Es ist keine stille Zeit für die Kunsthalle hinter diesen Mauern im Wiener Museumsquartier.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Anfang Dezember wurde bekannt, dass das Zagreber Kollektiv "What, How & for Whom", das derzeit die Kunsthalle Wien leitet, aus dem Rennen für eine Verlängerung ab Juni 2024 ist. Aus Protest gegen diese "Abwahl" legt nun Aufsichtsrat Boris Marte sein Mandat zurück. "Die Abwahl des leitenden Kuratorinnenkollektivs verstößt gegen meinen Begriff von kulturpolitischer Ethik", so der Vorstandsvorsitzende der Erste Bank Stiftung.

Marte sei 2019 bei der Bestellung von Nataša Ilić, Ivet Ćurlin und Sabina Sabolović "begeistert" gewesen und findet auch nun lobende Worte für ihre bisherige Arbeit. Das Team von WHW sei "mit großen Plänen, Ideen und internationalem Netzwerk in Wien angetreten – bis buchstäblich am Tag nach der ersten Eröffnung alles zugesperrt wurde", erinnert Marte an das Frühjahr 2020 und führt ins Treffen, dass dem Trio keine Möglichkeit gegeben wird, die verlorene Zeit nachzuholen. "Corona hat ihrer Ambition einen Strich durch die Rechnung gemacht." Jeder, der in kulturpolitischen Gremien sitzt, habe den Kampf der Protagonistinnen mitbekommen, die Institution "mit vollem Einsatz durch diese schwierige Zeit zu führen". Darüber hinaus sei dem Team eine Institution übertragen worden, "die zu diesem Zeitpunkt ein ziemlich heruntergewirtschafteter Schatten ihrer selbst war", so Marte.

Kritik an fehlender Begründung

Dass es nun eine Neuausschreibung gibt, da die 20 Bewerberinnen und Bewerber – darunter auch WHW – laut Jury nicht den Kriterien entsprochen hätten, sei laut Marte zu keinem Zeitpunkt mit dem Aufsichtsrat als Gremium besprochen worden, auch sei bis jetzt keine Begründung übermittelt worden. Kritisch sieht er zudem, dass "aus dem Nichts im Umfeld der Kunsthalle plötzlich ein Fotomuseum herausgezaubert wurde, das als neuer 'Rechnungskreis' in die Kunsthallen-GmbH integriert wurde, welche im Handumdrehen zu einer Art allgemeinen 'Kunst-AG' der Stadt gemacht wurde – ohne das leitende Kuratoreninnenkollektiv in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen". Auch der Aufsichtsrat sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Martes Fazit: "Den kurzen Ausflug nach Wien werden die drei Kuratorinnen tausendmal bereuen. Er hinterlässt eine tiefe menschliche Wunde und beschädigt ihre Reputation – abgesehen von der Würdelosigkeit des Vorgehens gegenüber drei großartigen Frauen." Diese Würdelosigkeit stehe im "Einklang mit medialer Ignoranz gegenüber der Herkunft, den Themen und den ästhetischen Anliegen dieser Frauen selbst". Die Entscheidung der Jury ist für Marte "an Mutlosigkeit und Kurzsichtigkeit nicht zu übertreffen", er fordert nun eine Aufarbeitung und Diskussion sowohl über das Vorgehen als auch die Zukunft der Kunsthalle selbst. (APA, 16.12.2022)