Hella Pick schrieb Geschichten über die einflussreichsten Persönlichkeiten ihrer Zeit.

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Die weltweit prominenteste aus Österreich stammende Journalistin ist in Österreich nur wenig bekannt. Hella Pick musste als Neunjährige 1939 vor der Verfolgung durch die Nazis flüchten und kam mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Dort schaffte sie nach schwierigen Jugendjahren einen beeindruckenden beruflichen Aufstieg: Sie studierte an der London School of Economics (LSE), erhielt einen Job bei einem Spezialmagazin für Westafrika und kam 1961 zum Guardian, wo sie jahrzehntelang als führende internationale Korrespondentin tätig war – und dies zu einer Zeit, in der es fast keine Frauen in der Branche gab.

Internationale Meilensteine

Pick berichtete von der Uno in New York, als dort noch Weltpolitik betrieben wurde, und erlebte die Bürgerrechtsbewegung in den USA hautnah mit. Sie war in Osteuropa vor und während des Falls des Eisernen Vorhangs unterwegs und traf mit vielen der großen Persönlichkeiten ihrer Zeit zusammen – von John F. Kennedy über Willy Brandt bis Nicolai Ceaușescu und Lech Wałęsa.

Ihre Bücher über Simon Wiesenthal und den Umgang des Nachkriegsösterreichs mit der NS-Vergangenheit brachte sie ab den späten 1990er-Jahren immer öfter zurück in ihr Geburtsland. In ihrer Autobiografie, die nun unter dem Titel Unsichtbare Mauern auf Deutsch erschienen ist, spielt auch Österreich eine zentrale Rolle. Mit 93 Jahren blickt Pick auf ein einmalig abenteuerliches Leben zurück und erzählt davon in einem sachlichen, aber dennoch oft berührenden Stil.

Späte berufliche Heimat

Es sind drei Erzählstränge, die Pick auf 440 Seiten bündelt: die Flucht eines kleinen Mädchens und ihr Aufwachsen in einem fremden Land mit einer traumatisierten Mutter; die Karriere einer großartigen Journalistin, die dafür viele Hürden überwinden musste; und schließlich die Selbstbetrachtung einer Frau, die für den beruflichen Erfolg die Chance auf Mann und Kinder opfert und trotz aller Anerkennung stets mit inneren Unsicherheiten zu kämpfen hat.

Hella Pick, "Unsichtbare Mauern. Autobiografie". € 28,– / 440 Seiten. Czernin-Verlag, Wien 2022.
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Mit großer Offenheit erzählt Pick über ihre meist wenig glücklichen Beziehungen zu Männern, etwa zu einem indischen Maharadscha und dem deutsch-britischen Soziologen Ralf Dahrendorf, die späte Wiederentdeckung ihrer jüdischen Identität und ihren Schmerz, als der Guardian sie 1996 feuerte, weil man sie zu alt für den Job hielt. Der Verleger George Weidenfeld, wie Pick einst aus Wien nach England geflüchtet, bot ihr dann mit seinen diplomatischen Initiativen eine späte berufliche Heimat. Immer wieder räumt Pick Fehlentscheidungen in ihrem Leben ein, sei es das falsche Buchprojekt oder der falsche Mann, aber auch die glücklichen Zufälle, ohne die ihr Leben ganz anders verlaufen wäre.

Einsicht und Zuversicht

Die schönsten Passagen des Buches sind die frühen Kapitel über ihre Arbeit als junge Journalistin im Westafrika der späten 1950er-Jahre, wo Persönlichkeiten wie Kwame Nkrumah (Ghana) und Félix Houphouët-Boigny (Côte d’Ivoire) ihre Länder gerade in die Unabhängigkeit führten. Pick beschreibt, wie ihr direkter Zugang zu diesen Männern stets mit persönlichem Risiko behaftet war, aber vermittelt auch den Optimismus dieser Zeit, der bald von Korruption, Stagnation und Gewalt erstickt wurde.

Eine ähnliche Euphorie erlebte sie 1989 in Osteuropa, ihre letzte große journalistische Geschichte für den Guardian. "Es ist nicht das Leben, nach dem ich mich gesehnt habe ... Aber das Glück ist oft auf meiner Seite gewesen." Diese Mischung aus Einsicht und Zuversicht, die Hella Pick bis heute ausstrahlt, spürt man auf jeder Seite dieses wunderbaren Buches. (Eric Frey, 16.12.2022)