40 Schritte muss beispielsweise ein Smartphone durchlaufen, bis es auf der Plattform wieder an einen Kunden verkauft werden darf.

Foto: Refurbed

"Wir brauchen keine neuen und besseren iPhones mit noch mehr Kameras. Wir brauchen Handys, die länger leben und einfacher reparierbar sind." Peter Windischhofer spricht sehr klar an, wofür seine Firma Refurbed steht: Nachhaltigkeit. Mit rund einer Million Kunden ist die Plattform in den letzten fünf Jahren zu dem am schnellsten wachsenden Online-Marktplatz für refurbishte Produkte in der DACH-Region geworden. In Zeiten der Inflation bekommt das heimische Unternehmen zusätzlichen Rückenwind, um weiter wachsen zu können.

Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt der Co-Founder und ehemalige McKinsey-Berater, warum ihm persönlich Nachhaltigkeit so wichtig ist, wie sich der Refurbished-Markt in den letzten Jahren entwickelt hat und warum die Politik beim Thema Klimakrise endlich aufwachsen sollte.

STANDARD: Haben Sie schon alle Weihnachtsgeschenke besorgen können?

Windischhofer: Ein paar Sachen habe ich schon, ein paar muss ich noch besorgen. Ehrlich gesagt, schenke ich aber auch nicht so viel. Das meiste Zeug braucht man ja ehrlich gesagt ohnehin nicht, und wozu Ressourcen verschwenden, wenn es nicht sein muss?

STANDARD: Man kann mittlerweile an vielen Stellen refurbishte Produkte kaufen, sogar Apple hat eine versteckte Seite auf der Homepage, wo man gebrauchte Geräte kaufen kann. Wann hat dieser Hype für gebrauchte Technik angefangen?

Windischhofer: Eigentlich mit uns. Es gab immer wieder Refurbisher, etwa Rebuy, aber was wir neu gemacht haben, ist, dass wir eine Plattform für genau diese Produkte geschaffen haben. Bei uns sollte man ganz viele Anbieter finden und damit ein größeres Sortiment zur Verfügung gestellt bekommen. Wichtig war uns auch eine gute Verfügbarkeit und gute Preise. Mit uns hat tatsächlich diese Kategorie mehr Aufmerksamkeit bekommen, vor allem im deutschsprachigen Raum und speziell in Österreich.

STANDARD: Auch, weil Refurbed eine österreichische Firma ist.

Windischhofer: Genau, wir haben in Wien gegründet, aber von Anfang an sowohl in Österreich als auch in Deutschland verkauft. Später kamen noch Länder wie Schweden, Irland und Dänemark hinzu, wo wir übrigens auch schon Marktführer sind. In Italien und den Niederlanden sind wir mittlerweile auch schon vertreten. Der Plan ist, in ganz Europa aktiv zu sein, aber der größte Markt bleibt sicher Deutschland. Was den Marktanteil betrifft, ist Österreich klar vorne, eben weil wir hier sicher den Heimvorteil genießen.

STANDARD: Das heißt, man ist zufrieden mit der Entwicklung der letzten Jahre?

Windischhofer: Sehr zufrieden sogar. Aktuell haben wir rund eine Million Kunden und knapp 300 Mitarbeiter. Gestartet sind wir 2017 ohne Mitarbeiter – es waren damals tatsächlich nur die drei Gründer, Kilian Kaminski, Jürgen Riedl und ich. Das heißt, wir sind sehr, sehr schnell gewachsen und haben immer gut auf den Zeitgeist reagiert. Gerade mit der Inflation wollen Leute lieber günstiger einkaufen und leben damit auch noch nachhaltiger. Diese Kombination gibt es nicht oft, weil wenn man etwa aus Umweltgründen Zug fährt, dann nimmt man dafür in Kauf, dass man langsamer als mit dem Flugzeug ist. Wenn man refurbishte Produkte kauft, ist es tatsächlich eine Win-win-Situation.

Peter Windischhofer gehört zum Gründerteam von Refurbed und begleitet die Firma seit ihrem Start 2017.
Foto: Refurbed

STANDARD: Was sind die Topseller aktuell? Auf der Startseite ist ja vor allem das iPhone sehr präsent.

