Das Bauchweh
Die eigene Rolle im System der Ausbeutung
Katar führt die weltweite Ungleichheit noch stärker vor Augen als ein Urlaub in einem armen Land. Menschen des Globalen Südens gehen unter auslaugenden und oft gefährlichen Umständen über ihre Grenzen, um ihrer Familie das Auskommen zu ermöglichen. Man vergisst das "I’m so tired of driving, I want to go home" eines Uber-Fahrers, der seit 14 Monaten jeden Tag arbeitete, nicht – und noch viel weniger die völlig gebrochenen Blicke der Arbeiter auf einer saudischen Baustelle.
Natürlich ist für diese Dynamik auch unser hiesiger Wohlstand mitverantwortlich. Es sind vor allem westliche Firmen, die in den Herkunftsländern der Arbeiter Lohndumping betreiben oder ihre Subunternehmer zwingen, dies zu tun. So opfern Pakistani ihre besten Jahre lieber schlecht bezahlter Ganztagsarbeit am Golf, statt für noch weniger Geld zu Hause T-Shirts zu nähen. Es ist auch unsere Konsumgier, die dieses System erhält.
Von fußballtrunkenen Fans und traurigerweise auch von unkritischen Kollegen hörte man immer wieder, dass Katar ja gar nicht so schlimm sei, wie man im Vorfeld gelesen habe. Journalisten und WM-Touristen leben für einen Monat in einem Fußball-Disneyland, eingebettet in eine Umgebung, die für Privilegierte auch außerhalb der WM angenehm ist. Für viele andere ist das nicht so.
Ja, ich habe mich selten so sicher gefühlt, doch ein wegen ausstehender Gehälter protestierender Arbeiter ist nicht einmal vor Abschiebung sicher. Weibliche Fans betonten oft, wie unantastbar sie sich in Doha fühlten, den vielen in sklavischen Verhältnissen gehaltenen Dienstmädchen geht es anders. Katar wird es als Erfolg verbuchen, dass die meisten Gäste stets nur den ersten Teil sehen. Für Fans mit Scheuklappen war es eine gute WM.