Massagepistolen sind noch wenig wissenschaftlich erforscht, aber Erfahrungswerte zeigen positive Effekte.

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Wer in letzter Zeit durch Instagram oder Tiktok gescrollt ist, kam nicht an ihnen vorbei: Massagepistolen sind gefühlt überall. Prominente Sportlerinnen und Influencer werben für die Tools, die gegen Verspannungen im Nacken oder Muskelkater helfen und Entspannung bringen sollen.

Vor allem in der Vorweihnachtszeit boomt der Verkauf. Massagepistolen sind zum beliebten Geschenk geworden – wenig verwunderlich, scheinen sie doch für nahezu jeden und jede ein passendes Präsent zu sein. Schließlich leidet die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher einmal pro Woche unter Rückenschmerzen. Fast ein Viertel hat sogar täglich Schmerzen, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. 62 Prozent spüren vor allem den unteren Rücken, 49 Prozent leiden unter Verspannungen im Nacken, und bei 33,4 Prozent schmerzt der Schulterbereich, wie eine Studie des Online-Marktforschers Marketagent zeigt.

Die Ursachen für Rücken- und Nackenschmerzen sind vielfältig: Es können zum Beispiel Fehlhaltungen, Muskelschwäche, Bandscheibenvorfälle, ein Beckenschiefstand oder eine Enge im Wirbelkanal zu Verspannungen führen. Auch eine Kieferfehlstellung und damit verbundenes Zähneknirschen kann für die Beschwerden verantwortlich sein. Die Muskeln im Kauapparat sind mit jenen des Nackens verbunden und können dort Verspannungen verursachen.

Meist liegt es aber an zu langem und falschem Sitzen in Kombination mit zu wenig Bewegung. Durch eine schiefe Haltung wird der Kopf nicht mehr vom Körper, sondern nur noch vom Hals getragen. Diese Belastung führt auf Dauer zu Blockaden in den Wirbelgelenken. Die Muskulatur spannt sich in diesem Bereich dann an, wird dicker und drückt auf die Nerven. Die daraus entstehenden Schmerzen lassen die Muskeln weiter verspannen, wodurch der Druck auf die Nerven noch höher wird – ein Teufelskreis.

Kaum wissenschaftliche Evidenz ...

Massagepistolen und die lokal angewandte Vibration als Therapiemaßnahme sind in dem Zusammenhang noch wenig wissenschaftlich erforscht, aber es gibt erste empirische Daten und Erfahrungswerte zu positiven Effekten. "Diese gezielt angewendeten Vibrationen wirken direkt aufs Gewebe und können dadurch verspannte Muskelpartien lockern oder ‚verklebte‘ Bindegewebsanteile, die sogenannten Faszien, lösen. Die Durchblutung wird verbessert, Schwellungen werden vermindert, Schmerzen reduziert und die Regeneration nach Belastungen oder Anstrengungen ist beschleunigt", erklärt Richard Crevenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der Med-Uni Wien.

… aber positive Erfahrungswerte

Die Energie, die durch die Massagepistolen auf den Körper übertragen wird, ähnle Anwendungen aus der sogenannten Mechanotherapie – das ist ein Begriff für all jene Therapieformen, die mit mechanischen, physikalischen Reizen arbeiten, also etwa Vibrationstherapie, Stoßwellentherapie oder Massagen. "Solche Geräte können die Muskulatur vor oder nach einem Training aktivieren bzw. lockern. Eine Anwendung bei bereits bestehendem Muskelkater ist dagegen nicht empfohlen, da diese zu zusätzlichen lokalen Reizungen und Schmerzen führen kann. Außerdem kann die Anwendung den venösen Abtransport fördern, das heißt, den Körper schneller von Giftstoffen befreien", berichtet Crevenna. Die positiven Auswirkungen liegen trotz noch mangelnder wissenschaftlicher Evidenz auf der Hand.

Der Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation hat sich auch selbst eine Massagepistole für die private Anwendung angeschafft: "Als Facharzt kann ich die Massagepistole sinnvoll und sicher einsetzen. Für Menschen ohne entsprechende Kenntnisse empfehle ich den Einsatz entsprechender Geräte nur bei voller Gesundheit bzw. ausschließlich bei funktionellen Beschwerden im Wellness- und Sportbereich unter besonderer Beachtung der Vorgaben der Gerätehersteller", sagt Crevenna. Bei Symptomen nach Verletzungen oder Erkrankungen ist vor dem Einsatz in jedem Fall fachärztliche Hilfe einzuholen.

Und darüber hinaus ist für manche Personengruppen Vorsicht geboten: "Für onkologische Patientinnen und Patienten oder Menschen mit Gelenksimplantaten, Herzschrittmachern oder ausgeprägter Osteoporose ist die Anwendung nicht empfohlen. Während einer Schwangerschaft oder bei Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten sollte das Verwenden von Massagepistolen fachärztlich abgeklärt werden. Außerdem sollten derartige Geräte nicht von beziehungsweise an Kindern angewendet werden." (poem, 17.12.2022)