Windischhofer: Es ist nach wie vor das iPhone. Man muss aber sagen, dass alle anderen Kategorien immer schneller wachsen. Mittlerweile macht das iPhone unter 50 Prozent aus, das stellt uns als Unternehmen breiter auf. Derzeit werden bei uns immer mehr Android-Geräte verkauft, aber auch Laptops und Tablets. Die großen Gewinner der letzten Wochen sind allerdings Audio-Geräte, also Kopfhörer wie die Airpods, aber auch Haushaltsgeräte wie Staubsauger. Seit kurzem haben wir mit manchen Marken auch Deals, dass man über unsere Plattform direkt beim Hersteller einkaufen kann – etwa bei AEG oder De'Longhi Österreich. Garantie gibt es zum Kauf eines refurbishten Geräts, als würde man ein neues kaufen.

STANDARD: Kann man ein wenig über den Prozess erzählen, wie das Gerät vom Altkunden zum Neukunden gelangt?

Windischhofer: Wichtig zu verstehen ist, dass wir die Verkaufsplattform sind und nicht selbst refurbishen. Es funktioniert so, dass wir über 200 Refurbisher auf der Plattform haben. Diese kaufen Produkte in gebrauchtem Zustand ein, entweder von großen Firmen oder von Konsumenten, und dann gibt es einen 40-stufigen Prozess. Das heißt, man schaut sich das Produkt zuerst an und analysiert, welche Komponenten funktionieren noch, wie lang werden die Komponenten noch halten und wie gut ist die Batterie. Dann werden die Komponenten, die nicht mehr gut funktionieren oder die möglicherweise bald kaputtgehen, ausgetauscht. Das sind im Durchschnitt aber nur 1,5 Komponenten pro Produkt. Danach wird die Software getestet und die neueste Version installiert. Außerdem gehen wir natürlich sicher, dass alle Daten gelöscht wurden. Das ist auch aus Datenschutz-Perspektive sehr wichtig. Dann wird das Gerät noch mal außen aufpoliert, hygienisch gereinigt – damit es auch wie neu aussieht. Wir geben dann standardmäßig ein Jahr Garantie auf das Produkt, man kann aber auch auf zwei Jahre verlängern.

STANDARD: Wie geht man sicher, dass die Refurbisher gut arbeiten?

Windischhofer: Wir schauen uns jeden Partner ganz genau an. In Europa gibt es ja tausende kleine Handy-Shops, mit denen wir aber nicht arbeiten, sondern ausschließlich mit nachgewiesenermaßen professionellen Firmen. Wir schauen da sehr genau hin, wer bei uns verkaufen darf. Die Qualitätskontrolle läuft dann über das Feedback der Kunden. Wir bekommen sehr schnell mit, wenn es Probleme mit einem Produkt gibt. Dann gehen wir sicher, dass das Gerät der Kundin oder des Kunden repariert oder getauscht wird – oder es gibt das Geld zurück. Wenn ein Partner öfter mit negativem Feedback auffällt, fliegt er ganz schnell von unserer Plattform.

Auch Haushaltsgeräte kann man mittlerweile auf Refurbed kaufen, teilweise direkt vom Hersteller.
Foto: Refurbed

STANDARD: Gibt es noch Vorbehalte gegen refurbishte Produkte?

Windischhofer: Natürlich gibt es die noch, aber es ist viel besser geworden, speziell im Vergleich zu unserem Start vor fünf Jahren. Am meisten hilft natürlich Mund-zu-Mund-Propaganda. Ansonsten versuchen wir mit unserem Geschäftsmodell die Risiken für die Kunden möglichst gering zu halten. Ist man beispielsweise mit dem Produkt unzufrieden, kann man es innerhalb von 30 Tagen zurückschicken und bekommt das Geld zurück.

STANDARD: Im September wurde das Geschäftsmodell für Firmenkunden erweitert. Kann man darüber schon etwas sagen?

Windischhofer: Wir haben gemerkt, dass sehr viele große Unternehmen, aber auch kleinere und mittlere viele Handys horten. Das heißt, wir verkaufen nicht nur gebrauchte Geräte an Firmen, sondern wir versuchen alte Bestände wieder in einen Kreislauf zurückzuführen. Manchmal werden uns von einer einzelnen Firma 100 oder 1.000 Smartphones angeboten – damit hätten wir beim Start dieses Geschäftszweigs nicht gerechnet. Das freut uns aber natürlich, weil wir damit helfen, diesen Smartphones ein zweites Leben schenken zu können.

STANDARD: Refurbed meldet sich via Pressemitteilung regelmäßig zu tagespolitischen Ereignissen, etwa den Streiks beim Apple-Zulieferer Foxconn. Welche politische Rolle spielen Firmen wie Ihre in diesem immer häufiger diskutierten Zyklus zwischen Brands, Chip-Herstellern und Endkonsumenten?

