Darts-Fans verkleiden sich gerne, kleben sich Schnurrbärte ins Gesicht, sind dem einen oder anderen Schluck oft nicht ganz abgeneigt und bejubeln jeden 180er.

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Mensur Suljovic aus Wien hat ein "ganz schlechtes Jahr" hinter sich.

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Das Jahr des Titelverteidigers Peter Wright war "offensichtlich furchtbar".

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Fallon Sherrock, die 2019 gegen Suljovic gewann, ist zum dritten Mal dabei.

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"Ich hab null Erwartungen, kann mich nur selber positiv überraschen!" So hört sich Mensur Suljovic im Dezember nicht selten an. Das hat nichts mit Weihnachten zu tun, sondern nur mit der Darts-WM, die im Gegensatz zur Fußball-WM traditionell um diese Jahreszeit steigt. Im Ally Pally, wie der Londoner Alexandra Palace im Volksmund heißt, spielt es sich ab Donnerstag ordentlich ab. Finalisiert wird am 3. Jänner, bis dahin werden bis zu 3000 verkleidete und singende Fans den Ally Pally in ein Tollhaus verwandeln und jeden 180er ("Onehundredandeighty!"), die Punktehöchstzahl mit drei Würfen, frenetisch bejubeln.

Die WM wird heuer zum 30. Mal aufgelegt, sie ist mit 2,5 Millionen Pfund dotiert, der Sieger streift immerhin 0,5 Millionen ein. Diese Summen sind es nicht, weshalb die Titelkämpfe nicht Suljovic’ Sache sind. "Ich weiß nicht, woran es liegt. Aber bei der WM krieg’ ich meistens Panik", sagt der 50-Jährige, der gebürtiger Serbe ist und seit 1993 in Wien lebt. Noch nie kam er bei der WM übers Achtelfinale hinaus, dabei zählte er ab 2015 zu den besten Spielern der Darts-Welt. Suljovic, den sie "The Gentle" nennen, stapelt immer tief, das ist so seine Art. So tief wie dieses Mal ist das Stapeln aber noch nicht gegangen. "A schlechtes Jahr war das", sagt er dem STANDARD, "a ganz schlechtes Jahr."

Ein Freilos

Monatelang hatte er gesundheitliche Probleme, er führt sie auf seine erste Corona-Impfung zurück, danach habe es ihm "einen Stesser" versetzt. Er sei müde gewesen, habe sich kaum auf den Beinen halten können, hochdotierte Turniere verpasst. "Das hat mich viel Geld gekostet", sagt er, der froh sein musste, sich in der Weltrangliste als 30. unter den Top 32 zu halten.

Damit hat er in der ersten Runde ein Freilos. Im Gegensatz zum zweiten Österreicher bei der WM, zu Rowby-John Rodriguez (WRL-56.), der am Freitag schon im Einsatz ist, steigt Suljovic erst am 22. Dezember ins Turnier ein. Da trifft er entweder auf den Belgier Mike De Decker oder den Kanadier Jeff Smith. "Es wird hart", sagt er. "Aber wenn ich mein erstes Duell gewinne, ist alles möglich. Dann krieg’ ich hoffentlich das Gefühl, dass ich wieder der Alte bin." In Runde drei würde, wenn es nach der Papierform geht, so oder so der Topfavorit warten. Michael van Gerwen ist nach einer Formkrise wieder top, der Niederländer hat heuer drei Major-Titel gewonnen und greift nach seiner vierten WM-Krone.

An die dritte Runde denkt Suljovic noch lange nicht. Er denkt an seinen Puls. Der habe lange verrückt gespielt. "Die Schwankungen waren eine Zeitlang ein Wahnsinn, vor allem nach unten. 49 Puls hab’ ich gehabt, im Spital haben sie mich gefragt, was ich beruflich mach, Darts-Spieler wollten sie mir fast nicht glauben." Dass er in den vergangenen Wochen wieder gut trainieren konnte, stimmt ihn immerhin "ein bisserl positiv. Vielleicht werde ich bis zur WM ja noch richtig fit." Nachsatz mit Augenzwinkern: "Wobei, dann hätt’ ich ja gar keine Ausrede mehr."

Ausreden hat auch Peter Wright nicht nötig, die ganze Darts-Welt weiß, was den schottischen Titelverteidiger mit der markanten Irokesenfrisur beschäftigt. Seine Frau Joanne ist schwer krank, Wright hat etliche Turniere ausgelassen, um bei ihr zu sein, und wenn er doch angetreten ist, war er mit dem Kopf nicht bei der Sache. "Mein Jahr ist bisher ganz offensichtlich furchtbar", sagte der 52-Jährige bei Sport 1: "Wahrscheinlich das schlechteste Darts-Jahr, das ich seit vielen Jahren gespielt habe."

Drei Frauen

Einerseits lassen Kapazunder wie Van Gerwen, Gerwyn Price oder Raymond "Barney" van Barneveld nicht locker. Andererseits drängen Talente wie Junioren-Champ Josh Rock (21) nach. Der Nordire war kürzlich beim Grand Slam of Darts in Wolverhampton zum ersten Mal im TV mit einem "Nine dart finish" zu sehen, unterlag Van Gerwen im Achtelfinale nur knapp mit 8:10.

Erstmals treten gleich drei Frauen bei der WM an: Fallon Sherrock, Lisa Ashton und Beau Greaves. Sherrock, "Queen of the Palace", ist zum dritten Mal dabei. 2019 hat die Engländerin als erste Frau eine Begegnung der PDC-WM gewonnen, gegen ihren Landsmann Ted Evetts. Bei diesem Sieg ist es nicht geblieben, Sherrocks nächstes Opfer war just Mensur Suljovic, der sich mit 1:3 geschlagen geben musste und sprach: "A schlechtes Spiel, a ganz schlechtes Spiel war das." (Fritz Neumann, 15.12.2022)