"Es hat keinen Sinn mehr, dass ich mir noch länger etwas vormache", schrieb Ingeborg Bachmann an Max Frisch. Das Foto zeigt die Autorin im Jahr 1964.

Kurt Husnik

Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht." So kann man es in Max Frischs autobiografischer Erzählung Montauk (1975) lesen. Einen ähnlichen Satz schrieb er in einem seiner Abschiedsbriefe, Juli 1963: "Wir haben es nicht gut gemacht." In das "Wir" schloss er ganz bewusst auch sie ein. Nach Kenntnis der ungefähr 300 Briefzeugnisse, die nun erstmals zugänglich sind, muss man die Tragödie im beiderseitigen Spannungsfeld sehen. Sie ist längst Literaturgeschichte, umso mehr, als eine tief verletzte Frau zurückblieb.

Vom "großen Liebeszweikampf der deutschsprachigen Literatur" wurde später geschrieben, aber was sich wirklich Anfang der 1960er-Jahre zwischen Rom und Zürich abspielte, wussten nur wenige Eingeweihte und blieb fünfzig Jahre unter Verschluss. Zwar hat der Briefwechsel einige Lücken, weil Bachmann offenbar viele Briefe von Frisch vernichtet hat, dennoch vermittelt die im Österreichischen Literaturarchiv und an der ETH Zürich aufbewahrte Korrespondenz ein eindrückliches, vielschichtiges Bild, sie macht das Fragile und Widersprüchliche der Beziehung sichtbar und eröffnet eine neue Perspektive auf die Kränkung, die seit je Max Frisch angelastet wird. Es ist eine Geschichte von Liebe und Verhängnis, Schuld und Verrat, und sie ist viel diffiziler als das bisher überlieferte, so fest gefügte Bild, das die Bachmann als verletzte, verlassene Frau, Frisch als Egomanen und unsensiblen Liebhaber zeichnet. An ihm arbeiteten sich Feministinnen nur zu gerne ab, bis hin zur Dämonisierung.

Spannungen

Erst recht bei der Bachmann-Anhängerschaft blieb er der indiskrete Chauvinist, der das Problematische dieser Beziehung in mehreren Werken literarisch zu verwerten verstand, natürlich aus männlicher Perspektive. Für Elfriede Jelinek ist Frisch der gefühllose "Schweizer Kracher", der "unheilbar Gesunde", ein "Normalitätsterrorist", gar ein "Mörder", der zehn Jahre nach der Trennung noch die Verantwortung an Bachmanns tragischem Ende trägt. Was für ein Zerrbild. Die Briefe sprechen eine viel differenziertere Sprache, lassen Frisch als den vielmehr geduldigen Teil dieser nicht einfachen Beziehung erscheinen. Unverletzbar war auch er nicht. Er fühlte sich der Partnerin intellektuell unterlegen, hatte ihr und ihrem Freundeskreis gegenüber Minderwertigkeitsgefühle. Umso mehr, als sie mit ihren Liebschaften zu Schriftstellerkollegen ein Konkurrenzverhältnis erzeugte, das ihn herausforderte, auch wenn er behauptete, es gehe nicht darum, mit wem sie schlafe.

Bachmann war damals die Primadonna der Literatur. 1954, als sie mit ihrem ersten Gedichtband Die gestundete Zeit ein aufsteigender Lyrikstern war, landete ihr Gesicht auf dem Cover des Spiegel. Frisch hatte es im Jahr davor auf eine Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins gebracht. So viel Aufmerksamkeit galt damals der Literatur! Als sie sich 1958 kennen und lieben lernten, waren beide Stars in ihrem Metier. In einem Brief hatte ihr Frisch seine Bewunderung für ihr Hörspiel Der gute Gott von Manhattan ausgedrückt. Unerwartet und schnell kam ihre Antwort: Sie könnte für ein paar Tage in Zürich Station machen. Getroffen haben sie einander dann in Paris. Die Initiative ging von ihr aus, sie war die Werbende, Frisch war damals noch verheiratet. Dann ging alles sehr schnell.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Porträt Max Frischs entstand 1983.
Foto: Süddeutsche Zeitung Photo, picturedesk.com

Literarische Ausbeutung der Liebesbeziehung

Vier Jahre lang sind sie ein Paar, aber unter welchen Spannungen! Immer wieder flüchtet sie aus der gemeinsamen Wohnung in Rom, weil sie das Geklapper seiner Schreibmaschine nicht erträgt. Genau genommen: Sie ertrug nicht, dass er immer schreiben konnte, während sie eine Schreibkrise durchmachte – der Misserfolg mit ihrem Erzählband Das dreißigste Jahr hatte sie verunsichert. Ihm dagegen, der damals an seinem Roman Mein Name sei Gantenbein schrieb, schien alles zu gelingen.

