Im Gastblog zeigt Germanistin Christiane Pabst die sprachlichen Hintergründe und Bedeutungen von alten Weihnachtsliedern.

Die Adventzeit ist für fast alle von uns mit traditionellen Weihnachtsliedern, Märchen, Geschichten und Gedichten verbunden. Vieles davon ist schon über Generationen weitergegeben worden. Wir singen, lesen und hören die Zeilen, wie unsere Großeltern sie schon von ihren Großeltern übernommen haben. Dabei begegnen uns häufig Wörter und Wendungen, die uns in der Alltagssprache gar nicht mehr geläufig sind. Obwohl wir oft wissen, was uns das Lied oder der Text sagen möchte, verstehen wir einzelne Begriffe möglicherweise gar nicht.

Das Lied "Es wird scho glei dumpa" ist weit verbreitet – doch was hat es mit diesem "dumpa" auf sich?
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Wer kennt nicht das wunderschöne Lied "Es wird scho glei dumpa", ein Wiegenlied für das Christuskind, das vermutlich von dem oberösterreichischen Geistlichen Anton Reidlinger im 19. Jahrhundert gedichtet und komponiert wurde. Was aber hat es mit dem "dumpa werden" auf sich? Vermutlich können sich viele aus dem Zusammenhang und der Wortähnlichkeit erklären, dass es dunkel wird. Gehen wir dem Wort aber trotzdem einmal auf die Spur. Es handelt sich dabei um ein typisches Dialektwort in Österreich und Bayern, das Abraham a Sancta Clara auch in seiner 1685 veröffentlichten Schrift "Gack / Gack / Gack / Gac k/ a Ga. Einer wunderseltzamen Hennen in dem Hertzogthumb Bayrn" in der Bedeutung "trübe" verwendet. Es hat eine ziemlich breite Bedeutung: von "dumpf" (-mp- verändert sich im Laufe der Sprachgeschichte zu -mpf-; so war etwa der "Sumper" einer, der bei einem Sumpf wohnt) über "dumm", "dünn, schwach" bis hin zu "dämmrig, dunkel, finster".

In den Schlaf "niedersingen"

Wir wollen noch kurz bei den weihnachtlichen Wiegenliedern verweilen und uns "Still, still, still, weil’s Kindlein schlafen will" genauer ansehen. Da heißt es in der zweiten Zeile "Maria tut es niedersingen". Das erscheint uns heute seltsam – beinahe so, als würde Maria das kleine Jesukind mit ihrem Singen bedrängen, denn fast alle Zeitwörter der Gegenwartssprache, die mit der Vorsilbe "nieder-" eingeleitet sind, haben eher die Bedeutung, dass etwas nach unten geht oder jemand übertrumpft wird (zum Beispiel niederknien, niederringen; niederreden, niederschreien). In früheren Zeiten meinte "niedersingen" aber jemanden singend zu Bett bringen, so lange Schlaflieder vorsingen, bis der oder die Besungene eingeschlafen ist.

Jesus und Jesse

Ein sehr altes, nämlich im 16. Jahrhundert entstandenes Weihnachtslied ist "Es ist ein Ros entsprungen", in dem Jesus mit einem zarten Röslein verglichen wird, das Licht in die Dunkelheit der Nacht bringt. Darin heißt es über die Wurzel dieser Rose: "von Jesse kam die Art". Zur Zeit der Entstehung des Lieds hatten alle beim Anhören oder Singen dieser Zeile den sogenannten Jessebaum vor Augen, das ist der Stammbaum von Jesus. Es ist auch ein sehr übliches Bild dieser Zeit, Jesus als Blume oder Röslein auf einem Zweiglein zu betrachten, das aus "der Wurzen Jesse" stammt. "Wurzen" meint in diesem Zusammenhang "Ursprung, Herkunft". Der Liedtext erzählt uns also, dass Jesus von Jesse abstammt. Jesse, auch als Isai bekannt, wird im Alten Testament oft genannt. Er ist der in Bethlehem lebende Vater von David, aus dessen Stamm Jesus hervorgeht.

Der Jessebaum zeigt die Abstammung Jesu von Jesse in der Form eines Baumes.
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Stille Nacht, heilige Nacht

Das wohl bekannteste und uns so geläufige Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht", von Joseph Mohr im Jahre 1818 getextet, erzählt uns von dem "trauten Paar", das über den neugeborenen Knaben wacht. Wir kennen wohl sicher alle das Zeitwort "trauen" im Sinne von "vertrauen", aber was bedeutet es, wenn das Paar "traut" ist? Wenn wir an den Angetrauten oder die Angetraute denken, kommen wir der Bedeutung des Eigenschaftworts "traut" schon näher. Es ist jemand, dem oder der wir vertrauen können, jemand, der oder die lieb und von uns geliebt ist. Heute würde Mohr vielleicht dichten "einsam wacht nur das geliebte, hochheilige Paar".

Die heimeligen Abende der Adventzeit laden zum Innehalten ein, sodass auch das Besinnen auf die Bedeutung althergebrachter Wörter und das damit verbundene Eintauchen in frühere Zeiten das Gefühl der Geborgenheit und Traditionen, das wir mit Weihnachten verbinden, verstärken können. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine Zeit voller Wunder und eine stimmungsvolle heilige Nacht! (Christiane Pabst, 20.12.2022)