Yan Bingtao im Einsatz bei der Snooker-WM 2022.

Foto: APA/AFP/OLI SCARFF

Liang Wenbo war der erste von sieben Spielern, die seit Oktober gesperrt wurden.

Foto: imago images/Xinhua

Snooker gilt als Gentlemen-Sport. Die Spieler begegnen einander höflich, respektvoll, oft gar zuvorkommend. Die Fairness wird stärker gewichtet als in anderen Disziplinen. Dazu herrschen Kleidervorschriften, gespielt wird in Anzughose, Hemd, Gilet und Mascherl. Ausgerechnet in diesem edlen, malerischen Sport soll betrogen und Matches sollen manipuliert worden sein. Snooker wird von einem Skandal heimgesucht.

Am Montag wurde der Chinese Yan Bingtao, die aktuelle Nummer 16 der Welt, von der World Professional Billiards and Snooker Association (WPBSA) gesperrt. So wie sechs weiteren Spielern seit Oktober wird Yan Spielmanipulation vorgeworfen: Er soll geschummelt haben, um Gewinne über Wetten zu lukrieren. Details sind noch nicht bekannt. Diese Woche hätte er bei den English Open in Brentwood antreten sollen. Anstatt an den Snookertisch zu gehen, musste der 22-Jährige zur Einvernahme beim Disziplinarchef der WPBSA. Nach dem Gespräch wurde Yan ein Berufsverbot auferlegt.

"Das ist ein richtig schlechter Tag", sagt Jimmy White, eine tragische Legende des Sports, sechsfacher WM-Finalist, nie reichte es für einen Titel. Er ist erschüttert, sorgt sich um die Branche und sagt: "Das muss verschwinden. Du darfst keine schrägen Geschäfte machen. Das muss ausgebügelt werden."

Snookermillionär

Wäre die World Snooker Tour ein Orchester, würde Jason Ferguson quasi das erste Bügeleisen spielen. Er ist Vorsitzender der WPBSA und bemüht, die Wogen zu glätten. "In 99,999 Prozent der Fälle werden Matches im besten Sportgeist ausgetragen", sagte er der BBC. Es sollten aber 100 Prozent sein.

Ferguson wolle den Fall aufklären, versucht es aber auch mit Whataboutism: "Jede Sportart hat Leute hinter den Kulissen, die versuchen, den Livesport zu korrumpieren. Das passiert ständig. Wir werden uns um unseren Fall kümmern und die Verfehlungen ans Licht bringen."

Yan Bingtao, Spitzname "The Tiger", gilt als potenzieller Star der Zukunft. 2021 gewann er das Masters, neben der WM und der UK Championship eines der drei prestigeträchtigsten Turniere im Snooker. Bei vier anderen Ranglistenturnieren stand er im Finale. Yan hat in seiner jungen Karriere bereits gutes Geld verdient mit seinem Sport, mehr als eine Million Pfund allein an Preisgelder. Es wäre gut vorstellbar gewesen, dass er 20 weitere Jahre auf der Profitour antritt. Im Snooker ist es vorstellbar, auch mit 50 große Erfolge zu feiern.

Die Sperre Yans resultiert aus Ermittlungen, die im Oktober begonnen haben. Damals wurde mit Liang Wenbo ein erster Spieler von der Profitour ausgeschlossen. Die Auswertung von Chatverläufen und Anruflisten hat die Spur zu weiteren Spielern offenbart. Am vergangenen Freitag wurden Lu Ning, Li Hang, Zhao Jianbo, Bai Langning und Chang Bingyu gesperrt. Sie zählen zwar nicht zur Weltspitze, sind als chinesische Nachwuchsspieler aber bei den größten Turnieren der Welt im Einsatz. Der am Montag gesperrte Yan ist der bis dato größte Fisch im Wettsumpf.

Die Liste der Beschuldigten könnte auf einen Ring an Betrügern, auf eine Wettmafia hindeuten. Chang Bingyu wirft Liang Wenbo vor, von ihm am Telefon bedroht worden zu sein. Wenn er gegenüber dem Snookerverband nicht stillhalte, könne es für Chang ungemütlich werden, soll Liang gesagt haben. Chang veröffentlichte die Vorwürfe auf dem chinesischen sozialen Netzwerk Weibo.

Kurze Wege

Es handelt sich um Gerüchte, für Liang gilt wie für die anderen Beteiligten die Unschuldsvermutung. Fest steht: So gut wie alle Turniere werden von Wettanbietern gesponsert. Das ist kein exklusiver Trend im Snooker, der Weg vom Profisport zum Wettbusiness ist ein kurzer.

Ob sich der Skandal noch ausweiten wird, ist unklar. "Wir sehen keine unmittelbaren Auswirkungen", sagt WPBSA-Chef Ferguson. "Fans kaufen Tickets für Turniere, Sender zahlen für TV-Rechte." Die Welt dreht sich weiter, the show must go on. Die Wahrheit ist auch: Die Ermittlungen dauern an. (Lukas Zahrer, 14.12.2022)