wird meist Personen mit ADHS verschrieben. Bei E-Sportlern und E-Sportlerinnen erhöht es die Konzentration und hilft gegen Müdigkeit.

Strafrecht

Betrugs- und Manipulationsrisiken stellen sich im E-Sport auf einer ganz neuen Ebene. Wie soll mit Cheatern und Softwaremanipulation umgegangen werden? Bietet das österreichische Strafrecht dafür überhaupt ausreichenden Schutz? Vielleicht muss man (Sport-)Strafrecht im E-Sport-Sektor völlig neu denken.

Jugendschutz

Nachdem ein großer Teil der E-Sportler und E-Sportlerinnen das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist das Jugendschutzrecht ein dominierendes Thema. Bevor sich Jugendliche gegenüber Vereinen als potenzielle Arbeitgeber oder Sponsoren verpflichten, kann die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (in der Regel die Eltern) und sogar des Pflegschaftsgerichts notwendig werden. Außerdem gibt es diverse Einschränkungen bezüglich Arbeitszeiten und Ruhezeiten. Im Bereich des klassischen Sports sind dafür oftmals Ausnahmen vorgesehen, auf die die E-Sport-Szene aber noch nicht zurückgreifen kann.

Ausblick

Der immer größer werdende Hype um E-Sport ist nicht aufzuhalten. Die Preisgelder werden immer höher und das Publikum immer größer. In Anbetracht der Parallelen des E-Sports zu den anerkannten traditionellen Sportarten werden die Rufe innerhalb – aber auch außerhalb – der E-Sport-Szene um eine rechtliche Anerkennung lauter.

In Asien haben diese Bemühungen bereits Früchte getragen: In den nächsten Asienspielen wird E-Sport bereits als eine eigene Kategorie vertreten sein. In Deutschland gibt es im Bereich des Einreise- und Aufenthaltsrechts sogar ein eigenes E-Sport-Visum. In Österreich selbst hat das Thema E-Sport im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 Platz gefunden. E-Sport ist daher auf dem Vormarsch, und vielleicht wird E-Sport irgendwann sogar olympisch. (Jasmin Slavik, 2.1.2023)