Die Arbeitsbelastung im Spital ist für drei Viertel der Ärztinnen und Ärzte laut Befragung hoch bis sehr hoch.

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"Zu sagen, dass die Bettensituation auf den Normalstationen und den Intensivstationen die Hölle ist, wäre untertrieben. Wir alle sind am Ende. Auf der Intensiv beginnen wir zu triagieren." Diese Worte verlas Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, am Dienstag am Beginn einer Pressekonferenz. Das sei die Schilderung eines Arztes, der vergangenes Wochenende in einem Spital der Stadt Wien seinen Dienst versehen habe. Darin ist auch von Gangbetten die Rede, in denen die Menschen sterben würden.

Vonseiten des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) weist man die Behauptung, dass Patientinnen und Patienten am Gang sterben würde, "mit aller Deutlichkeit zurück". Auf Anfrage des STANDARD betonte der Wigev, dass Gangbetten nur äußerst selten und nur für kurze Zeit zum Einsatz kommen. "Sind etwa in einem Akutbereich alle Betten belegt und ein Notfallpatient wird eingeliefert, dann braucht es sofort ein Bett", heißt es von einer Sprecherin. So sei etwa ein Gangbett kurzfristig die beste Option, um den Patienten trotz voller Betten optimal behandeln zu können.

Es sind jedenfalls Worte eines Arztes, die schockieren und genau in das Bild passen, das die Ergebnisse einer großangelegten Befragung von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten in Wien ergaben. Die Ärztevertretung hat nun weitere Ergebnisse daraus präsentiert.

Zweiter Teil der Umfrage präsentiert

Diesmal ging es um Fragen der Arbeitsbelastung, zuletzt war Ende November die Versorgungssituation in den Krankenhäusern beleuchtet worden – zu dem Thema war herausgekommen, dass ein Großteil der Ärztinnen und Ärzte Engpässe beobachtet. In dem nun veröffentlichten Befragungsteil gaben drei Viertel der Befragten an, die Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch zu empfinden. Nur ein Prozent gab "gar nicht hoch" zur Antwort. Die Gründe dafür liegen laut weiteren Fragen allem voran am Pflegemangel (für 54 Prozent sehr belastend), den organisatorischen und bürokratischen Tätigkeiten und dem ärztlichen Personalmangel (beides je "sehr belastend" für 44 Prozent).

Weiters gaben 54 Prozent an, regelmäßig Überstunden zu machen, insbesondere die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen sowie Turnusärztinnen und Turnusärzte und Vollzeitbeschäftigte. Als Einrichtung stach hier das Allgemeine Krankenhaus hervor. Ein Viertel der Befragten kann laut der Befragung die gesetzlichen Ruhezeiten zwischen den Diensten nicht einhalten. Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wie, sieht hier dringenden Handlungsbedarf.

Die repräsentative Befragung wurde von Public Opinion Strategies von Peter Hajek im Auftrag der Wiener Ärztekammer durchgeführt. Von 21. September bis 4. Oktober wurden online 1.894 angestellte Ärzte und Ärztinnen in Wien befragt. Die Schwankungsbreite liegt bei plus/minus 2,1 Prozent.

Stadt reagiert auf Vorwürfe

"Einer sozialdemokratischen Stadtregierung nicht würdig", nannte Ferenci die Situation in Wien. Darauf kontert man seitens der Stadtpolitik: Man nehme die Sorgen sehr ernst und investiere hohe Summen in das Gesundheitssystem, betonte der Sprecher des Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ), Norbert Schnurrer: "Wir sind uns bewusst, dass es Probleme gibt. Es werden Milliarden in die Hand genommen, um die Spitäler zu modernisieren." Auch sei man tatkräftig dabei, etwas gegen den Personalmangel zu unternehmen, "jede offene Stelle wird wenn möglich sofort nachbesetzt", fügt Schnurrer hinzu.

Außerdem sei die Stadt darum bemüht, gemeinsam mit der Ärztekammer Lösungen zu erarbeiten, aber: "Erst vor kurzem wurde ein Gesprächstermin von der Kammer abgesagt. Das trägt nicht zur Lösungsfindung bei", heißt es aus Hackers Büro. Dem Vorwurf, dass nichts gegen das Personalproblem unternommen werde, begegnet die Stadt mit dem Ausbau der Pflegeausbildung und der Schaffung von Stipendien im Gesundheits- und Pflegebereich.

Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten

Seitens der Ärztekammer zeigt sich Ferenci gesprächsbereit. Er sei erreichbar für Stadtrat Hacker – Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart blieb der Pressekonferenz am Dienstag krankheitsbedingt fern. Man wolle mit Hacker Gespräche auf Augenhöhe, sagte Ferenci, um über Sofortmaßnahmen sowie eine Strukturreform zu sprechen, deren Ziel es sein müsse, die Spitalsarbeit wieder attraktiv zu machen.

Peter Hajek skizzierte, dass 42 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die an der Befragung teilgenommen haben, Bedienstete des Wiener Gesundheitsverbunds seien. Das entspreche genau dem Anteil der Grundgesamtheit der Spitäler in Wien, daher seien die Wigev-Angestellten nicht unterrepräsentiert, wie es nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse im November seitens der Stadt geheißen hatte. (Gudrun Springer, Max Stepan, 13.12.2022)