Zehn Prozent Gas haben österreichische Haushalte und Industriebetriebe seit August 2022 durch eigenes Handeln eingespart. Das zeigen Berechnungen der Universität für Bodenkultur Wien und des Wifo.

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Erfolgsmeldungen zum Thema Gas waren im vergangenen Jahr rar gesät. Kein Wunder also, dass das Klimaministerium unter Leonore Gewessler (Grüne) nach positiven Nachrichten dürstet. Am Donnerstag hatte die Ministerin eine solche zu verkünden: Der Gasverbrauch in Österreich sei zwischen August und November "deutlich gesunken", hieß es in einer Aussendung an Medien.

Je nach Monat lagen die Einsparungen im Vergleich zum Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre bei 8,3 bis 25,4 Prozent. Laut Zahlen des Austrian Gas Grid Management (AGGM) hat Österreich seit August durchschnittlich knapp 18 Prozent weniger Gas verbraucht – ein Wert, der derzeit sogar über dem EU-Ziel von 15 Prozent liegt. "Die Ergebnisse zeigen, dass sich unsere gemeinsamen Bemühungen auszahlen", sagt Gewessler.

Aber sind die Einsparungen tatsächlich auf aktive Maßnahmen zurückzuführen? Oder hat uns der warme Herbst das Sparen dieses Jahr besonders einfach gemacht?

Der Vergleich hinkt

Zahlen, die öffentliche Stellen zum Thema Gasverbrauch publizieren, beruhen meist auf einfachen Vergleichen mit Vorjahreszeiträumen. Diese Vergleiche sind allerdings nur bedingt aussagekräftig: Der Gaskonsum ist vor allem in Haushalten und Büros stark von der Außentemperatur abhängig. Und die war in den sommerlichen Herbstmonaten dieses Jahres bekanntlich höher als normal.

Dazu kommt ein weiterer saisonaler Effekt, der dieses Jahr stärker als üblich ausfiel und Vergleiche schwierig macht: Österreich produziert einen großen Teil seines Strombedarfs mit Wasserkraftwerken. Der Ertrag war dieses Jahr aufgrund des trockenen Sommers und der niedrigen Pegelstände jedoch kleiner als sonst. Energieunternehmen mussten den Mangel an Strom aus erneuerbaren Quellen deshalb mit der Verstromung von Gas kompensieren. In diesem Fall geht der statistische Effekt in die gegenläufige Richtung: Prozentangaben bei Einsparungen könnten zu niedrig wirken, weil Österreich dieses Jahr mehr Gas als sonst für die Stromproduktion benötigt hat.

Um Einsparungen beim Gasverbrauch besser vergleichbar zu machen, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (Boku) eigene Berechnungen angestellt. Ziel der Analyse war es, Temperatureffekte und Effekte der Stromproduktion aus den offiziellen Daten herauszurechnen. So lässt sich besser abschätzen, wie viel Gas Industriebetriebe und Haushalte "wirklich" einsparen.

"Echte" Einsparungen

Die Wirtschaftsforscher haben sich angesehen, wie stark der Gasverbrauch in den vergangenen Jahren von der jeweiligen Außentemperatur abhängig war. Anhand dieser Daten prognostizierten sie, wie hoch der Gasverbrauch dieses Jahr ausfallen müsste, gäbe es keine Sparmaßnahmen. Aus der Differenz zwischen der Prognose und dem tatsächlichen Verbrauch lassen sich so "echte" Einsparungen ableiten. Das Ergebnis: Seit August hat Österreich knapp sieben Prozent Gas gespart. Rechnet man auch die Stromproduktion heraus, ergibt sich ein Wert von rund zehn Prozent. Diese "bereinigte" Zahl liegt deutlich unter dem tatsächlichen Verbrauchsrückgang von 18 Prozent.

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Auffällig ist, dass die Einsparungen im zeitlichen Verlauf stark variieren und der Verbrauch vor allem seit Oktober wieder steigt (siehe Grafik). Grund dafür könnte sein, dass im gleichen Zeitraum die Gaspreise fielen, was wiederum den Verbrauch in die Höhe trieb, erklärt Johannes Schmidt von der Boku dem STANDARD.

Noch deutlicher ist dieser Effekt, wenn man die Stromproduktion mitberücksichtigt. Das liegt daran, dass Akteure am Strommarkt schneller auf Preisschwankungen reagieren als Haushalte, deren Tarife nicht täglich angepasst werden. Die Statistik zeigt also auch Folgendes: Die beste Motivation zu sparen sind immer noch hohe Preise.

Aber sind die zehn Prozent "echte" Einsparung nun auf Haushalte oder auf Betriebe zurückzuführen?

"Dazu gibt es in Österreich keine Daten", sagt Schmidt. Auch internationale Vergleiche seien schwierig. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist etwa "echte" Einsparungen von 20 Prozent aus, berücksichtigt jedoch nur Haushalte und kleinere Gewerbebetriebe, nicht aber große Industriebetriebe.

EU-Ziel schwer erreichbar

Das Ziel der EU, zwischen August 2022 und März 2023 15 Prozent weniger Gas zu verbrauchen, richtet sich nicht nach den "echten" Einsparungen, sondern nach dem tatsächlichen Verbrauch. Mit einem Rückgang von 18 Prozent liegt Österreich derzeit noch auf Kurs.

Dass das bis März so bleibt, ist laut Schmidt jedoch fraglich. Der Winter ist bisher vergleichsweise kalt, weshalb Österreich bei den "echten" Einsparungen aufholen müsste. Derzeit ist das allerdings nicht der Fall, was unter anderem daran liegt, dass Haushalte, die ihre Wohnungen auf 19 Grad wärmen, diese Temperatur beibehalten – und nicht senken, wenn die Außentemperaturen weiter zurückgeht.

Bleibt Österreich bei den zehn Prozent "echter" Einsparung, dürfte sich das EU-Ziel von 15 Prozent bis März nicht ausgehen, sagt Schmidt. "Jedenfalls dann nicht, wenn es weiterhin so kalt bleibt wie jetzt." (Jakob Pflügl, 17.12.2022)