Im Gastblog schreibt Rechtsanwältin Piroska Vargha über Unterhaltsfragen im Kontext von angeordneter Erziehungsberatung.

Es ist eine alte Weisheit, dass man ohne Führerschein kein Kfz lenken darf, jedoch ohne jede besondere Vorbereitung die Elternverantwortung übernehmen kann (und muss). Oft wird erst bei Auflösung einer Ehe und Regelung der Obsorge für gemeinsame Kinder die Frage aufgeworfen, ob ein Elternteil überhaupt in der Lage ist, den Kontakt mit dem Kind auf eine gedeihliche Art zu pflegen.

Konfliktbelastete Situationen dauern zum Zeitpunkt der Trennung von Eltern meist schon lange an, und diese Konflikte können durch bloße juristische Entscheidungen oft nicht aus der Welt geschafft werden. Das kann insbesondere die im Zuge der Trennung aufgestauten Emotionen gegenüber dem anderen Elternteil betreffen, die nicht auf das Kind übertragen werden sollen, aber auch andere belastende Verhaltensmuster, die dem Kindeswohl schaden könnten.

Angeordnete Erziehungsberatung muss bezahlt werden. Wirkt sich dieser Kostenpunkt auf die Unterhaltsbemessung aus?

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Um sicherzustellen, dass einerseits die Kontakte zwischen dem nicht hauptsächlich betreuenden Elternteil und dem Kind nicht abreißen, andererseits aber das Kind auch von inneren und äußeren Konflikten der Erwachsenen verschont bleibt, hat der Gesetzgeber den Gerichten unterschiedliche Hilfsmittel in die Hand gegeben. So kann das Gericht verfügen, dass Kontakte vorläufig nur im Setting eines "Besuchscafés" (unter Aufsicht von Fachleuten) stattfinden. Das Gericht kann Eltern aber auch temporär zur Teilnahme an einer Familien-, Eltern- oder Erziehungsberatung verpflichten, zum Beispiel in Form von Beratungsstunden bei klinischen und Gesundheitspsychologen.

Diese Lösungswege kosten natürlich Geld, im Fall eines Kontaktrechts im Besuchscafé knapp über 400 Euro im Monat. Geschiedene Elternteile, die mit dem Kind nicht in einem Haushalt leben, finden sich dann oft in der Lage wieder, einerseits Unterhalt für das Kind zu zahlen, andererseits aber auch die Kosten dieser auferlegten Maßnahmen der "Erziehungsnachhilfe" bezahlen zu müssen.

Konsequenzen für den Unterhalt

Logisch erscheint daher die Frage der Betroffenen, ob diese Zusatzkosten nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können, aus der die Unterhaltsverpflichtung berechnet wird. Insbesondere, wenn sich nach einer Zeit herausstellt, dass die Anordnung auf unrichtigen Angaben des Ex-Partners oder der Ex-Partnerin oder überzogenen Annahmen des Gerichts beruhte und beendet werden kann.

Kindesunterhalt wird einerseits nach dem Bedarf des Kindes, andererseits nach der Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen bemessen. Bei Angestellten wird zum Beispiel ausgehend vom durchschnittlichen Nettoeinkommen des letzten Jahres (inklusive Vermögenserträgen und Sozialleistungen) und unter Berücksichtigung anderer Sorgepflichten etc. ermittelt, wie viel der Unterhaltspflichtige zu leisten vermag, bevor seine Belastbarkeitsgrenze erreicht ist.

Jede Besuchsrechtsausübung verursacht gewisse Kosten, man denke nur an Fahrt- und Unterkunftskosten (auch über Bundesländergrenzen hinweg) oder Ausgaben für Unternehmungen mit dem Kind oder dessen Verpflegung. Solche Kontakt- oder Besuchskosten sind also grundsätzliche, quasi "systemimmanente" Kosten. Sie können nur dann von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden, wenn sie außergewöhnlich hoch sind und dem Unterhaltspflichtigen ohne die Reduktion nicht einmal ein Existenzminimum für die Deckung des eigenen Lebensunterhalts verbleiben würde.

Anders als bei den "üblichen" Kontakt- und Besuchskosten sind die Aufwendungen für Erziehungsberatung aber immer außergewöhnliche Belastungen, die für die betroffene Person auch unvermeidlich sind. Wurde eine solche Auflage einmal angeordnet, kann sie nämlich durch das Gericht auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Wer die Kosten für angeordnete Erziehungsberatung zu tragen hat, ist durch das Gesetz nicht geregelt. Die Literatur vertritt hier die Ansicht, dass "Kurse" (zu denen auch die Erziehungsberatung eines einzelnen Elternteils gezählt werden kann) von derjenigen Person zu zahlen sind, die sie besucht.

OGH-Urteil: Rahmenbedingungen ausschlaggebend

Der OGH hat nun in einem jüngst entschiedenen Fall (OGH 9 Ob 30/22k) eine bemerkenswert nuancierte Entscheidung zu einem solchen Sachverhalt getroffen und auch ausführlich begründet, warum der Fall noch einmal an die erste Instanz zurückgeht:

  • Will eine unterhaltspflichtige Person besondere Ausgaben geltend machen und wegen ihnen weniger Unterhalt zahlen, dann wird zunächst untersucht, ob es sich um Kosten handelt, die auch ein pflichtgemäßes Elternteil in einer intakten Familie aufwenden würde, wenn es seine Ausgaben erforderlichenfalls auf das Notwendigste beschränkt.
  • Erziehungsberatung ist ein gesetzlich vorgesehenes, zentrales Handwerkszeug, um den Blick der Elternteile für die Bedürfnisse der Kinder zu schärfen und tragfähige Beziehungen im Sinne des Kindeswohls zu schaffen. Kosten dafür können also als notwendige Kosten angesehen werden.
  • Wenn Erziehungsberatung angeordnet wurde, weil der betroffene Elternteil sich zuvor auf verpönte Weise verhalten hat (Aggressionen oder Gewaltvorfälle), dürfen die Kosten der "Korrektur" nicht zulasten des Kindes den Unterhalt mindern.
  • Wenn das aber nicht der Fall ist und die unterhaltsverpflichtete Person dieselbe Beratung auch nirgendwo kostenlos bekommen könnte (wie zum Beispiel bei einer spendenfinanzierten Beratungsstelle), dann dürfen die Kosten der temporären Erziehungsberatung von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden.

Der in diesem Fall antragstellende Vater – der für die Finanzierung der Kosten der Erziehungsberatung sogar einen Kredit aufnehmen musste, ohne dass irgendein Hinweis auf frühere verpönte Handlungen bestanden hätte – darf nun darauf hoffen, dass in einem zweiten Rechtsgang festgestellt wird, dass er sich aus einem verständlichen und notwendigen Grund heraus verschuldet hat.

Ausnahmsweise könnten in diesem begründeten Fall dann seine Kreditrückzahlungsraten die Unterhaltsbemessungsgrundlage vermindern, weil sie der Bestreitung unabwendbarer und außergewöhnlicher Belastungen, nämlich der im Sinne des Kindeswohls und ohne schuldhaftes Verhalten seinerseits angeordneten Erziehungsberatung, dienen. (Piroska Vargha, 16.12.2022)