Angesichts des sich beschleunigenden Klimawandels wächst das Interesse an natürlichen und technischen Methoden, Kohlendioxid aus der Luft zu entfernen und in Form von Kohlenstoff zu binden oder als CO2 zu speichern. Da sich die Wissenschaft nach wie vor uneins ist über die Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit von Geoengineering – also rein technischen Maßnahmen, um die Erderwärmung zu bremsen –, rücken "natürliche" Methoden in den Vordergrund.

Es wächst mithin das Interesse für alle möglichen Tier- und Pflanzenarten, die Treibhausgase aus der Luft holen und Kohlenstoff binden könnten. Das Pflanzen von zusätzlichen Bäumen ist die bekannteste dieser Maßnahme, die allerdings erst mittelfristig Wirkung zeigt, weil die Bäume ja erst einmal wachsen müssen. Zudem ist aktuell die Vernichtungsrate von Wäldern durch Brände und Rodung weitaus höher als die der Neuanpflanzungen.

Wale in Zeiten der Klimakrise

Es gibt aber auch Tiere, die als Unterstützer beim Kampf gegen den Klimawandel zumindest theoretisch infrage kommen und deshalb in ihrer Rolle als Kohlenstoffspeicher und CO2-Entferner untersucht werden. Dazu gehören auch die größten Säugetiere des Planeten, die Wale, deren Klimabilanz lange umstritten war und eher als negativ galt, da sie durch das Atmen – wie jedes andere Tier – Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben.

Neuere Studien zeigten allerdings, dass die Tiere gleich doppelt helfen könnten: Zum einen wiegen sie bis zu 150 Tonnen, was im Todesfall nicht wenig Kohlenstoff bindet. Zum anderen sind sie natürliche Verbreiter von eisenhaltigem Dünger in den Meeren, wodurch sich die Menschheit das künstliche Einbringen solcher Substanzen ersparen könnte. Pottwale bringen es im Südpazifik dabei auf rund 50 Tonnen Eisen pro Jahr, wie die junge australische Meeresbiologin Trish Lavery bereits im Jahr 2010 mit Kollegen herausfand.

Ein Blauwal düngt vor der kalifornischen Küste das Meer. Das trägt wesentlich zur positiven Klimabilanz dieser Tiere bei.
Elliott Hazen, NOAA

Zusammengerechnet bleibt der Beitrag der Pottwale allerdings gering, so Laverys damalige Berechnungen: Für das Jahr 2005 ermittelte sie, dass Pottwale durch Düngung nur rund 0,05 Prozent der damaligen weltweiten Kohlendioxidemissionen ins Zwischenlager der Tiefsee versenkten. Dieser Anteil wäre aber entsprechend höher gewesen, wenn es statt der damals 360.000 noch lebenden Pottwale wieder ähnlich viele wie vor Beginn des kommerziellen Walfangs gegeben hätte.

Der Internationale Währungsfonds beschloss auch auf Basis dieser Studie, einen Preis für Wale festzulegen: etwa 1 Billion Dollar für die gesamte Ordnung mit ihren rund 90 Arten Art beziehungsweise 2 Millionen Dollar pro Wal. Die Fachleute des IWF kamen auf diese Summen, indem sie berechneten, wie viel Kohlenstoff die Wale binden, und sahen in ihrer Bepreisung ein Plädoyer für den Schutz der Wale als Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels. An dieser Form des "grünen Kapitalismus" gab es prompt heftige Kritik, so etwa auch im neuen Buch "The Value of a Whale: On the Illusions of Green Capitalism" von Adrienne Buller.

Manchester University Press

Verallgemeinerte Berechnungen

Kritik kommt aber auch von einem Team um die Meeresbiologin Heidi Pearson (University of Alaska Southeast), das sich nun im Fachblatt "Trends in Ecology & Evolution" der Klimabilanz der Wale noch einmal in grundsätzlicher Weise angenommen hat und zu klären versucht, ob eine Erholung der Walbestände tatsächlich günstig für das Klima wäre. Die Antwort lautet stark vereinfacht: im Prinzip ja, aber es ist kompliziert. Und viele Fragen sind offen.

Wie die Fachleute schreiben, speichern Wale aufgrund ihrer Größe und Langlebigkeit Kohlenstoff deutlich effektiver als kleine Tiere. Die Meeressäuger nehmen täglich etwa vier Prozent ihres Körpergewichts in Form von Krill und Plankton zu sich, und ein Großteil des Futters besteht aus Kohlenstoff, der anschließend in der Biomasse der Wale eingelagert wird. Wenn die Tiere sterben, sinkt der in die Tiefsee ab.

Insgesamt sind die globalen Auswirkungen dieser Form der sogenannten Kohlenstoffsequestrierung aber relativ gering – selbst bei starker Zunahme der Walpopulationen, die erstens Jahrzehnte brauchen wird. Und zweitens kann es dann auch noch einmal gut hundert Jahre dauern, bis die langlebigen Tiere sterben und zu Kohlenstoffsenken werden.

Etliche offene Fragen

Für bedeutsamer hält das Team um Pearson die Bereitstellung von Nährstoffen durch Walexkremente, die das Wachstum von Algen und anderen Lebewesen anregen, die Kohlenstoff binden. Sie geben aber zu bedenken, dass es Unsicherheiten hinsichtlich des Verbleibs von Kohlenstoff in diesen Nahrungsnetzen gibt. Entsprechend kritisch äußern sich Pearson und ihre Kollegen, was eine allfällige Monetarisierung des Beitrags der Wale zum Klima angeht: Die Berechnungen des IWF, die den "Klimawert" eines Wals auf umgerechnet knapp zwei Millionen US-Dollar schätzen, können sie in keinem Fall nachvollziehen.

Dennoch ist das Resümee der neuen Studie relativ eindeutig positiv: "Die natürliche Verstärkung der ozeanischen Kohlenstoffsenke durch den Schutz der Wale könnte eine wirksame Strategie zur Entfernung von Kohlendioxid mit geringem Risiko, längerer Dauerhaftigkeit und höherer Effizienz sein als Geoengineering-Lösungen." Wie groß dieser Effekt tatsächlich wäre, kann auf Basis der aktuellen Daten aber noch nicht ermittelt werden. (Klaus Taschwer, 2.1.2023)

Anm. der Red.: Die Einbringung von 50 Tonnen Eisen beziehen sich auf alle Pottwale eines Jahres und nicht auf einen Pottwal im Laufe seines Lebens, wie ursprünglich berichtet und mittlerweile korrigiert.