Weniger ambitionierte Vorsätze bringen oft mehr, weil wir sie dann länger durchziehen, zeigen Studien.

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1. Bewegen – egal, wie lange

Mehr zu sporteln hat – direkt hinter dem Wunsch nach gesünderer Ernährung – auch heuer wieder einen Stockerlplatz unter den Neujahrsvorsätzen, zeigen Umfragen. Oft sind die Ziele allerdings hoch gesteckt. Bewegungsmuffel werden im neuen Jahr wohl kaum plötzlich viermal pro Woche ins Fitnessstudio gehen – und das ist auch gar nicht notwendig, sagt Ernährungspsychologin Cornelia Fiechtl. Sie rät, den Druck rauszunehmen: "Betrachten wir das ganze als Bewegung statt Sport, das wirkt für viele unbelasteter." Und oft ist das auf lange Sicht auch gesünder. Regelmäßige Alltagsbewegung ist häufig besser als seltene Sporteinheiten, zeigen zahlreiche Studien. Kurze Bewegungseinheiten über den Tag hinweg können das Risiko für Krankheiten deutlich reduzieren, das Sterberisiko um 39 Prozent senken, fanden australische Forschende heraus. Vereinfacht gesagt: besser ein Jahr lang immer wieder ein bisschen Bewegung statt Bootcamp-Training im Jänner und die restlichen elf Monate gar nicht sporteln.

Wie‘s gelingt? Indem man die Intention hinter den Zielen hinterfragt. "Es geht darum, eine Bewegung zu machen, weil sie Freude macht und nicht, weil sie Kalorien verbrennt", betont Fiechtl. Vielleicht ist 2023 ein gutes Jahr, den Vorsatz Bewegung mal anders anzugehen ...

2. Beziehungen pflegen

"Wir brauchen Verbindung, Nähe und Liebe nicht nur für das Wohlbefinden, sondern tatsächlich für unser Überleben. Wir sind Beziehungswesen", betont Magdalena Ségur-Cabanac, Psychotherapeutin für Integrative Gestalttherapie, Internal Family Systems Therapie, sowie Paar- und Sexualtherapie.

Das menschliche Gehirn ist so verkabelt, dass wir immer auf der Suche nach Kontakt und Verbindung sind. "Das liegt auch daran, dass wir tief in unseren Zellen wissen, dass wir alleine nicht überlebensfähig sind. Wir brauchen einander", erklärt die Expertin.

Die Beziehung zu Menschen, die uns guttun, zu stärken, sei deshalb eines der besten Dinge, die wir für unsere Gesundheit tun können, ist sie überzeugt. Das bestätigen auch viele Studien. Gute Beziehungen wirken nachweislich positiv auf die Gesundheit, Ängste werden reduziert, der Lebensstil häufig gesünder. "Es ist belegt, dass unser Herz bei Körperkontakt langsamer schlägt, im Körper weniger Stresshormone ausgeschüttet werden, der Körper zur Ruhe kommt und wir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit bekommen", berichtet Ségur-Cabanac.

Grund genug, unseren Beziehungen – seien sie freundschaftlicher, familiärer oder romantischer Natur – im neuen Jahr besonders hohe Priorität einzuräumen.

3. Hin und wieder meditieren

Mindestens genauso wichtig wie die Beziehung zu anderen ist die zu uns selbst, sagt Siri Frericks, Psychologin und Achtsamkeitsexpertin bei der Meditationsapp "7Mind". Ein Ansatz, die Beziehung zu sich selbst zu pflegen, kann das bewusste Innehalten durch Meditation sein. Das stärkt den Geist, erklärt Frericks: "Unser Gehirn ist keine starr verdrahtete Maschine. Resilienz, die Regulation von Emotionen, Gedanken, Aufmerksamkeit oder das Erleben von Mitgefühl und Selbstmitgefühl können genauso trainiert werden wie unsere Muskeln."

Das weiß man aus der Wissenschaft. Durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen verändern sich bestimmte Gehirnbereiche. Der Mandelkern etwa – jener Bereich, wo das Angstzentrum sitzt – schrumpft. "Sorge und Ängste lassen nach, Stress nimmt ab, wir werden allgemein gelassener", erklärt die Psychologin die Vorteile, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten und bewusst zu spüren, welche Gedanken und Gefühl gerade präsent sind. "Für Menschen, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden, kann das überwältigend sein. Deshalb wird hier von unbegleiteten Übungen abgeraten", sagt sie. Für alle anderen könnte es sich im neuen Jahr lohnen, sich regelmäßig einen Moment der Achtsamkeit nur für sich zu nehmen.

