Über die Frage "Zerbricht unsere Gesellschaft?" wurde bei "Im Zentrum" diskutiert.

Screenshot: tvthek.orf.at

"Wovor haben Sie Angst?", fragt Moderatorin Claudia Reiterer zum Intro. "Davor, wozu Menschen auch fähig sind", ist man beim Zuschauen versucht zu antworten. Die Diskussion kommt nur sehr langsam in die Gänge. Auch weil die Gäste vorsichtig miteinander umgehen – vor allem die Ikone der Klimabewegung, Lena Schilling, bemüht sich, nicht konfrontativ Generationenfragen zu strapazieren. Chapeau!

Aktuelle Daten des Sora-Instituts als Zunder für den Diskurs: 60 Prozent der Bevölkerung sorgen sich um Teuerung, 59 um das Klima, 56 sind wegen des Krieges besorgt. Heinz Fischer, Bundespräsident a. D., findet "problematisch, was Umfragen alles belegen wollen". Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann stichelt und schlägt vor, man könnte angesichts der zitierten Sorgenstimmung auch einmal auf volle Shoppingtempel oder die große Nachfrage nach Arbeitskräften schauen. Die beiden Herren diskutieren ihre Protestvergangenheit als Vietnam-Krieg-Gegner.

Sprachliche Abrüstung

Journalistin Anna Schneider (Die Welt) will nicht "wie ein alter, weißer Mann" klingen zur Frage der Klimaproteste, und dem Bundespräsidenten a. D. passiert gelegentlich, dass er über die anwesende Lena Schilling in der dritten Person spricht.

Gespalten und zerbrochen als Gesellschaftsbild? Anna Schneider verlangt "sprachliche Abrüstung". Liessmann hält die Rhetorik für "überzogen" und beschreibt einen Zustand "absoluter Dummheit", weil es nicht um Argumente, sondern um Urteile gehe. Die "unselige Cancel-Culture" hemme den Fortschritt der Erkenntnis. Lena Schilling wird kämpferischer: "Wir haben eine Welt zu gewinnen!" Heinz Fischer schließt mit Karl Popper und ist damit zum Ausklang zurück im Adagio. (Karin Bauer, 19.12.2022)