Der Roman vertiefte die Entfremdung, denn in der weiblichen Figur erkannte sich Bachmann später wieder, sah sich geradezu darin vernichtet. Frisch hat die Beziehung stellenweise sogar eins zu eins im Roman abgebildet, indem er wörtlich aus den Briefen zitierte. Und er ließ sie das Manuskript lesen, sie durfte einzelne Teile sogar streichen. War das großzügig von ihm oder demütigend? Auch Bachmann hat das Gemeinsame später zur Romanvorlage gemacht: Malina, 1970 erschienen, basiert auf der Beziehungskiste mit Frisch. Beide waren Schriftsteller, und es gehört zu deren Ureigenstem, dass sie ihre nächste Umgebung und letztlich sich selbst literarisch ausbeuten.

Ingeborg Bachmann / Max Frisch, "‚Wir haben es nicht gut gemacht‘. Der Briefwechsel". Hg. von Hans Höller u. a. € 41,20 / 1039 Seiten. Piper, München, und Suhrkamp, Berlin 2022.

Offene Beziehung und Fernehe

Was am Ende zum Anschauungsmaterial wurde, war von Anfang an eine offene Beziehung, zeitweise so etwas wie eine Fernehe. Schon zu Beginn zeigte sich das Konfliktträchtige, und Frisch ahnte früh und schrieb es ihr auch: "Wir wären ein Unheil für einander." Sie hatte sich in den vier Jahren mehr verausgabt als er, der mit seinen Gefühlen besser haushalten konnte. Kann man ihm deswegen Berechnung unterstellen? Ihr Tablettenmissbrauch war für ihn "beängstigend". Im Mai 1962 bringt er es offen zur Sprache: "Deine Lethargie. (…) ich habe darunter gelitten. Ich habe vielerlei versucht, aber ohne Glück. Dein Nichtaufwachenwollen, dein Hindösen (…), deine Flucht in Narkotika (…)."

Die Beziehung hat ihr zweifellos nicht gutgetan, aber sie war schon zu Beginn psychisch nicht sehr stabil gewesen. Ihn für ihr Unglück und die spätere Krise verantwortlich zu machen, wie es ihre Familie und Freunde taten, ist etwas voreilig. Umgekehrt sah auch er sich verraten, fühlte sich gar von ihr zum "Arschloch" gemacht. Sie habe ein "unmenschliches Spiel" geführt … Fortan dominierte das Bild der Leidenden. Sie selbst arbeitete an ihrem Opfermythos, umgab sich mit einer Aura des Geheimnisvollen und provozierte so eine voyeuristische Neugierde. Aus dem Star der 50er-Jahre wurde eine Sphinx der Literatur. Frisch blieb in allem der direktere, ja, "unmythische" Teil der Beziehung, sie die Verletzte. "Es ist mir das Herz gebrochen", wird sie schreiben. Sie wollte "nicht ausgelöscht sein, nicht fallengelassen werden (…), spüren, dass ich auch noch da bin". Sie hoffte, er würde zurückkehren.

