Auf dem PC kann das technische Update besonders beeindruckend ausfallen. Der Preis dafür ist aber sehr hoch.

Foto: CD Projekt Red

Mehr als sieben Jahre ist es schon her, dass die Abenteuer von Geralt dem Hexer in "The Witcher 3" ihr Debüt auf dem PC feierten. Einige Grafikkartengenerationen und eine durchwachsene Netflix-Serie später veröffentlicht Entwickler CD Projekt Red nun ein kostenloses Update. Es soll die grafischen Darstellungsmöglichkeiten aktueller Grafikkarten ausreizen und diesen Meilenstein in der Erzählkunst der Videospiele technisch würdigen. DER STANDARD hat sich auf einem hochwertigen Gaming-PC angesehen, ob der Schlächter von Blaviken damit auch im Jahr 2022 noch seinem Ruf gerecht werden kann.

Andere Zeiten, andere Ansprüche

Zum Release von "The Witcher 3", im Mai 2015, war noch Nvidias Geforce GTX Titan X das Maß aller Dinge, wenn es um Grafikkarten ging. AMD konnte damals mit dem R9-Chip in unterschiedlichen Varianten in den meisten Settings nicht mithalten. Dennoch: Wer das Abenteuer damals schon in 4K (3.840 x 2.160 Pixel) spielen wollte, musste sich auf hoher Detailstufe trotz High-End-Konfiguration mit rund 40 Bildern pro Sekunde zufriedengeben. Für ein flüssiges Spielerlebnis führte kein Weg an der Reduzierung der Auflösung auf WQHD (2.560 x 1.440 Pixel) vorbei. Für die meisten Gamer war dies aber ohnehin schon gehobener Standard, die große Mehrheit spielte noch in Full HD.

Egal welche Hardware in welcher Auflösung damals genutzt wurde, "The Witcher 3" sorgte für Aufsehen: Das lag in erster Linie an einem handfesten "Downgrade"-Skandal, den das Spiel verursacht hatte. Was war geschehen? Das Spiel konnte zum Release die optischen Erwartungen einfach nicht erfüllen, die es zuvor auf Messen und in Trailern geweckt hatte. Hintergrund dafür dürfte die gleichzeitige Entwicklung für Konsole und PC und die damit einhergehende Überforderung gewesen sein, weshalb man zugunsten der Konsolenversionen anfangs zahlreiche Grafikfeatures der PC-Version entfernen musste.

Schön kitschig kann es optisch auch nach dem Update werden.
Foto: Screenshot/bbr

Fast forward ins Jahr 2022: Wieder ist es Chiphersteller Nvidia, der den Platzhirsch unter den Grafikkarten stellt. Eine RTX 4090 ist sich für den Test nicht rechtzeitig ausgegangen, daher schickte DER STANDARD "nur" eine RTX 4080 ins Rennen. Genauer gesagt handelt es sich um eine Gainward Phantom RTX 4080, um ermitteln zu können, was man aus dem technischen Update von CD Projekt Red alles herausholen kann. Eine Auflösung von 4K versteht sich da fast schon von selbst, berechtigte Zweifel bleiben im Vorfeld dennoch bestehen. Kann ein so altes Spiel – trotz seines Evergreen-Charakters – trotzdem noch gut aussehen?

Was wirklich neu ist

Wie DER STANDARD bereits berichtet hat, wartet das kostenlose Update mit jeder Menge Neuerungen auf. Die sind weniger inhaltlicher Natur, da das gesamte Spiel nur um eine neue Sidequest ergänzt worden ist. Und alternative Kostümchen oder Waffenskins sind nett, aber in Wahrheit zu vernachlässigen. Seien wir uns ehrlich: Dafür kommt man nach so langer Zeit nicht noch einmal zurück.

