Südafrikas Langzeit-Regierungspartei ANC hat für viele Wählerinnen und Wähler schon einmal moderner ausgesehen.

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Ob das gutgeht? Ab Freitag hält der Afrikanische Nationalkongress (ANC) in Johannesburg seinen viertägigen, nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag ab. Gut möglich beispielsweise, dass mittendrin das Licht ausgeht. Südafrika befindet sich in der schlimmsten Elektrizitätskrise seiner Geschichte: Um einen Totalkollaps des Netzes zu vermeiden, wird in wechselnden Stadt- und Landesteilen täglich bis zu acht Stunden lang die Elektrizität abgeschaltet. "In anderen Staaten wäre dies ein Grund, die Regierung zu stürzen", sagt ein Radiomoderator. In Südafrika stürzt die Regierung den Chef des staatlichen Stromkonzerns, weil er mit der vom ANC verursachten Mega-Krise nicht fertigwird.

Für den Niedergang des Landes wird dennoch von den meisten der ANC verantwortlich gemacht: Arbeitslosigkeit, Kollaps der Staatskonzerne, endemische Korruption, die immer höher steigende Verbrechensrate. Die Stimmung hat sich seit der Corona-Pandemie nicht wieder erholt, sie lastet tonnenschwer auf dem ganzen Land.

Mancher wundert sich, dass der 55. ANC-Parteitag überhaupt zustande kam: Denn auch die Partei ist pleite. Ihre Angestellten müssen immer wieder auf ihr Gehalt verzichten. Der Streit zwischen den beiden Flügeln – den Anhängern des Ex-Präsidenten Jacob Zuma und denen des "Reformers" Cyril Ramaphosa – wird dermaßen erbittert ausgetragen, dass ANC-Kenner William Gumede auch einen Kollaps des Parteitags nicht ausschließt.

Geld in der Couch

Schon die Wahl der rund 4500 Delegierten ist umstritten. Während Zuma eigentlich hinter Gittern sitzen sollte, forderten seine Anhänger Anfang dieser Woche im Parlament die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihren eigenen Parteichef Ramaphosa.

Dieser galt bisher als Saubermann des ANC: Er betrieb die Absetzung Zumas, unterstützte eine Untersuchungskommission, die die Unterwanderung des Staates durch seinen Vorgänger ans Tageslicht zerrte, und versuchte die zerstörten Institutionen zu reparieren. Schließlich kam Zumas Ex-Geheimdienstchef aber einem Schmutzfleck des angeblichen Saubermanns auf die Spur. Ramaphosa hielt auf seiner Farm Hunderttausende von US-Dollar aus dem Verkauf von 20 Büffeln in einer Couch versteckt: Sie wurden später gestohlen – den Diebstahl suchte der Staatspräsident offensichtlich zu vertuschen. Ein weiterer Grund, dass viele den ANC pauschal als nicht mehr reformierbar betrachten.

Dass die Delegierten diesen Eindruck in den kommenden vier Tagen entkräften könnten, ist unwahrscheinlich. Bei der Wahl der sieben Führungspositionen der Partei stehen sich die Repräsentanten der beiden Parteiflügel wie Feuer und Wasser gegenüber. Ramaphosa wird sich eine zweite Amtszeit vermutlich sichern können. Doch schon bei der Wahl seines Stellvertreters und des Generalsekretärs könnte das gegnerische Lager zum Zug kommen. Weiterwurschteln, würde man in Österreich sagen. Bei der Wahl 2024 könnte der ANC dann erstmals seit Ende der Apartheid seine absolute Mehrheit verlieren. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 16.12.2022)