Unglück

Im Dezember 1962 zeichnete sich der Schlusspunkt ab. Nach einem psychischen Zusammenbruch schreibt sie ihm zu Weihnachten aus einer Klinik in Zürich: "Geliebter Max, Du sagst, ich zerstöre Dir Dein Glück mit meinem Unglück und ich lasse dich nicht froh werden, wie Du es gern möchtest und könntest." Er hatte sie vorher besucht und war, wie er später in Montauk schreibt, auf ihre "Inszenierung" hereingefallen: Jeden Tag bekäme sie ins Krankenhaus 35 Rosen geschickt. Im Brief bekennt sie, dass sie selbst die Blumen in Auftrag gegeben und den fremden Verehrer erfunden habe, obwohl ihr klar war: "Eifersüchtig wirst Du sowieso nicht werden, da ich ja als Frau für Dich tot bin." Zu Silvester ist Frisch in St. Moritz, sie bleibt allein in seinem Haus in Uetikon. In der Neujahrsnacht schreibt sie ihm einen weiteren Brief: "Es ist unausweichlich. Wir müssen uns trennen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich mir noch länger etwas vormache …" Sie hat Angst, dass er sich im Frühjahr ohnehin von ihr trennen würde. "Lassen wir diese Krankenhaussentimentalitäten." Und: "Ich habe Dich wirklich und ganz und gar geliebt …" Zum Schluss hat sie den einen Wunsch: "Dass die Trennung leicht wird, ohne die Gewichte der Banalität.

Frisch antwortet: "Ich kann Deinen Brief nicht ohne Tränen lesen." Dann bricht er nach New York auf, zu den Proben von Andorra und Biedermann und die Brandstifter. Er segelt auf einer Welle des Erfolgs – mit ihr geht es weiter bergab: Schreibkrise, wieder Klinikaufenthalt, anschließend Krankenhaus, Gebärmutterentfernung. Kurz bevor Frisch aus den USA zurückkommt, vernichtet sie ein Tagebuch von ihm aus dem Jahr 1959, sie fühlte sich darin verraten. (1959 hatte sie eine Affäre mit Hans Magnus Enzensberger, den sie angeblich heiraten wollte, während Frisch wochenlang mit Hepatitis im Spital lag.) Dann geht es nur noch um die Modalitäten der Wohnungsauflösung, ein bürokratischer Akt mit Inventarlisten, was wem gehört. Grammofon, Bücherregal, Pfannen, Bettwäsche, Vorhänge … Sie möchte, dass er ihre Briefe zurückgibt oder verbrennt. Er weigert sich. "Deine Briefe gehören mir, so wie meine Briefe Dir gehören." In einem Café in Rom treffen sie einander zum letzten Mal, im Juni 1963.

Im Rahmen der Salzburger Bachmann-Edition erschien im Herbst: "Anrufung des großen Bären. Gedichte". Hg. von Luigi Reitani. € 28,80 / 335 Seiten.
Foto: Verlag

"Die größte Niederlage"

"Es muß etwas Wunderbares um die Liebe sein, ich habe es nie gekannt", schreibt sie unmittelbar nach dem Treffen in einem Brief, von dem sie will, dass auch Frischs Geliebte Marianne Oellers ihn liest. Die Begegnung (zu dritt) endete im Zerwürfnis. Frisch wurde von ihr mit Vorwürfen und Anschuldigungen überschüttet, irgendwann verlor er die Nerven. Der Vorwurf, er hätte sie nie geliebt, ja, er könne gar nicht lieben, ging ihm unter die Haut. Jetzt sei für ihn eine Grenze überschritten … Sie fühlte sich verstoßen: "alle Welt" habe sie "liegen lassen, wie einen Hund".

Die Trennung von Frisch, hatte sie schon vorher Hans Werner Henze bekannt, bedeute "die größte Niederlage" ihres Lebens. Daran änderten auch seine Beteuerungen nichts mehr: "Ich habe dich sehr geliebt", antwortete er in einem langen Brief. Den Satz wiederholte er später. "Trauer, Reue, Bitterkeit, Scham. Ich habe geweint." Sie beharrte: "Meine Gefühle gehen niemand mehr etwas an." Ein Schlussstrich? Sein Name durfte in ihrer Gegenwart nicht mehr ausgesprochen werden. Frisch wurde zur Unperson und die Täterrolle in der Literaturgeschichte festgeschrieben. Aber so kann man das nach Kenntnis der Briefe nicht stehen lassen. Und man tut auch der Rolle der Frau nichts Gutes, würde man diese Beziehung nur als Opfergeschichte der Bachmann lesen. Aber es ist zweifellos eine des Schmerzes. "Was diese Jahre für Dich gewesen sind – ich weiss es nicht – ein Irrtum, ein Verhängnis, an dem Du zu Zeiten gelitten hast …", schreibt sie. Er: "Ich habe mich geklammert an Dich, Ingeborg, bis zur Erschöpfung von uns beiden. (Gerhard Zeillinger, 16.12.2022)