Wir befinden uns in Franciacorta bei Brescia, wo Porsche seit 2020 ein Erprobungsgelände unterhält, das achte seiner Art. Klaus Bachler, steirischer Rennfahrer und seit einer Dekade in Porsche-Diensten, bereitet mich schon einmal vor auf das, was gleich kommen wird. "Du wirst sehen: Die Beschleunigung ist einfach irre." Inzwischen bin ich professionell auf dem Beifahrersitz festgezurrt, habe vorher elegant meinen hüpfenden Rettungsnotausstieg absolviert, RRRRTTT, RRRRTTT, die Räder sind mit den Ratschen am Wagen fixiert, er rollt raus von der Box auf die Strecke.

Es klingt, als würde ein Jet beschleunigen, für die Leute von Porsche ist ein "emotionales Klangbild" ein unbedingtes Muss, auch bei Elektro, und es ist dann in dem Fall nicht so sehr die Querbeschleunigung als das Erlebnis auf der Geraden: In 5,6 Sekunden ist der 718 GT4 e-Performance von null auf Tempo 200 km/h, "schneller als der freie Fall". Klar, das ist ein Prototyp, klar aber auch, dass Porsche das rasant wachsende Geschäftsfeld Kundensport in die nächste Generation, die elektrische, rüberholen will, und dazu haben die diesen Versuchsträger aufgebaut.

Der Prototyp 718 GT4 e-Performance zeigt eindrucksvoll auf, wohin Porsche beim Kundensport will – auf Basis der elektrischen 718-Baureihe, die 2025 anläuft.
Foto: Porsche

Der hat es in sich. Im Qualifikationsmodus lassen sich aus Front- und Heck-Motor bis zu 800 kW (1088 PS) herauskitzeln, im Rennbetrieb 450 (612 PS), das reicht für eine halbstündige Renndauer. Statt mit 800 Volt (Taycan) arbeitet der e-Performance mit 900, und die Rekuperationsleistung ist beeindruckend, bis zu 50 Prozent der Energie kann wieder in die Batterie rückgeführt und für Vortrieb verwendet werden. Hinten kann bis zu 100 Prozent, vorn bis 60 Prozent rekuperiert werden, mechanische Bremsen sind nur noch vorn zu finden, für die ersten Runden mit voller Batterie.

Man kann sich jetzt schon ausrechen, dass das Gesamtpaket des Motorsport-Serienfahrzeugs, in das die im Versuchsträger erprobte Technologie münden wird, im Nahbereich des hier Geschilderten zu liegen kommen wird, Zielgruppe ist eine ökologisch verantwortungsbewusste Motorsportklientel, mit entsprechend Barschaft, versteht sich.

Basieren wird das Fahrzeug, wie bei Porsche üblich, auf einem Serienfahrzeug, und das wird ein Elektro-Sportwagen sein. Es lässt sich sogar schon sagen, welcher – offiziell wurde nämlich heuer im März bereits kommuniziert: "Wir verstärken unsere Elektrooffensive mit einem weiteren Modell. Mitte des Jahrzehnts wollen wir unseren Mittelmotor-Sportwagen 718 ausschließlich vollelektrisch anbieten."

Hinterradbremsen sind eine Sache der Vergangenheit, der 718 GT4 baut hier auf die e-Performance seiner Rekuperation.
Foto: Porsche

Die Elektro-Sportwagen sind dann ein Ableger der PPE-Plattform, und damit sind wir beim eigentlichen Kernthema dieses Berichts, der zweiten rein elektrischen Plattform des VW-Konzerns, die Porsche und Audi gemeinsam in den vergangenen Jahren entwickelt haben, eine Milliardeninvestition, die Abermilliardeprofite erwirtschaften soll.

Erste konkrete Autos werden Porsche Macan und Audi A6 e-tron sein, beide werden aus jetziger Sicht ziemlich zeitgleich Anfang 2024 ihren Marktstart haben, und Porsche gewährte jetzt erstmals Einblick in die technischen Grundlagen – von PPE und Elektro-Macan.

Solide wirtschaften

PPE steht für Premium Platform Electric, ist konzipiert für die teureren, margenstarken Gebinde des Konzerns, und Ben Weinberger leitet die Info-Runde ein mit dem Verteilen von Tablets an jeden anwesenden Journalisten – darauf sichtbar das virtuelle PPE-Modell; daneben steht leibhaftig Ludmilla, wir stellen die zarte Dame gleich vor –, und übergibt an Antoon Janssen. Der erläutert zunächst die Grundlagen. Die neue Plattform sei die technische Basis, volumenstarke Elektro-Porsches "mit höchstem technischen Anspruch wirtschaftlich rentabel auf den Markt zu bringen". Und weiter: "Der neue Macan soll das sportlichste Modell seiner Klasse werden."

Die Premium Platform Electric bildet die Konzernplattform für Premium-Elektrofahrzeuge gemeinsam von Audi und Porsche entwickelt.
Foto: Porsche

Gut, das kommt jetzt nicht ganz unerwartet, war der Macan in erster Generation auch schon, vom Alfa Stelvio vielleicht einmal abgesehen und den AMG- und M-Versionen der deutschen Konkurrenz, aber das wird noch einmal eine ganz eigene Nummer.

