Mit Zigarette und Weinflasche am Lehrerpult: So kannte man Norbert C. Kaser, der als Bürgerschreck das katholisch-konservative Südtirol aufs Korn nahm.

Haymon-Verlag / Hannelore Bachheimer

Als Norbert C. Kaser 1978 im Alter von nur 31 Jahren an den Folgen einer Leberzirrhose starb, hinterließ er kein einziges gedrucktes Buch, aber ein literarisches Vermächtnis, an dem à la longue auch die vom Südtiroler Dichter gescholtenen "kulturbefleißer" und "hosenscheißer" nicht vorbeikamen. Längst gilt Kaser als Schlüsselfigur der neuen Südtiroler Literatur, gegen das Alte, sprich: die von süßlich-reaktionärem Patriotismus getränkte Heimatdichtung, hatte er bereits als 21-Jähriger scharf polemisiert und empfohlen, den Tiroler Adler "wie einen Gigger zu rupfen und ihn schön langsam über dem Feuer zu drehen". Seine berühmt-berüchtigte Brixner Rede von 1969 löste einen Sturm der Entrüstung aus, den insbesondere die katholisch-konservative Südtiroler Presse eifrig übers Land blies.

Die literarische Anerkennung, die Kaser zu Lebzeiten versagt blieb, stellte sich posthum zunächst mit in Kleinverlagen publizierten Gedichtbänden ein, es folgten zahlreiche weitere Anthologien und eine bei Haymon herausgegebene dreibändige Werkausgabe, gegliedert nach Prosa, Lyrik und Briefen.

Im April dieses Jahres hat sich der Geburtstag des Dichters zum 75. Mal gejährt, das Museum Absam zeigt aus diesem Anlass eine von Kaser-Biograf Benedikt Sauer und Christine Riccabona ursprünglich für das Innsbrucker Brenner-Archiv gestaltete Ausstellung, über der nun im Kontext eines vielfältigen Begleitprogramms auch die (unausgesprochene) Frage schwebt, wie es denn um die am gesellschaftlichen und politischen Diskurs interessierte Gegenwartsliteratur bestellt ist.

1967 als Schlüsseljahr

Bei Kaser anzuknüpfen ist jedenfalls nicht verkehrt, "über allem schwebt der henngeier" heißt es in seinem lied der einfallslosigkeit, aus seinen "stadtstichen" trieft Spießbürger- und Tourismuskritik. Seinen "Eintritt in die Literatur" hatte Kaser selbst auf das Jahr 1967 datiert, der zweifach an der Matura Gescheiterte arbeitete damals als Bergschullehrer in Laas, später auch in anderen Südtiroler Ortschaften, oft mit der Weinflasche auf dem Lehrerpult und mit eigens für die Schüler verfassten Texten gegen die "noch nutzloseren Mythisierungen des Tiroler Bauernstandes".

In Laas fiel der Blick des jungen Dichters bereits 1968 vor allem auch auf die sozialen Verhältnisse hinter dem strahlend weißen Marmor, der dort abgebaut und exportiert wird: "kuwait und new york / wissen marmor zu schaetzen / doch heute liegt er in bergen / vor dem anschlußgleis / arbeiter nagen an den fingernaegeln / ihre kinder auch / ihre frauen / wissen nicht was kochen / der brach ist wie ein grab- / mahnmal der Wirtschaft", heißt es in einem "den laasern" gewidmeten Gedicht.

Man kann diesen und andere Texte im eigenen Museumspodcast auch nachhören – ebenso wie die drei Stücke für gemischten Chor, die Bert Breit nach Gedichten von Norbert C. Kaser komponiert hat. (Ivona Jelcic, 14.12.2022)