Max Beckmanns "Selbstbildnis im Hotel" (1982) gastiert seit 2020 als Leihgabe der Thomas Kirch Stiftung in der Albertina.

Foto: Albertina

Zwischen 20 und 30 Millionen Euro, in dieser Größenordnung waren die Erwartungen des deutschen Auktionshauses Villa Grisebach im Vorfeld der Versteigerung von Max Beckmanns Selbstbildnis gelb-rosa gelegen. Gemalt 1943 in dem von deutschen Truppen besetzten Amsterdam und vor der Emigration in die USA 1947 war das Gemälde aus dem Nachlass von Beckmanns zweiter Ehefrau Mathilde über Vermittlung einer Galerie 1996 in die Sammlung eines deutschen Juristen gelangt und bis zuletzt in dessen Familienbesitz in der Schweiz verblieben.

Von dort kam es am 1. Dezember nun in Berlin zur Versteigerung. Laut dem Handelsblatt hatten die Bieter zuvor eine Bankgarantie vorlegen müssen, auch matchten sich übers Telefon Kaufinteressenten aus London, New York, Frankreich und der Schweiz. Von 13 Millionen ging es bis zum Zuschlag aufwärts bis zu 20 Millionen Euro. Inklusive Aufgeld wird die Käuferin oder der Käufer aus der Schweiz nun 23,22 Millionen Euro überweisen.

Sensationspreis, aber kein Rekord

Ein Sensationspreis, der höchste je in Deutschland für ein Gemälde erzielte, wenngleich kein Auktionsrekord für ein Werk von Max Beckmann. Der rangiert derzeit bei etwas mehr als 41 Millionen Euro, für das Bild Hölle der Vögel (1937/38), das 2017 bei Christie’s in London den Besitzer wechselte.

Der deutsche Top-Zuschlag des Jahres rückt eine Motivgattung in den Mittelpunkt, die im Schaffen Beckmanns eine Sonderrolle einnimmt – die des Selbstporträts. Das erste schuf der aus Leipzig Gebürtige um 1898 gerade mal 15-jährig – das letzte entstand 1950 im amerikanischen Exil, wenige Monate bevor er am 27. Dezember des Jahres während eines Spaziergangs im New Yorker Central Park an einem Herzinfarkt verstarb. In den knapp fünf Jahrzehnten dazwischen entstanden 36 von ihm als Selbstbildnisse bezeichnete Werke, wie dem digitalen Werkverzeichnis der Kaldewei-Kulturstiftung zu entnehmen ist.

In der Serie "All Eyes On" produzierte die Albertina dieses Video, in dem Künstler Gottfried Helnwein über den Blick in Max Beckmanns Universum erzählt, das ihm das "Selbstbildnis im Hotel" gewährt.
Albertina Museum
Max Beckmanns "Selbstbildnis gelb-rosa" (1943) wechselte jüngst bei Villa Grisebach in Berlin für 23,22 Millionen Euro in Schweizer Besitz.
Foto: AP/Michael Sohn

Versicherungswert als Indikator

Deren zwei wurden 1944 bei Luftangriffen zerstört, eines gilt als verschollen. Eine Minderheit befindet sich in Privatsammlungen, eine Mehrheit von 24 dagegen in Beständen oder als Leihgaben in Museen, mehrheitlich in Deutschland, aber auch in den USA (u. a. Museum of Modern Art, New York; Los Angeles County Museum of Art) und eines sogar in Wien: konkret in der Albertina, wo das einst in der Privatsammlung des 2011 verstorbenen deutschen Medienmoguls Leo Kirch beheimatete Selbstbildnis im Hotel seit August 2020 als Leihgabe der Thomas-Kirch-Stiftung gastiert, genauer in der "Monet bis Picasso – Sammlung Batliner" bezeichneten Schausammlung.

Die Erben Leo Kirchs hatten sich gegen den Verkauf von Kunstwerken der Sammlung entschieden, die von Sotheby’s geschätzt worden waren. Der damals dem Selbstbildnis im Hotel zugeordnete Schätzwert ist nicht in Erfahrung zu bringen. Er dürfte jedoch über der Größenordnung des Rekordhalters für ein Selbstbildnis liegen: jenem mit Trompete, das sich Ronald Lauder für seine Neue Galerie in New York vor mehr als 20 Jahren aus dem Auktionsangebot bei Sotheby’s fischte – für 22,5 Millionen Dollar (25,26 Mio. Euro). Mitte der 1980er-Jahre lag der Versicherungswert dieses Gemäldes im Umfeld einer Beckmann-Retrospektive bei 1,5 Millionen Dollar. (Olga Kronsteiner, 16.12.2022)