RAF Camora im April vor der für ihn erfolgreichen Verleihung der Amadeus Austrian Music Awards im Wiener Volkstheater. Am Freitag hat er rund einen Kilometer entfernt einen Auftritt: als Angeklagter im Landesgericht für Strafsachen Wien.

Foto: Karl Schöndorfer TOPPRESS

Wien – Ein ungestilltes spätes Hungergefühl soll der Grund sein, warum sich Raphael Ragucci, besser bekannt unter seinem Künstlernamen RAF Camora, Freitagmittag vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 38-jährigen Musiker und Produzenten sowie zwei weiteren Männern das Delikt "Raufhandel" vor. Das Trio soll im Frühsommer den Mitarbeiter eines Würstelstands attackiert haben, nachdem dieser ihnen kurz nach Mitternacht keinen Hotdog mehr verkaufen wollte.

Richter Patrick Aulebauer wird vor der Aufgabe stehen, den Ablauf des nächtlichen Aufeinandertreffens zu rekonstruieren. Der verletzte Würstelmann, der bei dem Vorfall Prellungen und Blutergüsse erlitt und sechs Tage im Krankenstand war, schildert, dass es zunächst wechselseitige Beschimpfungen gegeben habe. Dann sei die andere Seite körperlich übergriffig geworden, habe ihn attackiert, zu Boden geschlagen und über den Asphalt geschleift.

Verteidiger von Freispruch überzeugt

Zumindest einer der Begleiter Raguccis, der selbst von niemandem direkt einer unmittelbaren Gewalttat belastet wird, sprach bei der Polizei dagegen von Selbstverteidigung. Raguccis Verteidiger Philipp Wolm ist von einem Freispruch für seinen Mandanten überzeugt. Der Österreicher habe lediglich deeskalierend eingewirkt, sagte Wolm zur Tageszeitung "Heute".

Sollte der Richter das anders sehen, drohen den Beteiligten an einem Raufhandel laut Strafgesetzbuch bis zu sechs Monate Haft oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Festgeschrieben ist das im Absatz zwei des Paragrafen 91: "Wer an einem Angriff mehrerer tätlich teilnimmt, ist schon wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wenn der Angriff eine Körperverletzung eines anderen verursacht."

Nicht der erste Rapper vor Gericht

Für das "Graue Haus" ist die Anwesenheit eines mehrfach ausgezeichneten Rappers keine Premiere. Vor über zehn Jahren erstritt Paul Würdig alias Sido – in erster Instanz nicht rechtskräftig – in einer medienrechtlichen Auseinandersetzung eine Entschädigung.

Für diejenigen Mitlesenden, die mit dem Œuvre RAF Camoras möglicherweise nicht so vertraut sind, folgen hier noch Textproben aus seinem bislang letzten veröffentlichten Soloalbum "Zukunft II", aus denen man Rückschlüsse ziehen kann, mit welchem Image der Künstler – für den die Unschuldsvermutung gilt – spielt.

In "Blaues Licht" reimen er und Musikerkollege Bonez MC beispielsweise: "Panoramahotel, da ganz oben wie Spock. Und während ich mich tot stell, ist Schwanz lutschen ihr Job. Handgranaten und Glocks wie die IRA – Krankenwagen voll Opps, na-ni-na-na-na-na." Im Liebeslied "Guapa" wiederum werden körperliche Attribute der Angebeteten so gepriesen: "Bin heut die ganze Nacht im Studio, keine Angst, ich mach Songs. Sowieso gibt's keine, die an deinen Arsch rankommt. Macht jemand ein Problem? Wir ficken ihn direkt, egal wen, auch den Ministerpräsident." Im Werk "2CB" scheint dagegen die Enttäuschung über diesen Körperteil zu überwiegen: "Barça, Ibiza, ganz Wien-Fünfhaus in der Finca. London, Nizza, zum Dinner zehn Girls in Bottega. 2C für die Pičkas – warum ist denn ihr Arsch nicht wie auf Insta?" (Michael Möseneder, 16.12.2022)