"Vampire Survivors" gehört zu den populären Titeln im Portfolio von Future Friends.

Foto: Poncle
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Jede und jeder von uns hat Träume. Einer davon ist für viele, das Hobby zum Beruf zu machen. Implizierte dieser Gedanke vor vielen Jahren noch das Bild vom erfolgreichen Sportler oder Musiker, verbinden viele Jugendliche diese Gedankenspiele heute mit dem Medium Videospiele. Man kann sich beispielsweise als Profispieler versuchen, selbst den nächsten Pixel-Hit entwickeln oder aber Millionenseller wie zuletzt das Indie-Game "Vampire Survivors" als PR- und Marketingberater unterstützen.

Genau das hat der Grazer Thomas Reisenegger geschafft, der vor knapp zehn Jahren nach Brighton zog, um dort bei einer Games-PR-Agentur zu arbeiten. Ein Fokus war die Betreuung von Indie-Games, also jener von nur wenigen Menschen geschaffener Perlen, die in jüngster Vergangenheit immer mehr Aufmerksamkeit von Spielerinnen und Spielern bekommen haben. Die Liebe zu genau diesen Spielen hat Reisenegger vor einigen Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagen lassen und seinen Traum von der Arbeit mit Pixeln und Bytes real werden lassen.

Future Friends Games

Zukünftige Freunde

"Vampire Survivors" hat in diesem Jahr gezeigt, dass ein Spiel, das nur von einer Person entwickelt wird, für großes Aufsehen sorgen kann. Pixel-Look, ein simples Spielkonzept und dazu eine irre gut designte Spielbarkeit, die Millionen von Menschen ans Joypad und mittlerweile auch ans Smartphone gefesselt hat.

PR und Marketing für diesen Ausnahmetitel macht die Indie-Agentur Future Friends, die Firma des gebürtigen Grazers Thomas Reisenegger. "Wir sind einige Monate nachdem das Spiel auf Steam im Early Access erhältlich gewesen war an Bord gekommen", erzählt Reisenegger dem STANDARD. Das Spiel war damals schon ein Millionenseller, aber das bestehende Team kam langsam an die Grenzen des Machbaren, hatte man den Erfolg in dieser Größe doch nicht absehen können.

Sogar der Xbox-Chef Phil Spencer teilte auf Twitter seine Liebe zum Spiel "Vampire Survivors".

Die riesige Fangemeinde musste betreut, Presseanfragen beantwortet und die Kommunikation mit Microsoft oder die Preisverleihung Game Awards übernommen werden. Reisenegger und sein Team übernahmen diese Aufgaben, war man in der Szene doch bereits als verlässlicher Partner bekannt. Seit 2018 ist man als Future Friends aktiv und hat in dieser Zeit bereits an die 100 Titel begleitet. Seit frühester Kindheit begeisterter Gamer, zog der damals 23-Jährige für einen vielversprechenden Job nach Brighton. Die dort ansässige PR-Agentur betreute schon damals nicht nur große Games wie "League of Legends", sondern auch kleine Indie-Titel.

Im neuen Arbeitsumfeld kommt der Grazer mit zahlreichen großen Influencerinnen und Games-Websites in Kontakt – ein Segen in der Branche und für den Berufsstand des PR-Managers. Reisenegger ruht sich in dieser vermeintlich sicheren Position jedoch nicht aus, obwohl ihm der Job Spaß macht. Er will sich selbst positionieren, besucht dazu zahlreiche Konferenzen und hält Vorträge zum Thema Indie, Social Media und PR. "Ich habe viel Arbeit in meine Talks gesteckt, was mich bisher als Speaker mehrmals in die USA, quer durch Europa, Asien und Australien geführt hat."

Das eindrucksvoll gewachsene Netzwerk ist die ideale Basis, um nach ein paar Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, die Reisenegger laut eigenen Angaben erst mit etwa 40 Jahren geplant hätte. "Ich habe mehr und mehr Anfragen von Indie-Teams bekommen, ob sie mich direkt für Indie-spezifisches Marketing buchen könnten. Die Idee fand ich super." Nur mit Indies zu arbeiten, sich seine Kundinnen und Kollegen selbst aussuchen zu können: Das klang für den jungen Mann wie ein Traum.

Auf der wichtigen Branchenmesse GDC wird Reisenegger Stammgast.
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Das kleine Büro in London gibt sich bescheiden – es geht nicht darum, Eindruck zu schinden.
Foto: Future Friends

Breites Spektrum

Als Hauptaufgabe für seine Agentur sieht der PR-Mann, ein Mehr an Aufmerksamkeit für Spiele zu generieren: "Unser Motto ist: Anything goes!" Egal ob Marketingplanung, Spielbeschreibungen erstellen, Stärken-Analyse des Spiels oder Trailer-Produktion. Hinzu kommen Pitches an Influencerinnen und Presse, Online-Store-Optimierung wie etwa Steam und einiges mehr.

Ein aktueller Schwerpunkt ist Tiktok. Man müsse in vielen Bereichen "persönlicher und schneller" sein, als die großen Spiele und Firmen sich dadurch Vorteile verschaffen, sagt Reisenegger. Als Beispiel nennt er etwa ein in kurzer Zeit entwickeltes und veröffentlichtes Posting zu dem von Future Friends gepublishten Game "Exo One", das in kurzer Zeit über neun Millionen Views schaffte. Dem Team macht Social Media Spaß, und dieses Interesse nutzt man erfolgreich.