Windischhofer: Wir sehen uns da sehr stark in der Verantwortung. Zuletzt hatten wir die Chipkrise, seit vielen Jahren begleitet uns das Thema Nachhaltigkeit. Wir haben die Firma gegründet, weil wir nachhaltigen Konsum fördern wollen und weil wir glauben, dass Produkte viel, viel öfter wiederverwendet werden müssen. Es ist offenbar weder in der Gesellschaft, aber auch nicht in der Politik angekommen, wie hart die Klimakrise uns treffen wird. Deshalb nutzen wir gerne unsere Reichweite, um uns als Messenger dieser Botschaft klar zu positionieren. Das hat zwar nur bedingt mit unserem Geschäft zu tun, aber wir glauben, dass wir uns als Gesellschaft massiv verändern müssen, was Konsum betrifft. Da müssen auch zum Beispiel steuerlich ganz neue Anreize geschaffen werden, damit Konsumentinnen künftig nachhaltiger leben. Das verschläft die Politik aktuell leider komplett.

STANDARD: Jetzt führt diese Ohnmacht dazu, dass Leute sich sich auf die Straße kleben oder sonstige, teilweise umstrittene Aktionen starten. Braucht es Ihrer Meinung nach diese drastischen Maßnahmen, um ein Umdenken zu bewirken?

Windischhofer: Das ist extrem schwierig. Die Leute, die diese Aktionen machen, sind einfach wirklich verzweifelt. Auf der einen Seite sehen sie, wie schlimm die Klimakrise wird, und gleichzeitig, wie wenig dagegen getan wird. Und das, obwohl wir jetzt seit vielen Jahren über die Klimakrise reden. Wie ich schon gesagt habe, das Thema ist bei vielen Menschen noch nicht wirklich angekommen. Ich finde es grundsätzlich sehr gut, dass Dinge für den Klimaschutz passieren, hoffe aber, dass es keinen negativen Impact hat dahingehend, dass die Wut auf diese Aktionen bei manchen Menschen das Gegenteil bewirkt. Es ist schwierig, da den richtigen Weg zu finden. Man kann aber feststellen, dass der eingeschlagene Weg nicht der richtige ist. Nämlich einfach mit Freunden drüber zu reden, ein bisschen nachhaltiger zu leben und im Endeffekt trotzdem wieder ständig neue Dinge zu kaufen und durch die Welt zu fliegen – das hat schon in den letzten Jahren nicht funktioniert. Meiner Meinung nach ist der einzige Ausweg, den wir als Gesellschaft haben, eine massive Besteuerung von CO2. Nicht nur bei Treibstoff, sondern bei allen Produkten. Wenn ich einkaufen gehe, muss ich sofort sehen, was ist nachhaltig, was ist nicht nachhaltig. Und da kann es nicht sein, dass Fleisch günstiger ist als Fleisch-Ersatzprodukte aus Soja, obwohl sie ein Zehntel oder weniger CO2-Ausstoß haben.

STANDARD: Werden refurbishte Produkte eine Nische bleiben, oder werden sie an Relevanz gewinnen?

Windischhofer: Wir haben mittlerweile einen massiven Impact, was die Reduktion von neuem Elektroschrott betrifft. Wir können zwar keine genauen Zahlen nennen, aber allein in Österreich haben wir schon einen sehr relevanten Marktanteil, der hier mithilft. Abseits davon, geht es natürlich auch um die Art und Weise, wie Menschen Elektronik kaufen und konsumieren. Es muss sich einfach durchsetzen, dass wir Technik, die produziert wird, möglichst oft wiederverwenden.

STANDARD: Gibt es für nachhaltige Firmen in Österreich Subventionen?

Windischhofer: Nein, man bekommt in der Gründungsphase diverse Förderungen vom Staat, vor allem als Start-up, und da ist Nachhaltigkeit durchaus ein Thema. Es ist aber nur ein ganz, ganz kleiner Teil von unserer Finanzierungsstruktur gewesen. Wir sind zu 90 Prozent über privates Kapital von Investoren finanziert und nicht über öffentliches Geld.

STANDARD: War die Gründung schwierig?

Windischhofer: Ja, das war sie. Im Nachhinein schaut alles so einfach aus, aber es war natürlich extrem schwierig. Vor fünf Jahren kannte niemand das Wort "refurbished", und dann wollen wir auch noch einen englischen Titel nehmen: Refurbed. Unsere einzige Chance war es, mit Qualität schnell einen großen Kundenstamm aufzubauen, und das hat Gott sei Dank funktioniert. (Alexander Amon, 16.12.2022)