4. Achtsamer Alkohol trinken

Das Prinzip der Achtsamkeit lässt sich auch auf andere Lebensbereiche anwenden. Beim Ess- und Trinkverhalten passiert vieles auf Autopilot. Oft wird ohne viel Überlegen das Glas Wein nachgeschenkt, dabei hatte man sich doch eigentlich vorgenommen, nicht so viel zu trinken. Das summiert sich. Ein Sommerspritzer hier, ein Feierabendbier da: Bei uns wird gern einmal ein Glaserl getrunken – mehr als in anderen Ländern. Österreich liegt beim Alkoholkonsum über dem Schnitt der OECD-Länder. Ab 15 Jahren trinken Österreicherinnen und Österreicher jährlich zwölf Liter reinen Alkohol, zeigt ein Bericht.

Manche Organe sind empfindlicher für dessen Wirkung als andere. Neben Lebererkrankungen kann übermäßiger Alkoholkonsum die Nerven schädigen und die Gehirnfunktion verschlechtern. Im Gehirn beeinflusst Alkohol Botenstoffe, die dafür zuständig sind, Informationen zwischen Nervenzellen zu übermitteln. Dadurch wird auch das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. In geringen Mengen wirkt Alkohol deshalb entspannend und angstlösend. Größere Mengen wirken betäubend.

2023 könnte das Jahr werden, in dem wir Automatismen hinterfragen: Möchte ich gerade wirklich ein Glaserl Wein oder ist es die Macht der Gewohnheit?

5. Sonne tanken

Mit der Sonne ist es aus gesundheitlicher Sicht so eine Sache. Einerseits ist UV-Strahlung für die Hautgesundheit freilich nicht so ideal – vor allem ungeschützt. Andererseits sind die positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit klar: Bei Dunkelheit wird das Hormon Melatonin freigesetzt, das macht uns müde. Licht hingegen hemmt die Melatonin-Produktion und setzt das sogenannte Glückshormon Serotonin frei. Das verleiht uns Energie, reduziert Stress und macht – wie der Name sagt – glücklich. Ist der Melatoninspiegel auch tagsüber erhöht, leidet die Stimmung, man fühlt sich müde und kann sich schlechter konzentrieren.

Deshalb gilt: Sonnenbad ja, aber gut geschützt, betont Dermatologin Barbara Franz. Am besten verwendet man täglich ausreichend Sonnencreme. Ja, auch im Winter, sagt die Expertin: "Die Haut bildet dann weniger Melanin, dadurch kann sie sich den körpereigenen Schutz nicht so gut aufbauen." Zusätzlich werde die Haut durch die Kälte ohnehin stark beansprucht, bei Temperaturen unter acht Grad wird die körpereigene Fettproduktion gedrosselt.

Fürs nächste Jahr ist also das tägliche Sonnencreme-Schmieren vielleicht eine realistischere Ergänzung der Morgenroutine als direkt die Umstellung auf Morgensport, Journaling & Co.

6. Endlich gut schlafen

Man kann nicht oft genug betonen, wie wichtig guter Schlaf für die Gesundheit ist, findet Brigitte Holzinger vom Institut für Bewusstseins- und Traumforschung. "Wir verkraften hier und da eine schlecht geschlafene Nacht, aber chronisches schlecht Schlafen über Monate oder Jahre hinweg hat Konsequenzen", warnt sie.

Schlechter Schlaf wirkt sich negativ auf das Immunsystem, die Hormone, die Konzentration und die Lebenserwartung aus. Schlafapnoe erhöht das Risiko für Diabetes und Herzkrankheiten. Und auch die mentale Gesundheit leidet. Wer schlecht schläft, leidet eher an einer klinischen Depression. Behandelt man die Schlafprobleme, bessern sich auch die Depressionssymptome, zeigen Studien.

Aber viele nehmen Schlafprobleme nicht ernst genug, glaubt Holzinger. Ein- und Durchschlafstörungen sowie erhöhte Tagesmüdigkeit zählen zu den häufigsten Beschwerden in der Bevölkerung.

Die gute Nachricht: "Gut schlafen kann man lernen", sagt Holzinger, die mittels Schlafcoaching Menschen wieder zurück zu ihrem natürlichen Ruherhythmus führt. Und möglicherweise wäre das eine Idee für einen Neujahrsvorsatz: Schlafstörungen untersuchen lassen, die Ursache für den schlechten Schlaf finden und an ihr arbeiten. (poem, 28.12.2022)