Besonders beeindruckend sind nicht nur die amourösen Abenteuer des Hexers, sondern auch die neu beleuchteten Innenräume.
Foto: Screenshot/bbr

Willkommener sind da schon Verbesserungen im Gameplay, wie beispielsweise reduzierter Fallschaden oder die Möglichkeit, Zauber im Kampf schneller wirken lassen zu können. Ein Kartenfilter sorgt dafür, nicht mehr länger von ungewollten Symbolen auf der Landkarte genervt zu werden. Auch eine Kameraführung, die den Spieler näher an das Geschehen um Geralt heranrückt, lädt zum Spielen aus "neuer" Perspektive ein. Und wer das Spiel über die Jahre schon in und auswendig kennengelernt hat, kann mit einem Fotomodus auf Safari gehen.

In erster Linie handelt es sich aber um technische Upgrades, die das Abenteuer des Hexers maßgeblich aufwerten sollen. Dazu zählen einerseits Textur-Mods aus der Community, insbesondere soll aber eine grundlegende Implementierung von Raytracing die Grafik auf ein neues Level heben. Diese realistischere Lichtgebung im Spiel wird teilweise auch von Playstation 5 und Xbox Series X unterstützt, drückt die Bildwiederholrate dort aber auf 30 Bilder pro Sekunde herunter.

Ein Abendspaziergang am Hafen von Novigrad. Raytracing inklusive.
Foto: Screenshot/bbr

Nicht so bei der PC-Version, sie soll das Repertoire des Updates sogar noch erweitern: Hier kann Raytracing nämlich auch für realistische Reflektionen und Schatten zugeschaltet werden, ohne Abstriche bei der Bildwiederholungsrate machen zu müssen. Darüber hinaus wird mit DLSS 3 eine exklusive Technologie von Nvidia unterstützt, die mittels künstlicher Intelligenz die Performance steigern soll, ohne dass dabei erhebliche Einbußen bei der Bildqualität in Kauf genommen werden müssen. Eine Art Cheat sozusagen, um aufwendige Raytracing-Spielumgebungen flüssig darstellen zu können. Der Nachteil: Dieses Feature wird derzeit nur von den heillos überteuerten RTX-4000er-Karten von Nvidia unterstützt.

Und wie es sich auswirkt

Aber wie gut sieht es denn jetzt wirklich aus? Anfängliche Befürchtungen, dass man in diesem Fall mit Lippenstift aus einer alten Sau keine Schönheitskönigin mehr schminken kann, sind zum Glück schneller gewichen, als ein Nekkar aus dem Boden kriechen kann: Man muss nicht um den heißen Brei herumreden, dass das Update auf einem hochwertigen System schlichtweg fantastisch aussieht.

Aus wie vielen Steinen besteht Kaer Morhen? Mit dem neuen Texturwerk lässt es sich vermutlich sogar nachzählen.
Foto: Screenshot/bbr

Die Ruinen von Kaer Morhen erstrahlen in einem Detailgrad, dass es jeden "Witcher"-Fan umhaut, die Atmosphäre auf dem Anwesen des Roten Barons wird durch die Beleuchtung noch einmal auf ein anderes Level gehoben. Und ja, die Sonnenuntergänge in Toussaint sind nach wie vor kitschig, aber auch hier wird eine Stimmung geschaffen, die im Vergleich zum Original noch einmal deutlich intensiver wirkt.

Realistischere Spiegelungen in Pfützen oder in Seen, aber auch subtile Effekte wie der verbesserte Schattenwurf in den engen Gassen von Novigrad machen das Spiel für Kennerinnen und Kenner zu einem Schmankerl, das dazu einlädt, nicht nur die Vorspeise zu kosten, sondern gleich die gesamte Speisekarte zu verschlingen.

Es macht bei genauerer Betrachtung sehr wohl einen Unterschied, was Wasseroberflächen widerspiegeln.
Foto: Screenshot/bbr

Dabei darf man allerdings auch nicht außer Acht lassen, dass man zwar einen Hexer spielt, aber nicht zwingend welche bei der Entwicklung am Werk waren: Es gibt etliche Passagen, gerade gegen Ende des Spiels, die optisch durchaus in Ordnung scheinen, im Großen und Ganzen aber nur wenig vom Original abweichen. Und so beeindruckend das Texturwerk des Updates überarbeitet worden ist, das teilweise aus der Community stammt, die Charaktermodelle und Strukturen sind es nicht – hier sieht man dem Spiel das Alter eindeutig noch an.

