Manche Mäuse laufen mehr als 30 Kilometer in zwei Tagen, andere nicht einmal fünf. Das liegt nicht an den Genen, sondern vor allem an zwei Darmmikrobenarten, fand ein US-Forscherteam heraus.

Christoph Thaiss, University of Pennsylvania

Sitzen oder liegen Sie lieber am Sofa, als sich drinnen oder draußen sportlich zu betätigen? Sind weder Geist noch Fleisch zur Bewegung willig und für eine Laufrunde oder Ähnliches zu haben? Dann gibt es für Sie jetzt eine neue Ausrede: Der mangelnde Wille zum aktiven Sport könnte auch im Darm begründet sein, wie US-Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Nature" zeigen, zumindest an Mäusen.

Der aus Deutschland stammende Mikrobiologe Christoph Thaiss von der University of Pennsylvania und sein Team haben zwei spezifische Darmbakterienarten ausfindig gemacht, die Mäuse dazu anregen, immer weiter zu laufen. Durch ihre Entdeckung, wie diese Mikroben mit dem Gehirn kommunizieren, hat die Gruppe um Thaiss womöglich den Schlüssel dafür entdeckt, wie in Zukunft durch gezieltes Einschleusen von bestimmten Darmmikroben dafür gesorgt werden könnte, dass der Mensch aktiv bleibt.

Es liegt nicht an den Genen ...

Für ihre Studie, die von Experten sehr positiv aufgenommen wurde, untersuchten die US-Forschenden rund 200 Labormäuse, die so gezüchtet wurden, dass sie nicht nur möglichst große genetische Unterschiede aufwiesen, sondern auch bei ihrem Laufpensum. Während einige der Nager in zwei Tagen mehr als 30 Kilometer im Laufrad oder auf dem Laufband zurücklegten, schaffen andere bloß fünf Kilometer.

Die besonders aktiven und die besonders faulen Mäuse wiesen keine signifikanten Unterschiede in ihrer Genetik auf. Doch den Forschern fiel auf, dass Mäuse, die normalerweise sehr bewegungshungrig waren, sich nach Antibiotikabehandlung um 50 Prozent weniger bewegen wollten. Viele dieser Mäuse gingen nicht einmal in die Nähe ihres Trainingsgeräts, das sie zuvor noch regelmäßig aufgesucht hatten.

... sondern an Darmmikroben

Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich die Antibiotikabehandlung auf die Gehirne der ehemals aktiven Mäuse ausgewirkt hatte: Die Aktivität bestimmter Hirngene nahm ebenso ab wie der Dopaminspiegel. Das Spannende daran: Dopamin ist jener Neurotransmitter, der mit dem "Runner's High" in Verbindung gebracht wird, also jenem Gefühl des Wohlbefindens, das sich nach längeren Ausdauersporteinheiten einstellt.

Das Team fand zudem heraus, dass "keimfreie" Mäuse, denen Darmbakterien fehlen, aktiver werden, wenn sie bestimmte Darmmikroben von bewegungshungrigeren Mäusen erhalten. Es scheint, dass diese Bakterien ein Signal aussenden, das ein Enzym stört, das für den Abbau von Dopamin im Gehirn verantwortlich ist, wodurch sich der Neurotransmitter im Belohnungszentrum des Gehirns anreichert.

Darm-Hirn-Verbindung

Thaiss erklärt das mit einer Verbindung zwischen Darmflora und einer bestimmten Gehirnregion namens Striatum. Das ist jener Teil des Großhirns, der für die Motivation entscheidend ist: Das Mikrobiom produziert laut Thaiss spezifische Stoffwechselprodukte, die von Neuronen im Darm erkannt werden. "Diese Neuronen werden bei körperlicher Betätigung aktiviert, und Moleküle aus dem Mikrobiom verstärken diese Aktivierung. Die sensorischen Neuronen senden dann ein Signal an das Gehirn, das zu einem Anstieg des Dopaminspiegels im Striatum führt."

Mit anderen Worten: Bei Mäusen beeinflussen Darmbakterien den Dopaminspiegel. Fehlen die beiden Bakterianarten Coprococcus eutactus und Eubacterium rectale, wird die Dopaminausschüttung abgeschwächt und das belohnende Gefühl der sportlichen Betätigung wird geringer. Genau das habe man bei den mit Antibiotika behandelten Mäusen gesehen, die danach ihre Motivation verloren.

Trainingsmotivation in Pillenform?

Kann ein ähnlicher Zusammenhang auch beim Menschen nachgewiesen werden, könnten in Zukunft "ernährungsbasierte Mechanismen" in Pillenform angeboten werden, um faule Menschen zum Laufen zu motivieren – oder auch, um die Leistung von Sportlerinnen und Sportlern zu verbessern, so die Studienautoren.

Ähnlich sieht das auch Aleksandar Kostic, Mikrobiologe an der Harvard Medical School, der nicht an der Studie beteiligt war, im Fachblatt "Science": "Die neue Arbeit zeigt, wie wichtig das Mikrobiom für die körperliche Betätigung ist, und stellt eine neue Verbindung zwischen Darm und Gehirn her", sagt Kostic, der eine Firma gegründet hat, die Probiotika zur Verbesserung der Fitness entwickelt.

Eines Tages, so die Vision der Forscherinnen und Forscher, könnten Mikroben, die zum Training anregen, in Pillen verpackt werden. Und dann brauchen Couch-Potatoes womöglich eine neue Ausrede, warum sie sich nicht bewegen – beziehungsweise nicht zu diesen Pillen greifen. (tasch, 20.12.2022)