Fete der Objekte: Üppig dekorierte Möbelstücke sowie ein "Austria-Kostüm" samt k. u. k. Doppeladler vor einer zeitgenössischen Wandinstallation aus Karton und Pokalelementen.
Foto: MAK / Markus Krottendorfer

Unglaubliche 2923 Saiblinge und 30 ganze Rehe mussten für den 26. August 1571 nach Wien geliefert werden. Man scheute keine Kosten und Mühen für die Hochzeit des Habsburgers Erzherzog Karl II. von Innerösterreich mit der Prinzessin Maria Anna von Bayern. Karl nahm sogar ein Darlehen auf, um die immensen Kosten des mehrwöchigen Festaktes bezahlen zu können. Kupferstiche und ein Erinnerungsbuch dokumentieren die dekadenten Auswüchse samt Kostümumzug, Turnier und Feuerwerk. Geplant wurden die üppigen Festivitäten übrigens von einem Pritschenmeister – dem historischen Vorbild eines "Wedding-Planners".

Wie reich fürstliche Hochzeiten im 16. Jahrhundert ausgestattet waren, macht auch das Hochzeitskleid der gemeinsamen Tochter Maria Christierna etwa 20 Jahre später deutlich, an das ein Gemälde erinnert. Die goldenen Medaillons wurden nach Annullierung der unglücklichen Ehe abgenommen und zu einem Hostienkelch umgearbeitet – die Braut war in ein Frauenstift eingetreten. Dieses Ensemble zerlegte man jedoch später zu Forschungszwecken. Jener selten gezeigte "Haller Schmuck" liegt nun zentral aufgebahrt als Prunkstück in der neuen Themenschau im Museum für angewandte Kunst (Mak) in Wien.

Prunkstück: Rosette aus dem Haller Schmuck (1570–1580) aus Gold, Email, Rubin und Perle.
Foto: MAK / Georg Mayer

Unter dem nachträglich sogar mit englischem Artikel versehenen Titel The Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr eröffnet nicht nur die erste Großausstellung unter der neuen Direktorin Lilli Hollein, sondern auch eine gestalterische Zeremonie, die sich zu zwei Dritteln aus der Museumssammlung speist: Von kaiserlichem Porzellan über Wiener Kostümierungen bis zu politischen Festen und zeitgenössischer Clubkultur wird in der großen Halle ein Bogen von der Vergangenheit bis ins Heute gespannt – und somit ein Vorhaben Holleins umgesetzt. Was angewandte Kunst alles sein kann, macht der ausschweifende Parcours durch die Geschichte des Feierns klar, ohne Vollständigkeit zu suggerieren.

Partytiere aus Porzellan

Trotz der insgesamt über 650 gezeigten Objekte weist die Ausstellung eine gewisse Leichtigkeit auf, fast unbekümmert und in Schale geworfen, präsentiert sie sich den Gästen. Zwischen doch überwiegend historische Werke wie einem prächtigen "Königskopfschlitten" aus dem 18. Jahrhundert – oder, wie Hauptkuratorin Brigitte Felderer sagt, "dem Bugatti des Rokoko" – mischen sich Arbeiten zeitgenössischer Künstler und Künstlerinnen, ohne zu stören. Außer man will genau das: wenn zu Beginn eine scheinbar schwebende Spiegelwand des Duos Nicole Six und Paul Petritsch auf die Betrachterin zufährt und einem das eigene Spiegelbild entgegenwirft. Feste feiern heißt immer auch Selbstversicherung in einem sozialen Gefüge.

Frech: Die Figuren des "Zwettler Tafelaufsatzes" (1768) wurden von Thomas Hörl feierlich dekoriert.
Foto: MAK / Georg Mayer

Immer wieder begegnen einem Werke, die mit ihrer Umgebung in Kontakt treten wollen, wie ein bis zum Boden hängender und in Morsecode leuchtender Luster aus Murano-Glas von Cerith Wyn Evans. Feiern die Objekte etwa eine eigene Fete und mischen sich wild untereinander? Siehe da: Wie nach einer bunten Faschingsfeier wurden die Porzellanfiguren des meterlangen Zwettler Tafelaufsatzes aus dem Jahr 1768 von Thomas Hörl mit frechen Kragen oder Umhängen geschmückt. Und wie zufällig verteilte, sehr witzige Fotos von Maria Ziegelböck rufen: Hallo, ihr Partytiere!

Wer ist eingeladen?

Einer der stärksten Dialoge ist jener zwischen prunkvollen "Exzessmöbeln", einem "Austria-Kostüm" und einer von Peter Sandbichler und Patrick Rampelotto gestalteten Wandinstallation aus Karton und Pokalelementen (Bild). Sandbichlers Arrangements aus upgecycelten Fahrradverpackungen ziehen sich durch die gesamte Ausstellung, sei es als Sitzbank oder als tiefergelegte Zimmerdecke. Ein Kontrast, der dem teils argen Überfluss guttut.

"Reclaim the Streets": Fotografische Dokumente von Chris Groner aus den 90ern in London.
Foto: Chris Groner

In einer daraus geformten Nische läuft die Videoarbeit Un Ballo in Maschera des britisch-nigerianischen Künstlers Yinka Shonibare, in der eine in vermeintlich afrikanische Stoffe gekleidete Gesellschaft tanzt und so Kritik an kolonialer Macht und kultureller Aneignung aufgreift. Feste schließen immer auch aus: Wer ist eingeladen? Wer darf teilnehmen? Wer gehört dazu?

Jenen negativen Seiten des Feierns steht der lauteste Teil der Schau als freizügiges Pendant gegenüber. Dort kommt vieles zusammen: An einer roten Wand wird anhand von Dokumenten an die Entstehung der feierlichen Märsche zum politischen 1. Mai erinnert, zu dem sich ab den 1890er-Jahren Menschenmengen auf öffentlichen Plätzen versammelten, um für ihre Rechte als Arbeiter einzutreten. Unweit davon knüpfen Videos von Aktionen aus dem London der 1990er-Jahre daran an, wo Protestierende den öffentlichen Raum einnehmen und auf gesperrten Straßen tanzen und feiern.

Exzess-Experten mit Popsch: "Qu’ils mangent de la brioche" von der Wiener Künstlergruppe Gelatin.
Foto: Gelatin / Perrotin, Paris

Freiheit, Körper, Techno

Wie wichtig Clubs als geschützte Räume und Ausdrucksorte ultimativer Freiheit sind, veranschaulichen die Videos von Bogomir Doringer, die Dancefloors samt zappelnder Partymeute aus Vogelperspektive filmen. In einem dunklen Raum im Mak geht es auch zur Sache, wo eine Fashion-Show des Labels Sports Bangers samt Technomusik läuft.

Wenn auch das Ende der Ausstellung mit Plakaten und Kostümen von Künstlerfesten – von Secessionisten bis Exzessexperten Gelatin – und einem Modell der Berliner Club-Ikone Berghain etwas zusammengewürfelt endet: Diese Premiere ist sehr gelungen. Hier tanzen immerhin die sonst so braven Porzellanfigürchen auf den Tischen. Samt Miniatur-Partyhüten. (Katharina Rustler, 13.12.2022)