Nur mit Upsampling genießbar

Obwohl das Spiel schon etliche Jährchen auf dem Buckel hat, macht sich rasch bemerkbar, dass all die grafischen Vorzüge und Raytracing-Boni des Updates nur mit Upsampling genießbar sind. Soll heißen: Man muss mit den KI-Tricks der Grafikkartenhersteller arbeiten, um ein flüssiges Spielerlebnis garantieren zu können. Bei AMD heißt es FSR, in diesem Fall bei Nvidia ist es DLSS. Dabei "entlastet" ein Algorithmus vereinfacht gesprochen die Rechenlast der Grafikkarte und ermöglicht die Darstellung von mehr Bildern pro Sekunde, ohne dass der Spieler in der Regel einen Qualitätsverlust dabei bemerkt.

Die Stimmung profitiert enorm von der neuen Beleuchtung der Spielumgebung.
Foto: Screenshot/bbr

Die Benchmarks im belebten Hafenviertel Novigrads bei bestmöglichen Einstellungen haben gezeigt, dass das Update von "Witcher 3" auf der RTX 4080 ohne DLSS gerade einmal auf 35 Bilder pro Sekunde gekommen ist. Das ist bedingt spielbar, denn die Schwankungen nach unten reichen in den tiefen 20er-Bereich hinein. Bei einer Grafikkarte, die im Handel rund 1.400 Euro kostet, könnte das als Frechheit durchgehen.

In den Menüs lässt sich sehr präzise einstellen, welche Effekte aktiviert werden sollen.
Foto: Screenshot/bbr

Schaltet man DLSS 2 hinzu, kommt das Testsystem auf ein Mittel von 69 Bildern pro Sekunde. Hier beginnt das Spiel Spaß zu machen. Mit DLSS 3, also der neuen Methode von Nvidia, bei der die KI quasi Zwischenbilder dazuerfindet, kann der Wert sogar knapp über 80 Bilder pro Sekunde gesteigert werden. Deaktiviert man alle Raytracing-Effekte und Upsampler, werden vom System 115 Bilder pro Sekunde erreicht.

Teure Liebhaberei

Das technische Update von "Witcher 3" bietet mit entsprechender PC-Hardware zweifelsohne ein Erlebnis, das es wert ist, Geralt ein weiteres Mal für dutzende Stunden auf seinen Abenteuern zu begleiten. War die Motivation, neue Monster und ihre Geschichten zu entdecken, beim ersten Mal Anlass für die Sucht, so ist es jetzt sehr oft die Freude, diese Erinnerungen neu zu sehen. So als ob man sich nach Jahren zum ersten Mal eine Brille aufsetzt und draufkommt, wie scharf alles auf einmal ist.

Ein fahler Beigeschmack bleibt dennoch: Dieses prächtige und fehlerfreie Spielerlebnis hat einen hohen Preis. Nicht außer Acht lassen sollte man zudem die Berichte, wonach die Konsolenversionen des Updates schon mit spärlichem Raytracing unschön in die Knie gehen und auch vermehrt PC-Spieler ohne entsprechende High-End-Hardware über Bugs und Abstürze klagen. Die Mehrheit profitiert also nicht von der schönsten Seite des Hexers, sondern muss sich erst recht wieder mit der einen oder anderen Muhme abfinden. Bei einem Spiel, das mehr als sieben Jahre alt ist, sollte das aber eigentlich keine Hexerei sein. (Benjamin Brandtner, 16.12.2022)


Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Vorabzugang zu "The Witcher 3" wurde dem STANDARD von CD Projekt Red zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Die Grafikkarte Gainward Phantom RTX 4080 wurde von Mifcom leihweise zur Verfügung gestellt.