Michael Ludwigs Handy könnte Aufschluss darüber geben, wann er von den Problemen der Wien Energie erfuhr.

Foto: Regine Hendrich

Es ist zweifelsohne der öffentlichkeitswirksamste Aspekt der Untersuchungskommission zur sperrigen Causa Wien Energie: das oppositionelle, türkis-blaue Begehr nach Einblick in Nachrichten auf Handys der rot-pinken Wiener Regierungsspitzen. Allerdings steht dieses Verlangen, wie sich immer mehr abzeichnet, auf wackeligen Beinen. Das erläuterten Markus Wölbitsch und Maximilian Krauss, Klubchefs von ÖVP und FPÖ, am Montag – und kritisierten SPÖ und Neos dafür.

Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt. Denn in puncto Chatnachrichten könnte noch diese Woche eine wichtige Entscheidung fallen: jene, ob den Anträgen auf Vorlage der Handy-Kommunikation stattgegeben wird. In der U-Kommissionssitzung am vergangenen Freitag konnten sich die Regierungs- und Oppositionsfraktionen nicht einigen. Deshalb hat nun das Vorsitzteam aus zwei Richtern und einer Richterin das letzte Wort. Um sich eine Meinung zu bilden, bleiben diesem grundsätzlich zwei Wochen, also bis 30. Dezember. Denkbar ist aber, dass es die heikle Entscheidung noch vor Weihnachten vom Tapet haben möchte.

Briefverkehr möglich, Zwangsmittel nicht

Konkret will die ÖVP von der Magistratsdirektion Chatnachrichten von Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) rund um die finanziellen Engpässe der Wien Energie geliefert bekommen. Und die FPÖ jene von Vizebürgermeister und Transparenzstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Kommissionsvorsitzender Martin Pühringer hat allerdings bereits Zweifel angemeldet, ob dies möglich sein wird: Der Zugriff auf Chats könne einen Grundrechtseingriff darstellen, gab er gleich in der ersten Sitzung Anfang Dezember zu bedenken.

Selbst wenn Pühringer und seine beiden Teammitglieder grünes Licht geben, bleibt es kompliziert. U-Kommissionen des Wiener Gemeinderats haben – anders als Untersuchungsausschüsse im Bund – keine Zwangsmittel, um Beweise wie Handychats herbeizuschaffen. Das bedeutet: "Der Vorsitzende kann der Stadt zwar einen netten Brief schreiben und Unterlagen verlangen. Ob sie dem nachkommt und in welcher Form, das hängt allerdings von der Stadt ab", sagte Wölbitsch.

Lieferung in Bund und Burgenland verpflichtend

Wie es besser gehen könnte, würden nicht nur die U-Ausschüsse im Bund zeigen. Ausgerechnet das rot regierte Burgenland nannte Wölbitsch als zweites Vorbild. Laut burgenländischer Landesverfassung besteht für Rechtsträger unter Kontrolle des Landesrechnungshofs die Verpflichtung, U-Ausschüssen (dem Äquivalent zur U-Kommission auf Landesebene) "auf Verlangen" Akten vorzulegen und "Beweiserhebungen in angemessener Frist Folge zu leisten". Subsumiert wird diese Verpflichtung unter dem Begriff grundsätzlicher Beweisbeschluss – in Wien fehle sie, kritisierte Wölbitsch.

Dass besonders die ÖVP so auf die Vorlage der Chats beharrt, hat zwei Gründe. Der erste, inhaltliche: Die Nachrichten könnten tatsächlich wichtige Hinweise liefern, wann Bürgermeister Ludwig von den Problemen der Wien Energie erfuhr. Und das ist wiederum entscheidend für die vieldiskutierte Frage, ob der Stadtchef der Wien Energie im Sommer zu Recht eigenhändig via Notkompetenz zwei 700-Millionen-Euro-Kredite gewährte. Der zweite Grund ist eher ein emotionaler: In U-Ausschüssen im Parlament kamen unter anderem auf Betreiben der SPÖ heikle türkise Chats ans Licht – diesen Spieß will man in Wien nun umdrehen.

Antrag auf Reform im Gemeinderat

Weiteres Manko der Wiener U-Kommissionen ist für Wölbitsch, dass bei Streitigkeiten kein Instanzenzug vorgesehen ist: Im Bund könne der Verfassungsgerichtshof angerufen werden, im Burgenland das Landesverwaltungsgericht – in Wien lediglich das Vorsitzteam. Um diese Schwachstellen zu beseitigen, werden ÖVP und FPÖ vermutlich gemeinsam in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch einen Antrag auf Reform der U-Kommissionsregeln einbringen.

Die Schuld am Fehlen derartiger Regeln geben ÖVP und FPÖ allen voran den Stadtroten. "Die Nerven liegen bei der SPÖ blank", konstatierte der blaue Klubchef Krauss. Beide Parteien schossen sich auch auf das Verhalten der Neos in der U-Kommission ein. Diese seien "vollends" in der SPÖ aufgegangen, kritisierte Krauss.

Strebl und Weinelt als potenzielle erste Zeugen

Und was heißt das nun für die künftige Strategie von ÖVP und FPÖ in der U-Kommission? Die Zeugenbefragungen, die nach Weihnachten starten, werden für sie umso wichtiger. Wer am 16. Jänner geladen ist, wurde offiziell noch nicht bekanntgegeben. Dem Vernehmen nach dürften Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl und Aufsichtsratsvorsitzender Peter Weinelt zum Zug kommen. (Stefanie Rachbauer, 19.12.2022)