PPE ermögliche prinzipiell Allrad- und Heckantrieb, wie im Taycan komme 800-Volt-Technologie zum Einsatz und PSM-Motoren, also permanentmagnetische; bei denen ortet man Porsche-relevante Vorteile gegenüber Asynchronmaschinen. 800 Volt erlaubt einerseits solide Rekuperationsleistungen, andererseits flottes Laden, und bei einer maximalen Ladeleistung von 270 kW ist der Akku in unter 25 Minuten auf 80 Prozent Ladung, avisiert der Hersteller.

Im neuen Allrad-Macan sei zunächst einmal eine Leistung von rund 450 kW angepeilt bei über 1000 Newtonmetern Drehmoment, statt auf zweigängiges (Taycan) setzt man auf Einganggetriebe. Die von LG aus dem Werk im schlesischen Breslau stammende Batterie habe eine Kapazität von 100 Kilowattstunden, netto ergebe sich daraus wohl ein Wert von etwa 96 bis 98 kWh. Über die damit erzielbaren Reichweiten hält Porsche sich noch bedeckt, sie lägen aber "über denen des Taycan", schmunzelt Weinberger."

"Einen großen Schritt vorwärts haben wir auch bei der Leistungselektronik gemacht", führt Janssen weiter aus, mit verbessertem Wirkungsgrad zur Reduktion der Schaltverluste, und leitet direkt über zu seinem Fahrwerkskollegen Dominik Hartmann.

Mit Augmented Reality wird die Elektrische Premium Plattform direkt und kostengünstig in den Raum befördert.
Foto: Andreas Stockinger

"Wir sind Porsche, daraus resultieren hoher Anspruch und hohe Ziele, Porsche-typischen Charakter umzusetzen." Mit Ludmilla, und damit zurück zur vorhinnigen Dame, hat man bereits umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Ludmilla ist der Name eines Prototypen auf PPE-Basis, auf die Porsche einen konventionellen aktuellen Macan-Aufbau gesetzt hat. Mit (Kose-)Namen sind wir bei der Re-Ontologisierung des Dinglichen, sprich: der Vermenschlichung technischer Gerätschaft, gleich schließt man ein viel innigeres, liebevolleres Verhältnis.

Ludmilla jedenfalls ist seit Anfang 2021 im Einsatz, ist, wie andere Macan-Protoypen auch, mit den Ingenieuren durch dick und dünn, durch heiß und kalt gefahren, und damit zum Fahrwerk, zum (Performance-)Hinterwagen. Wenn Hartmann sich mehr in den als in den Vorderwagen (Doppelquerlenker-Achse) vertieft, so liegt das daran: Porsche und Audi haben PPE ja gemeinsam entwickelt, doch für den Hinterwagen zeichnet Porsche verantwortlich, für den vorderen Audi.

Weiter im Macan-Text. Der Heckmotor sei weit hinten positioniert, woraus sich eine leicht hecklastige Achslastbalance von 48:52 ergebe. Das adaptive Fahrwerk setze auf Luftfederung und erstmals Zwei-Ventil-Dämpfer. Torque Vectoring ist aufgrund der Vorn-hinten-Elektromotoren-Konstellation zwar nicht darstellbar, aber in den Topversionen komme eine elektronisch geregelte Quersperre zum Einsatz, alles im gedeihlichen Sinne maximaler Fahrdynamik.

Erprobungsfahrzeuge für den E-Macan (Ludmilla), der Anfang 2024 auf PPE-Plattform vorfährt.
Foto: Porsche

Wendiger Charakter

Ach ja, Hinterradlenkung mit fünf Grad Einschlag ist aufgrund PPE auch erstmals im Macan darstellbar, auch dies eine Facette in Richtung des gewünschten und erforderlichen Porsche-Auftritts im Elektro-SUV.

Sonst noch was? Mischbereifung. Markanter noch als bisher unterscheiden sich die Reifenbreiten an Vorder- und Hinterachse künftig,, "um der hecklastigen Gewichtsverteilung gerecht zu werden – für mehr Grip und Fahrdynamik", verrät Hartmann.

Die Frage nach der schieren Masse lässt Porsche zwar noch in der Schwebe, das Leergewicht werde aber "deutlich unter zweieinhalb Tonnen" liegen, und weil PPE als Heck- und Allradantriebsplattform ausgelegt ist, stellen wir noch die Frage, ob auch ein Heckantriebs-Macan zu erwarten sei. Weinberger: "Dazu können wir noch nichts sagen. Lasst euch überraschen."

PPE wird, wie schon MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten, die erste E-Architektur des VW-Konzerns), flexibel bei Radständen und Spurweiten sein – bis zu 20 Zentimeter beim Radstand. Spannende Zeiten. Hochspannende sogar. PPE: für Prima Porsches Eben. (Andreas Stockinger, 17.1.2023)