Zudem unterstützt der junge Mann mit seinem Team Entwickler mental, gerade wenn es um den Spielelaunch geht. Oft arbeiten die kleinen Studios jahrelang an einem Spiel. Am Tag der Veröffentlichung zeigt sich dann schnell, ob sie ordentlich verkaufen und das nächste Spiel machen können – oder sie einen Flop produziert haben.

Letzteres sei in der Indie-Games-Branche leider genauso üblich wie bei Indie-Filmen und -Musik. "Hier stehen wir den Entwicklerinnen zur Seite. Wir fiebern mit, sie können mit uns sprechen und auch mal Enttäuschung abladen. Das ist sehr wichtig, gerade für Solo-Entwicklerinnen."

Diverse Kundschaft

Mittlerweile klopfen Studios aus der ganzen Welt an die Tür von Future Friends. "Wir leben von unserem guten Ruf", gibt Reisenegger unbescheiden zu. 80 Prozent der Kunden kommen auf die junge Agentur zu, meist weil sie Positives gehört oder einen Vortrag von Reisenegger auf einer Konferenz gesehen haben. "Die restlichen 20 Prozent sind Spiele, die wir auf Twitter, Reddit oder Steam sehen, cool finden und dann einfach anschreiben." Auch in Österreich sei man weiterhin verwurzelt, etwa mit den Studios Mipumi oder Broken Rules.

Den Erfolg erklärt der Grazer auch mit einer strategischen Entscheidung. Auch heute noch gebe es nicht viele Agenturen, die diesen Indie-Fokus hätten. "Wir sind so gut wie immer Monate im Voraus ausgebucht, und die Handvoll an ähnlichen Agenturen, die wir kennen und schätzen, ebenfalls." Die Kunden könne man sich mittlerweile oftmals aussuchen. Man suche "besondere Spiele", denn diese seien einfacher zu vermarkten als "Durchschnitt". Auch inhaltlich habe man sich Richtlinien gesetzt: "Wir arbeiten zum Beispiel nicht mit Teams, die NFTs in ihren Spielen unterstützen."

Stellt sich nur die Frage, wie sich kleine Indie-Entwickler eine eigene PR-Agentur leisten können. Die Finanzierung läuft laut Reisenegger sehr unterschiedlich: "Einige Teams hatten schon erfolgreiche Spiele, einige haben Investoren, andere bekommen Geld von Abo-Diensten wie Game Pass oder Apple Arcade, und in vielen Ländern gibt es auch regionale und nationale Förderungen für Indie-Games."

Team-Building ist wichtig bei kleinen Firmen, die viel von ihren Angestellten verlangen. Dessen ist sich auch Reisenegger bewusst.
Foto: Future Friends

Ungewisse Zukunft

Die Schnelllebigkeit und Volatilität der Branche sind dem Grazer durchaus bewusst. "Als ich in der Spiele-Industrie angefangen habe, war die Games-Presse ein guter Garant für Verkäufe. Vor etwa fünf Jahren waren es dann auf einmal Influencerinnen, die für klingelnde Kassen sorgten", erklärt Reisenegger den ständigen Wandel.

Heute sei es wichtig, auf mehreren Kommunikationswegen zu funktionieren. Nur auf eine Karte zu setzen sei zu wenig. Oberstes Ziel sei in der aktuellen Zeit allerdings ein sogenanntes Featuring, also eine Platzierung in den Onlinestores von Games-Plattformen wie Steam, Playstation oder Nintendo.

Das sei allerdings schwierig und fast nie garantiert. Deshalb sei es essenziell, sehr viele andere Dinge wie Community-Building zu betreiben und Kontakte mit Influencern und der Presse weiter zu pflegen. Sei man bei diesen Teilaspekten erfolgreich, würde das wiederum die Chance erhöhen, in den Stores gefeaturt zu werden.

Weil der Grazer auch weiterhin die Herausforderung sucht, hat man auch begonnen, "Publishing light" anzubieten, wie Reisenegger es nennt: "Das bedeutet, dass wir fast alle Aufgaben eines Publishers – von PR, Marketing, Social Media, Porting über Spielefeedback bis hin zu Testing – übernehmen." Im Gegensatz zu den meisten Publishern investiert Future Friends aber nicht finanziell in Spiele. Das bedeutet für das eigene Geschäftsmodell, dass man eine etwas kleinere Umsatzbeteiligung hat, aber auch weniger Risiko. Die bisher größten Titel in diesem Bereich waren für Future Friends in diesem Jahr das Strategiespiel "Laysara: Summit Kingdom" und das von Studio Ghibli inspirierte "Europa".

Zu den selbst gepublishten Games gehört etwa das wunderschöne "Europa", das dieses Jahr erschienen ist.
Foto: Future Friends

Nebenbei arbeite man derzeit an neuen Möglichkeiten, etwa die Tiktok-Konkurrenten Youtube Shorts und Instagram Reels zu beackern, da auch diese noch niemand für Indie-Games verwendet hat. In den Weihnachtsfeiertagen nimmt sich das kleine Studio jedoch eine zweiwöchige Auszeit, um sich nach einem hektischen Jahr einen ruhigen Abschluss zu gönnen. Auch Influencerinnen und Presse würden sich in diesen Tagen eher aus dem stressigen Alltag zurückziehen: "Es ist deshalb okay, die Spiele, an denen wir aktuell arbeiten, für ein paar Tage allein zu lassen." (Alexander Amon, 25.12.2022)