Kann schon mal die Koffer packen: Jakob Pöltl.

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Pöltl wird auch in einem anderen Dress auf LeBron James treffen.

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Weihnachten steht vor der Tür, also ist es auch nicht mehr weit hin bis zur Trade-Deadline in der National Basketball Association (NBA) am 9. Februar 2023. Während es sich sportlich in der Liga ziemlich wild abspielt, laufen im Hintergrund längst Gespräche über Tauschgeschäfte. Für viele Spieler heißt das auch zittern, wohin es im neuen Jahr geht. Vom sonnigen Westen in den kalten Osten? Oder vielleicht von Kanada nach Florida? Nicht jeder wird glücklich, nur eine Handvoll Spieler wie etwa der US-Star Lebron James oder der Grieche Giannis Antetokounmpo sind quasi unverkäuflich.

Das Millionengeschäft ist gnadenlos, manche Klubmanager veräußern ihre Spieler eiskalt. Danny Ainge, mittlerweile General Manager der Utah Jazz, tradete einst Point Guard Isaiah Thomas von Boston nach Cleveland, nachdem Thomas ein starkes Playoff gespielt hatte und obwohl dessen Schwester bei einem Autounfall gestorben war und der Profi sich schwer an der Hüfte verletzt hatte.

Keine Perspektive in Texas

Ein Wechsel von Jakob Pöltl wäre natürlich kein Drama. Der 27-jährige Wiener ist nicht unverkäuflich, aber er ist auch längst nicht mehr irgendwer in der Liga. 12,9 Punkte, 9,9 Rebounds und 3,5 Assists im Schnitt legt Pöltl diese Saison auf, fast durchgehend Karrierebestwerte. Ende November humpelte er bei seinem 300. Einsatz für die San Antonio Spurs nach einem Dunk gegen die Los Angeles Lakers in die Kabine. Die jüngste 112:128-Niederlage gegen die Portland Trail Blazers war die siebente Partie in Folge, die Pöltl verpasste. Nach außen kommuniziert der Verein nichts, ist vergleichbar mit dem nordkoreanischen Pressebüro. Es soll sich um eine nicht näher erörterte Knieverletzung handeln.

Die Spurs sind mit einer Bilanz von neun Siegen und 19 Niederlagen Letzte der Western Conference und eines der schlechtesten Teams der gesamten Liga – und damit voll im Tanking-Modus, auch wenn das weder Pöltl noch seine Vereinskollegen jemals zugeben würden. Sprich: Das Motto lautet verlieren, verlieren, verlieren, um beim Draft im Juni die besten Chancen auf den Preis des Jahrhunderts zu haben: Victor Wembanyama, 18 Jahre alt, 2,23 Meter groß und das größte Basketball-Versprechen seit LeBron James. Der Franzose ist riesig, beweglich und kann herausragend werfen.

Ein Pokerspiel

Nun ja, Jakob Pöltl ist mit 2,13 Meter auch kein Zwerg, ebenfalls beweglich und verfügt über einen guten Wurf, wenn auch nur in Korbnähe. Er gilt als einer der besten Defensivspieler der Liga. Und er ist der perfekte Angestellte, wie ihn sich jede Firma wünscht: Macht die Drecksarbeit und muss nicht im Vordergrund stehen. Zwei Teams, die sich um ein Engagement Pöltls bemühen sollen, sind die Golden State Warriors und die Toronto Raptors.

Die Kanadier, bei denen Pöltl seine ersten zwei Jahre als NBA-Profi verbrachte, spielen meist mit einer kleinen Aufstellung, haben Probleme am Offensiv-Rebound, geben dem Gegner selbst zu viele zweite und dritte Wurfchancen. Diese Probleme könnten die Raptors mit Pöltl ein Stück weit lösen, sie bieten für Österreichs NBA-Star im Gegenzug aber nur einen zukünftigen Erstrunden-Pick und ein oder zwei Spieler mit moderaten, auslaufenden Verträgen. Ein maues Angebot. Interessanter wäre schon ein Wechsel zum aktuellen NBA-Champion Golden State nach San Francisco. Die Warriors würde gerne James Wiseman, ihren enttäuschenden zweiten Draftpick aus dem Jahr 2020 loswerden.

Die Spurs wollen aber weder Wiseman noch weitere Talente der Warriors, die ihr Versprechen nicht einlösen konnten. Für einen Pöltl-Deal verlangen die Texaner mehr Pokerchips auf dem Tisch. Weitere potenzielle Tauschpartner sind die Portland Trail Blazers und die Boston Celtics. Beide Mannschaften sind reich an Guards und Forwards, aber verletzungsanfällig auf der Center-Position.

Gelassenheit

Für Pöltl geht es à la longue um viel Geld. Sein Vertrag bei den Spurs über drei Jahre und rund 26 Millionen Dollar läuft aus, ein Verbleib gilt als unwahrscheinlich. Im Sommer winkt ein neuer, deutlich höherer Deal, bei welchem Verein auch immer. Sportlich gibt es in dieser Saison bei den Spurs keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. Aber, wer weiß, vielleicht mischt Pöltl im Frühjahr an einem anderen Ort um den Titel mit?

Die NBA ist ein großes Kasino, Pöltl könnte sich im Sommer als "unrestricted free agent" erstmals in seiner Karriere den Verein selbst aussuchen. Der Wiener gibt sich jedenfalls gelassen: "Ich glaube, dass ich mich auch bei anderen Mannschaften durchsetzen könnte." Sportlich sollte die Situation halt passen. "Es geht mir auch nicht darum, noch ein paar Millionen extra herauszukitzeln." (Florian Vetter, 15.12.2022)