Wen fänden Sie bedrohlicher? Einen verurteilten IS-Sympathisanten, der laut einer Zeugenaussage jene tot sehen will, die den Propheten Mohammed beleidigen? Oder einen Waffendealer, der über zwielichtige Kontakte Kalaschnikows samt Munition über die Grenze nach Österreich schmuggeln lassen kann, sobald man ihn danach fragt?

Für Seyedmaziyar Y. ist es der radikale Islamist. Wobei der 34-jährige inhaftierte Iraner in dieser Frage befangen zu sein scheint. Er kennt den tschetschenischen Waffendealer Adam M. (32) seit vielen Jahren. Y. will sich von ihm sogar einmal für eine halbe Stunde ein Sturmgewehr ausgeborgt haben, um Fotos davon zu machen – mehr nicht. Von den mutmaßlichen kriminellen Kontakten seines Freundes wusste Y., ebenso, dass dieser Waffen bei sich daheim gelagert haben dürfte, wie der Iraner erzählt.

"Nie gedacht, dass so schlimme Dinge passieren"

Aber allein deshalb sitzt Seyedmaziyar Y. am Dienstag nicht als Zeuge vor Gericht. Er war es nämlich, der Adam M. über ein illegales Handy aus einem österreichischen Gefängnis heraus mit dem Jihadisten K. F. zusammengebracht hatte. Über diesen kam der spätere Terrorist schließlich an jene Waffen, mit denen er am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen töten und etliche weitere verletzen sollte. Adam M. ist nun einer der sechs Hauptangeklagten im Wiener Terrorprozess. Der Tschetschene gab bereits zu, bei den Waffenübergaben dabei gewesen zu sein.

Alles begonnen hat aber eigentlich mit Ishaq F. (22). Der mehrfach wegen Terrordelikten vorbestrafte Kindheitsfreund des Attentäters lernte Y. in Haft kennen und erklärte dem Iraner dort, dass sein "Komplize" gleich mehrere Kalaschnikows brauche, "damit sie bewaffnet wären". "Wer sind 'sie'," fragt der Richter. Sein ehemaliger Gefängnisgenosse habe wohl "einen Freund" gemeint, korrigiert sich Y.

Wie der Wiener Attentäter an die Waffe gelangte, hatten die Ermittler nach dem Terroranschlag rasch geklärt. Auch weil die Beteiligten kooperativ waren.
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Ishaq F. ist es auch, den der Zeuge als "viel gefährlicher" einschätzt als den Waffendealer. Aber erst so richtig, seit der jihadistische Anschlag passiert ist. Warum? Weil Ishaq F. dem späteren Attentäter geholfen habe. Waffen finde Y. aber ebenfalls durchaus gefährlich.

Der Zeuge legte Ishaq F. einmal folgende Aussage in den Mund: "Wenn ich höre, dass jemand den Propheten Mohammed beleidige, muss dieser sterben." Warum er ihm trotzdem den Kontakt zu einem Waffendealer ermöglicht habe? "Im Gefängnis wird nur geredet, tausendmal wird nur geredet, und es passiert nie irgendetwas", sagt Y. "Ich habe nie gedacht, dass so schlimme Dinge passieren." Er habe ihn "als Kind" gesehen und falsch eingeschätzt. Aber was sei die Intention dahinter gewesen? "Dummheit."

Wie "Steve Jobs in jüngeren Jahren"

Danach werden zwei Zeugen befragt, die Adam M. besser kennen. Einer davon spricht in höchsten Tönen über den Waffendealer. "Wir sind wie eine Familie, enge Freunde, er war immer da, als ich Hilfe gebraucht habe", sagte der ebenfalls aus Tschetschenien stammende vor Gericht aus. Man habe sich immer gefreut, wenn man sich in der Freizeit getroffen habe. Der Zeuge habe auch seinen jetzigen Job über den Angeklagten vermittelt bekommen. Alles in allem sei Adam M. ein "super Kerl". Von Waffengeschäften will der gute Freund nichts mitbekommen haben. Über Religion habe man sich nie unterhalten.

In die Mitte des Gerichtssaals tritt auch ein ehemaliger Arbeitskollege des Wiener Attentäters. Die beiden arbeiteten bei der gleichen österreichischen Sicherheitsfirma. Der Zeuge will beim Attentäter vor allem eine optische Veränderung wahrgenommen haben, wie er erzählt. Er habe sich "ein bisschen anders als die anderen gekleidet". Was er damit meine? "Klamotten wie in den 60er-Jahren, so Oversizesachen, Steve Jobs hat das in jüngeren Jahren auch so getragen."

Nicht greifbar ist hingegen der Zeuge Jaser Z. Der 23-jährige Nordmazedonier wurde mittlerweile abgeschoben. Ihm soll zu Ohren gekommen sein, wie der spätere Attentäter K. F. bereits in Haft über einen Anschlag am Wiener Stephansplatz fantasiert hatte. Laut seiner verlesenen Aussage könne sich Z. nicht mehr daran erinnern, schließt es aber auch nicht aus. K. F. habe nur Religion und den IS im Kopf gehabt. (Jan Michael Marchart, 20.12.2022)