Umwelttechnologin Renate Weiß arbeitet daran, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
Foto: Richarda Kunzl

Studieren war für Renate Weiß keineswegs eine Selbstverständlichkeit: "Mir wurde in der Volksschule oft gesagt, dass ich aus einem bildungsfernen Elternhaus stamme." Die Tochter einer Näherin und eines Baggerfahrers wächst in einem 100-Seelen-Dorf in Niederösterreich auf. Die Eltern betreiben eine kleine Landwirtschaft.

"Meiner Mutter war es jedoch immer wichtig, meiner Schwester und mir Wissen zu vermitteln. Anstelle von Gute-Nacht-Geschichten hat sie uns deshalb ab einem gewissen Alter aus dem Lexikon Das große Buch des Wissens vorgelesen." In Weiß weckt dieses abendliche Ritual ein anhaltendes naturwissenschaftliches Interesse.

Doktorarbeit mit Auszeichnung

Mit 14 Jahren steht für sie fest, dass sie keine Lehre, sondern die Matura machen und studieren möchte: "Anfangs waren meine Eltern unsicher und zögerten, aber ich muss wohl ziemlich stur gewesen sein." Am letzten Tag vor Fristende melden sie ihre Eltern schließlich am Gymnasium an. In der Oberstufe erkennen ihre Lehrerinnen und Lehrer ihr Potenzial und fördern sie gezielt.

Schlussendlich besteht Weiß, allen anfänglichen Zweifeln zum Trotz, die Matura mit Auszeichnung. Nach dem Schulabschluss folgt ein Studium der Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Als ihr eine vom Land Niederösterreich geförderte Dissertationsstelle am Lehrstuhl für Umweltbiotechnologie angeboten wird, muss Weiß ihre Masterarbeit binnen weniger Tage fertigstellen. Damit sie rechtzeitig fertig wird, schläft sie kurzerhand im Büro.

Der Arbeitsaufwand hat sich bezahlt gemacht: Mitte November konnte Weiß den Impact Award für ihre Doktorarbeit entgegennehmen – ein Höhepunkt in ihrer Karriere. Die Auszeichnung wird von der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich an Forschungsprojekte vergeben, die für die Allgemeinheit von besonderer Relevanz sind. Im Fall von Weiß gelang das gleich doppelt.

Bodenverbesserer aus Papier- und Schlachtabfällen

Im ersten Teil ihrer Doktorarbeit beschäftigte sich die Umwelttechnologin mit der Herstellung von Enzymen aus Abfallprodukten: Zum einen Schweineblut, das in Österreich hauptsächlich als Schlachtabfall ausgeführt wird, zum anderen Zelluloserestfasern, ein Abfallprodukt der Papierindustrie. Mit den gewonnenen Enzymen können aus Nebenprodukten Polymere aufgebaut werden.

Aus Lignin, verantwortlich für die braune Farbe von Holz, konnte Weiß in der zweiten Hälfte ihres Projekts einen umweltfreundlichen Bodenverbesserer entwickeln. Dieser ermöglicht die langsame Abgabe von Nährstoffen in den Boden, wodurch auch Düngemittel eingespart werden können.

Inzwischen ist Weiß Teil eines EU-weiten Projekts zur Einsparung von Düngemitteln und Verbesserung der bewirtschafteten Böden. Für sie steht fest: "Viele Menschen sind mittlerweile zu weit weg von der Natur. Ich persönlich möchte diesen Planeten jedoch mit dem Gefühl verlassen, nichts schlechter gemacht zu haben." (Anna Tratter, 17.12.2022)